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Dieses japanisch-österreichische Paar bestimmt, wie Boutiquen riechen

Emotionen werden im 21. Jahrhundert in erster Linie über den Sehsinn generiert, der unlängst darauf trainiert ist, sich ständig neuen Eindrücken zu stellen. Eine tägliche Bilderflut über Smartphones, Tablets, Laptops und Tools wie Instagram, Pinterest, Tumblr & Co. tun ihr Übriges. Aber auch unser Alltag ist geprägt von gestalteten Realitäten und designten Objekten. Dabei impliziert der Begriff „Design“, der abgeleitet aus dem Englischen so viel bedeutet wie „Formen“, die allgemein geläufige Vorstellung, dass es sich dabei um sicht- oder tastbare Gegenstände handeln muss. Mode, Möbel, Schmuck, Alltagsprodukte. Wirklich immer? Was macht dann beispielsweise ein Duftdesigner? Oder ist das nur das moderne, zeitgemäße Pendant zum traditionellen Parfumeur, wie wir ihn aus Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“ kennen? Das japanisch-österreichische Paar Shizuko Yoshikuni und Manuel Kuschnig von AIORO Airdesign beschäftigt sich genau damit: Dem Kreieren von Düften. Was genau das bedeutet und inwiefern sie sich vom klassischen Parfumeur unterscheiden, haben sie uns im Interview erzählt. Was ist der Unterschied zwischen einem Duftdesigner und einem Parfümeur?
Manuel: Unsere Arbeit ist es, eigene Signaturdüfte zu kreieren, olfaktorische Logos für Marken oder auch Duftkreationen für Veranstaltung oder Ausstellungskonzepte. Ausschlaggebend ist für uns der Kontext, in dem der Duft funktionieren soll, deswegen achten wir auf alle Sinneseindrücke, die der Raum mitbringt. Das ist insofern wichtig, weil unsere Düfte Teil einer vollständigen Inszenierung werden sollen und der Duft später im Raum objektiv funktionieren muss – im Gegensatz zu einem sehr persönlichen Parfum, das man am Körper trägt.

Woher kommt Eure Faszination für Düfte?

Shizuko: Mir hat mein Vater damals von einem Parfümeur erzählt, der auf Reisen in der ganzen Welt duftende Rohstoffe für Kreationen erkundete und daraus später Düfte kreierte. Das hat mich für meinen eigenen Lebensentwurf sehr inspiriert.
Manuel: Ich komme eher von einem theoretischen Hintergrund, bei dem mich der olfaktorische Sinn immer schon im Zusammenhang mit der Ästhetik einer Atmosphäre interessiert hat. Nachdem ich vor knapp zehn Jahren in Tokio auf Shizuko getroffen bin, war ich fasziniert zu sehen, auf welche Art man Geschichten und Konzepte mit diesem etwas vernachlässigtem Sinn erzählen und vervollständigen kann.

Gibt es den einen unvergesslichen Duft und seine Story für Euch?

