Weiße Zähne, frischer Atem, gesünderes Zahnfleisch; dem Ritual des Ölziehens werden viele positive Effekte nachgesagt. Es soll obendrein entgiftend wirken, Kopfschmerzen mildern und sogar Herz-, Kreislaufprobleme lindern. Wissenschaftlich belegt ist davon allerdings nichts. Trotzdem ist die uralte, ayurvedische Methode, bei der ein Esslöffel Sesam-, Oliven-, Kokos- oder Sonnenblumenöl für 10 bis 15 Minuten durch die Zähne gezogen und dann ausgespuckt wird, seit letztem Sommer im wahrsten Sinne des Wortes wieder in aller Munde.
Bei solch vielversprechenden Aussichten musste ich Ölziehen natürlich ausprobieren. Das einzige Öl, das ich für den ersten Versuch zuhause hatte, war allerdings leider die kaltgepresste Olivenvariante, die gerade am Morgen für einen cornflakesverwöhnten Gaumen eine echte Herausforderung darstellt. Nach fünf Minuten musste ich die Spontanaktion abbrechen und doppelt so lang Zähne putzen wie sonst. Doch die Aussicht auf ein strahlend weißes Lächeln ganz ohne Chemie motivierte mich dazu, das Experiment mindestens zwei Wochen lang durchzuziehen.
Um das Ganze schon mal geschmacklich reizvoller zu gestalten, habe ich mir für die Fortsetzung im Reformhaus Kokosöl besorgt. Und siehe da, das Ölziehen wurde beim zweiten Versuch schon minimal angenehmer. An die fettige Konsistenz hatte ich mich nach drei weiteren Tagen gewöhnt, bis ich mich plötzlich sogar auf den Esslöffel am Morgen gefreut habe. Das lag aber nicht am neuen Hollywood-reifen Strahlegrinsen, sondern an dem Ritual selbst. Das Ölziehen selbst versetzt mich am Morgen nämlich tatsächlich in einen so entspannten Zustand, wie es bisher nur Meditation geschafft hat.
Aus irgendeinem Grund konnte ich die Achtsamkeits- und Konzentrationsübungen aber nie so gut in meinen Alltag integrieren. Deswegen bringt mich nun Ölziehen am Morgen zum Zen, denn während ich die Flüssigkeit langsam zwischen Wange und Wange hin und her bewege, sie an meinen Zähnen und meiner Zunge entlang gleitet, komme ich tatsächlich für eine viertel Stunde zur Ruhe. Den positiven Einfluss auf meine Mundhygiene nehme ich gerne in Kauf.
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