„Sharing Economy“ – die schöne neue Welt des Teilens ist in Aufruhr. Erst kürzlich bestätigte ein Frankfurter Gericht sein Urteil zum deutschlandweiten Verbot von UberPop, während AirBnB mit einer Petition gegen das Zweckentfremdungsgesetz in Berlin vorgeht. Die Europäische Kommission jedoch stellt sich schützend vor die kollaborative Wirtschaft. Warum sah sie sich zum Einschreiten genötigt und warum enden so viele innovative Geschäftsmodelle in einer Sackgasse voller Regulierungen?
Eines vorweg, prinzipiell sind Regulierungen sinnvoll. Im Normalfall sollen sie Verbraucher schützen, klare Spielregeln für den Wettbewerb definieren und legale Handlungsräume abstecken. Man denke an Reinheitsgebote für Lebensmittel oder die Eingrenzung der Roaming-Gebühren. Doch so gut die Intention oft ist, so unerwünscht können die langfristigen Folgen sein. Deutschland wird oft als überreguliert wahrgenommen, der Bürokratieabbau läuft nur schleppend. Es ist ein oft langwieriger Prozess, um veraltete oder überflüssige Vorschriften zu aktualisieren oder ganz abzuschaffen.
Deutschland steht mit dieser Herausforderung nicht alleine da. In einem Versuch, Licht in den unübersichtlichen Gesetzesdschungel zu bringen und einheitliche und vor allem verständliche Regeln für den europäischen Binnenmarkt aufzustellen, hat die Europäische Kommission letzte Woche eine „Agenda für kollaborative Wirtschaft“ beschlossen. Darin erkennt sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges an, der branchenübergreifend in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum an den Tag gelegt und innovative Geschäftsmodelle hervorgebracht hat.
Anhand der neuen EU-Leitlinien wird klar Stellung bezogen und die Position der Sharing Economy gestärkt. Marktneulingen darf gegenüber bereits etablierten Unternehmen kein Nachteil auf Grund von Gesetzen entstehen. Ein Verbot, wie im Fall von Uber darf nur die letztmögliche Handlungsoption sein. Um ein solchen Verbot auszusprechen, muss gegen die festgelegten Kriterien verstoßen werden. Solange Steuern gezahlt, Verbraucherrechte geachtet und Sozial- und Arbeitsvorschriften eingehalten werden, darf kein Unternehmen vom Markt ausgeschlossen werden – auch wenn etwaige gesellschaftliche Risiken bestehen.
Endlich, jubelten die Profiteure der Entscheidung. Doch fallen die kollaborativen Aushängeschilder der Sharing Economy, Uber und AirBnB, überhaupt noch unter den Schutz dieser EU-Neuregelung? Wirft man einen näheren Blick auf die beiden Unternehmen stellt sich die Frage, ob „sharing“ nur noch ein werbewirksames und womöglich fehlleitendes Label ist?
Wer es genau nimmt, schaut sich die Definition von Sharing Economy an: Umwandlung ungenutzter privater Ressourcen in allgemein zugängliche Güter bzw. Leistungen, die für eine zeitlich begrenzte Nutzung zur Verfügung gestellt werden. In der Praxis sieht das so aus: Im viel diskutierten Fall AirBnB, in dem die Stadt Berlin durch das „Zweckentfremdungsgesetzt“ dem rasanten Wachstum der Onlineplattform vorerst einen Riegel vorgeschoben hat, wurde dem Unternehmen die steigende Professionalisierung und Kommerzialisierung seines Angebotes zum Verhängnis. Zunehmend fanden sich Angebote online, die wenig mit dem peer-to-peer Ursprungsgedanken der Sharing Economy zu tun hatten, sondern nicht mehr oder weniger als normale kommerzielle Ferienwohnung waren. AirBnB wurde schnell als Sündenbock für steigende Mieten und Wohnraummangel an den Pranger und das Wohlergehen des Kollektivs in Frage gestellt.
Bei Uber gab es dieses Problem von Beginn an. Die große Hürde, die den Vermittlungsdienst von Fahrdienstleistungen davon abhält, die ursprüngliche kollaborative Geschäftsidee auf den deutschen Markt zu bringen, ist das Personenbeförderungsrecht der Bundesrepublik. Hier wird festgelegt, wer, wann, wie, von wem und womit, von A nach B gebracht werden darf. Der größte Nutznießer dieser Regelung und gleichzeitig lauteste Gegner von Uber ist die Taxibranche. Ihr werden durch dieses Gesetz, klare Vorteile gegenüber anderen Anbietern zugesichert. Kleinteilige Auflagen wie fest installierte Fahrtenschreiber oder die Ortskenntnisprüfung für Fahrer wirken heute überholt. Auch die Rückkehrpflicht, die Taxifahrern die exklusive Erlaubnis gibt auf der Strecke einen neuen Kunden aufzunehmen, und anderen Anbietern vorschreibt, ohne Passagier zu ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren, ist ein unfairer Wettbewerbsvorteil. Es gab bereits zaghafte erste Schritte innerhalb der deutschen Politik, die Regulierung zu modernisieren, aber bisher verlief alles im Sand. Die Deutsche Monopolkommission sprach sich beispielsweise schon 2014 in einer Empfehlung an die Bundesregierung dafür aus eine positive Wettbewerbsentwickung im Taxi- und Mietwagengeschäft zu ermöglichen und innovativen Unternehmen den Markteintritt zu erleichtern.
Das Angebot von Uber ist aktuell nur in Berlin und München verfügbar und beschränkt sich auf die Vermittlung von UberTaxi und UberX. Die beiden derzeit einzigen legalen Möglichkeiten in Deutschland zu operieren bauen auf dem Einsatz von professionellen und kommerziellen Fahrern auf und haben daher wenig mit der Sharing Economy zu tun. Da das eigentliche peer-to-peer Model UberPOP, das auf Privatpersonen als Fahrern basiert, in Deutschland kurz nach der Einführung als wettbewerbswidrig erklärt und verboten wurde, ist Uber heute eine Plattform für normale Fahrdienstleistungen. Lediglich die angestrebte Einführung von UberPool wäre eine Rückkehr zum Grundprinzip der Sharing Economy. UberPool ermöglicht es, wie bei einer Mitfahrzentrale, Nutzer die eine ähnliche Strecke fahren wollen in ein Auto zusammen zu buchen und damit Kosten zu teilen. Doch auch hier, welch eine Überraschung, liegen dem Unternehmen die Steine des Personenbeförderungsgesetzes im Weg.
Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Entscheidung aus Brüssel in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedsstaaten haben wird und ob der Flickenteppich an Regulierungen geglättet werden kann, um den Standort Deutschland auch für andere innovative Unternehmen zu öffnen. Während des Versuchs veraltete Regulierungen abzuschaffen, wäre das Einführen von klaren Regeln wann etwas peer-to-peer ist, also im Sinne der Sharing Economy, und wann eine gewerbliche Dienstleistung, tatsächlich wünschenswert.
Die Hoffnung bleibt, dass der soziale Grundgedanke der Sharing Economy sich gegen die Regulierungen durchsetzen kann und diese innovativen Ideen nicht in ein Geschäftsmodell der alten Schule gedrängt werden.
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