Shizuko: Meine Großeltern haben in einer kleinen Stadt in der Nähe von Tokio gewohnt, die für die traditionelle Herstellung von Sojasauce bekannt war. Ich erinnere mich noch gerne an diesen leicht nussigen Geruch von gedämpften Sojabohnen, wenn ich meine Grosseltern besuchte.
Manuel: Mich versetzt bis heute der Geruch von Nelken in eine unglaublich bildhafte Atmosphäre in Java, wo ich als Kind zeitweise aufgewachsen bin. Dieser Geruch erinnert an die dichte heisse Luft, die voll ist von Kretek-Zigaretten und Motorengeräuschen.
Welche Art von Duft bevorzugt Ihr persönlich?
Manuel: Wir “tragen” beide generell kein persönliches Parfum und versuchen in unserem Alltag, was das Thema angeht, generell sehr objektiv zu bleiben. Es sind eher die Gerüche, die wir täglich erleben. Das ändert sich natürlich ständig und richtet sich auch nach unserer Stimmungslage. Momentan gibt es nichts Schöneres als den Duft der Schale einer frisch gepressten Yuzu Zitrone. Du kommst aus Japan, Shizuko. Du aus Österreich, Manuel. Eure gemeinsam Basis ist Berlin. Könnt Ihr beschreiben, wonach Japan, Österreich und Berlin riechen?
Shizuko: Wenn wir an Gerüche in Japan denken, dann hat das im ersten Moment sehr viel mit einer speziellen Dichte in der Luft zu tun, die auch bei allen Dufteindrücken immer mitschwingt. Was einem in den Sinn kommt, ist der typische Geruch von Holz und Reisstrohmatten im Sommer.
Manuel: Österreich ist im Gegensatz dazu sehr klar und still. Im ersten Moment riecht es Jahreszeiten abhängig entweder nach frischem Gras oder nach Schnee. Berlin ist vieles auf einmal. An jeder Ecke anders. Wahrscheinlich ist es das, was die Stadt ausmacht, dass es (für uns) noch keinen festgelegten Duft oder Eindruck gibt, den man damit umgehend verbindet. Es gibt hier auf jeden Fall sehr viel freien Raum zum Atmen, auch weil einem die Stadt so viele Möglichkeiten offen lässt. Die olfaktorische Wahrnehmung ist eine sehr feine sensorische Sinneswahrnehmung, die in Form von Erinnerungen aus uns die Menschen machen, die wir sind — ebenso wie Dinge, die wir gesehen, gefühlt oder gehört haben. Inwiefern glaubt ihr, nehmt ihr Eure Umwelt anders wahr als Menschen, die ihr Geld beispielsweise mit auditiver oder visueller Wahrnehmung verdienen?
Shizuko: Wir sind sicher schon etwas aufmerksamer im Bezug auf den Duft, wenn wir einen Ort wie ein Geschäft oder ein Hotel betreten, aber wahrscheinlich nehmen wir Räume eher in ihrer Gesamtheit wahr. Ein Bild oder ein Geräusch ist atmosphärisch im Gesamtkontext oft nicht von dem des Duftes loszulösen. Wahrscheinlich ist dieser Sinn bei uns etwas bewusster ausgeprägt als bei anderen.

Ihr habt bereits Düfte für Institutionen wie das Mandarin Oriental Tokyo, Toyota, Lexus oder Northface in Japan kreiert. Was habt ihr in dieser Zeit über Duft im Raum gelernt?

Manuel: Auf jeden Fall bestätigt sich immer wieder, wie wichtig der erste Eindruck ist, wenn du einen neuen Ort betrittst. Aber das beeindruckendste ist, zu sehen wie sehr ein passender Dufteindruck einen Raum (auch unbewusst) völlig verändern kann. Wenn du einen Duft für einen besonderen Ort kreierst und dieser dann das erste mal im Raum ausdringt, dann ist es schon faszinierend zu sehen das auch alle anderen Sinne zusammengebracht werden und eine ganz andere Atmosphäre entsteht.

Mit welcher Intention treten solche Institutionen und Marken an Euch heran?

Manuel: Das kann sehr unterschiedlich sein. Meistens geht es darum, ein ganzheitliches Raumkonzept anzubieten in dem alle fünf Sinne mitbedacht werden und in dem Duft im Hintergrund eine Basis legt.
Es hat in den letzten Jahren auf jeden Fall mehr Bewusstsein dafür gegeben, wie wichtig es ist, bei der Gestaltung von Räumen auch auf unseren Geruchssinn zu achten. Lange wurde vergessen, damit eine emotionale Komponente im Raum anzubieten. Es gibt nichts, was uns nichts so sehr irritiert, wie ein Dufteindruck (selbst ein unbewusster), der nicht zu dem Ort passt, an dem wir uns gerade befinden.

Der ästhetische Wert für den Geruchssinn ist die „Atmosphäre“ als Parameter für das Ergebnis eines Dufts. Wie schafft ihr es, eine „Atmosphäre“ zu erzeugen, die Erinnerungen weckt, aber wiederum in der Lage ist neue Geschichten zu provozieren?

Shizuko: Wir versuchen mit einem Duft immer auch einen neuen Kontext zu erschaffen, der keine direkten Erinnerungen an etwas bereits Bestehendes weckt, sondern der mit dem neuen Erlebnis gleichzeitig auch eine neue Erinnerung generiert. Natürlich arbeiten wir da aber sehr stark mit den Assoziationen zu den anderen vier Sinnen und bestimmten Dufteindrücken, die man intuitiv mit anderen Sinneseindrücken verbindet. Bei jeder neuen Komposition müssen wir bereits berücksichtigen, wie diese olfaktorische Identität später mit den anderen Sinnen gemeinsam abgerufen und verknüpft wird — mit welchem Licht, Interieur, Farben, mit welchen visuellen Eindrücken, mit welchen Emotionen – also an welche Atmosphäre man sich mit diesem Duft später erinnern soll. Wenn ein Duft das erste Mal wahrgenommen wird, speichert er sich umgehend zusammen mit der emotionalen Atmosphäre ab. Einschließlich der Bilder, Töne und all den anderen Sinneseindrücken, welche einen in jenem Moment umgeben.

