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Nein, ich habe heute kein Rezept für euch: Warum es manchmal nervt, ein Foodblogger zu sein

Ich bin nicht arrogant. Ich kann einfach nur hervorragend kochen und weiß das zufälligerweise auch noch. Natürlich reicht dieser Skill bei weitem nicht aus um 10.000 Instagram Follower regelmäßig bei der Stange zu halten. Diese Tatsache habe ich wohl eher meiner Fähigkeit zu verdanken, Speisen appetitlich und spannend zu fotografieren und dadurch eine Story zu transportieren, wie es im einschlägigen Jargon so schön heißt. Ohne Story isst ja heute kein Mensch mehr etwas. Jedes Kastenbrot erzählt eine aufregende Geschichte. Jede Stachelbeere muss beim Sonntagsausflug mit der Bahn im Umland handgepflückt worden sein. Individualismus dominiert die Essenskultur wie nie zuvor. Man sagt Food statt Speise, denn Food ist kein gesichtsloser Energiespender mehr, sondern dient der Unterhaltung, Inspiration und der Stimulation des Konsumenten. Aber was soll’s: Darin bin ich alles in allem wohl ganz gut, denn ich koche intuitiv. Ein vollkommen unterschätzter Skill heutzutage, wenn man den teils nervigen Anfragen meiner Follower Glauben schenken mag.
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Instagram: @bangpowwww
Das wäre also meine Bestandsliste. Meine sogenannte Haben-Seite. Bei Instagram kann man diese dann mit einem Filter hinterlegt tausendfach auf meinem Account bestaunen. Auf der anderen Seite wären da aber auch handfeste Defizite meinerseits zu nennen: Ich habe keine Geduld. Nicht mal ein wenig. Für mich ist das Verschriftlichen von Rezepten der blanke Horror. Totale Entzauberung einer ehemals schöpferischen Leistung. Ich möchte einfach nicht der Val Valentino der Foodblogger Szene sein! Außerdem beantworte ich äußerst ungern Fragen über mein Essen. Vieles weiß ich schlichtweg nicht. Vieles müsste ich auch ständig wiederholen. Vieles ist nicht relevant, denke ich. Manchmal fehlt mir auch einfach die Zeit, denn ich führe nebenher noch ein Leben mit Familie, Freunden und einem Job.
Zwei, drei Fragen zu Zutaten beantworte ich immer gerne, aber danach klackt in mir drin eine Sicherung durch. Ich halte es für äußerst fragwürdig eine Kreation reproduzierbar machen zu wollen. Das widerspricht meiner Überzeugung, Kochen sei eine Leidenschaft.

Zwei, drei Fragen zu Zutaten beantworte ich immer gerne, aber danach klackt in mir drin eine Sicherung durch. Ich halte es für äußerst fragwürdig eine Kreation reproduzierbar machen zu wollen. Das widerspricht meiner Überzeugung, Kochen sei eine Leidenschaft.

Ada Blitzkrieg
Meine Hände sind immer noch leicht klebrig vom Ahornsirup und riechen etwas nach rohem Lachs. Zwar nur dezent, aber dennoch wahrnehmbar. Kochen hat etwas Schmutziges für mich. What happened in the kitchen, stays in the kitchen! Ich reibe den Lachs mit einer Marinade ein, die ich mir eben erst erdacht habe. Dazu benutze ich Süße aus Sirup, etwa Scharfes wie Szechuan Pfeffer, und Sojasauce, denn salzig sollte es auch werden. Ich wiege nicht nach, sondern verlasse mich auf mein Bauchgefühl. Zusammengeschüttet und verrührt schmeckt das Ergebnis sehr gut. Noch einen Tropfen mehr Ahornsirup, dann sollte es passen. Lecker! Ich mariniere den dicken Lachsklopper direkt in den Händen, dann muss ich nachher weniger spülen. Ich bin Pragmatiker. Danach tatsche ich unbeholfen mit den siffigen Fingerspitzen auf das Display meines Smartphone. Immer peinlich genau darauf bedacht, möglichst wenig Geschmiere auf der reflektierenden Fläche zu hinterlassen. Schnell ein Foto bevor der Fisch in den Ofen wandert. Filter drauf. Veröffentlichen. Keine vier Minuten später habe ich acht neue Nachrichten. Alles wie immer eigentlich. Dabei will ich doch bloß in Ruhe essen.
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Instagram: kyliethelovely
Eigentlich ist die Bowl mit dem Lachs an diesem Tag nur ein Resteessen mit diversen Leftovers, die ich wild gemixt habe. Dennoch schreit mich der volle Posteingang an, als hätte ich gerade Sushi neu erfunden. Ich öffne die Nachrichten, die immer mehr werden. Drei Freunde haben mir inzwischen geschrieben und zwölf Menschen, die mir folgen. Alle haben die gleiche Frage (Aufforderung): „Rezept bitte!”. Foodbloggen bedeutet, ständig Menschen enttäuschen zu müssen.