Gibt es eine Technik, mit der man Düfte, die man nie vergessen und nach Bedarf abrufen möchte, aufbewahren kann?

Shizuko: Nicht, dass wir momentan davon wüssten, aber wahrscheinlich ist das das Schöne an diesem Sinn, dass Düfte eben (noch nicht) so einfach eingefangen, versendet und geteilt werden können, sondern immer noch vom Moment leben und als Erinnerung etwas sehr Persönlicheres bleiben.

Wie entsteht ein neuer Duft: In Eurem Kopf, Eurem Herzen, Eurer Nase?

Manuel: Irgendwo dazwischen wahrscheinlich. Zu Beginn hast du meist ein Konzept, auf dem du aufbaust und näherst dich dem intuitiv an, wobei hier immer einer der drei Bereiche an einem gewissen Punkt ausschlaggebender ist.

Was sind Eure Lieblingsingredienzien?

Shizuko & Manuel: Auch das ändert sich ständig und hängt davon ab, an welchen Projekten wir gerade arbeiten. Bei vielen Projekten entdeckt man bei der Recherche dazu auch neue Düfte oder Variationen, welche oft faszinierend anders sind. Momentan haben wir beide gerade eine Vorliebe für japanische Zitrusdüfte. Vor Kurzem haben wir eine Destillation von Iyokan aus Ehime in Japan mitgenommen, eine Zitrusart die etwas bitterer als Orange, aber süsser als Grapefruit und gleichzeitig unglaublich vielschichtig ist. Duftkerzen und Raumdüfte sind auch im privaten Bereich beliebt. Ihr habt mit Hakudo und Colors Japonica zwei Marken geschaffen, die auch für den Endkonsumenten zugänglich sind. Warum war Euch das wichtig?
Manuel: Alle unsere Duftkreation für große Kunden finden ja stets “nur” im Raum statt und sind damit überhaupt nicht greifbar. In den letzten Jahren wurden wir immer wieder angefragt, ob wir nicht eigene Produkte schaffen möchten und das lange schon als Idee im Hinterkopf gehabt. Vor zwei Jahren haben wir eine recht ausgedehnte Reise in Japan unternommen und uns dabei für unsere erste Serie Colors Japonica von traditionellen japanischen Farbkonzepten inspirieren lassen, die sich auf die Farbpalette aus der Natur und von Pflanzen beziehen. Wir wollten einerseits diese Farbkonzepte wieder etwas in Erinnerung rufen und fanden es interessant zu den Stimmungen, welche in den Farben mitschwingen, Düfte zu kreieren. Mit Hakudo haben wir letztes Jahr unsere zweite Serie fertiggestellt, mit der wir ein anderes Bewusstseins schaffen wollten, Duft im Raum zu verwenden. Die Düfte, wie der Ceramic x Coal Dripper, bei dem man die Essenz auf einen Keramik-Kohle Stein tropft, sind dafür geschaffen, sich bewusster Zeit dafür zu nehmen und zeremonieller mit dem Duft zu beschäftigen. In der japanischen Duftzeremonie Kohdo spricht man hier auch davon, dem Duft “zu lauschen”.

Gerade bei Raumdüften kommen leider auch jede Menge synthetische Inhaltsstoffe zum Einsatz. Woher stammen eure Ingredienzen?

Shizuko: Nachdem wir nur mit natürlichen Duftstoffen arbeiten, sind wir für unsere Kreationen immer auf der Suche nach besonderen Essenzen von Blüten, Hölzern, Zitrusfrüchten und Gewürzen, die aus ganz verschiedensten Teilen der Welt kommen. Es gibt hier bei jeder Duftessenz, wie auch bei der Pflanze aus der sie gewonnen wird enorme Unterschiede. Oft findest Du wirklich verschiedene komplexe “Persönlichkeiten”.

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