Foodbloggen bedeutet, ständig Menschen enttäuschen zu müssen.

Ada Blitzkrieg
Dieses Enttäuschen liegt mir nicht, denn die Fragen sind an für sich immer freundlich formuliert und individuell kann man da natürlich nichts vorwerfen, denn das Interesse ist in erster Linie Neugier, und dennoch auch als indirektes Kompliment an meine Skills zu verstehen. Dankeschön dafür! Aber ich kann eure „Kannst du mir das leckere Rezept verraten?” Fragen nicht mehr ertragen, weil es in letzter Zeit zu viele geworden sind. Es wäre schließlich nicht meine erste Bekanntschaft, die wegen Instagram und Food zerbrochen ist. Ich denke da an Linda, die nicht damit leben konnte, dass ich ein Mal die Woche Bio-Fleisch zubereite und mir das auch jedes Mal mitteilte. Oder Marie, die jedes meiner Essensfotos mit „Dass du nicht dick wirst!” kommentierte, was ich meinerseits nur schwer schultern konnte, denn bei Essen geht es mir vorwiegend um Genuss. Hinzu kommt, dass ich selbstverständlich vom leckeren Essen gerade etwas dick bin, was Marie vielleicht nicht weiß, mir dennoch egal ist, aber ihr offenbar nicht, denn im Subtext schwingt die Ablehnung eines dickeren Körpers mit. Das fand ich unpassend und wir gingen fortan getrennte Wege.
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Meine Herangehensweise beim intuitiven Kochen gilt nicht für das Backen. Backen ist einfach, das weiß jeder. Backen ist für Kinder. Backen ist keinesfalls Liebe, wie uns die Margarineindustrie jahrelang indoktrinierte. Es funktioniert eher wie ein vorgegebener Baukasten mit detaillierter Anleitung, der man Schritt für Schritt Folge leisten sollte, um nicht vom Weg abzukommen und schwer zu verunglücken. Man führt also nur aus und ist der Vorgehensweise gegenüber vollkommen devot. Als Handlanger unterwirft man sich dem Rezept. Es gibt eben keine hundert Zubereitungsarten für Kuchenteig, sondern nur die Eine. Kein 50 Shades Of Backpulver. Es gibt exakte Mengenangaben, sowie einen Ofen, eine genau Gradzahl und eine ungefähre Backzeit, damit das Ding auch bloß ordentlich aufgeht.
Instagram: bangpowwww
Mit dem Kochen verhält es sich allerdings anders: Man muss sich im laufenden Prozess dynamisch anpassen. Kochen ist die manuelle Schaltung des Zubereitens, während man beim Backen schön auf Automatik durchheizen kann. Die Grundschritte und Küchen Basics habe ich mir irgendwann mal drauf geschafft und immer weiter trainiert, bis ich dicke Kochmuskeln im Gehirn hatte. Ich weiß wann ein Steak medium ist. Ich weiß wie man etwas ablöscht, blanchiert oder dämpft. Ich kenne die Zubereitungsweise aller gängigen Standard-Saucen. Ich weiß um die optimale Handhabung von Reis, Pasta oder Kartoffeln. Ich kombiniere nach Bauchgefühl und anhand meiner Erfahrungswerten. Wenn mir eine Speise misslingt, versuche ich herauszufinden warum und anstatt sie in Zukunft zu meiden, koche ich sie immer wieder, bis sie mir irgendwann schmeckt.
Aber wieso wollen Follower eigentlich exakt das Gleiche essen wie man selbst? Sieht es wirklich so einzigartig und lecker aus? Vermutlich geht es dabei eher um die Reproduzierbarkeit von Food und einer Story. Um Lässigkeit, Geschmack und um einen bestimmten Lifestyle, den ich mit meinem Essen in diesem Moment verkörpere. Aber Intuition zu reproduzieren wäre paradox. Daher tut es mir leid, ich habe auch weiterhin kein Rezept für euch! Wenn ihr den Lifestyle leben wollt, dann fangt ebenfalls an, ohne Rezept drauf los zu kochen und im Allgemeinen einfach mal mehr zu wagen! Es hat noch nie geschadet, mutig zu sein.
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Aber Intuition zu reproduzieren wäre paradox. Daher tut es mir leid, ich habe auch weiterhin kein Rezept für euch! Wenn ihr den Lifestyle leben wollt, dann fangt ebenfalls an, ohne Rezept drauf los zu kochen und im Allgemeinen einfach mal mehr zu wagen! Es hat noch nie geschadet, mutig zu sein.

Ada Blitzkrieg
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