Alle mal die Hände hoch, die sich an die Zeit erinnern, als das Bestellen von Tiefkühlessen und Geburtstag feiern bei McDonalds noch cool waren: ich zum Beispiel. Ich bin ein norddeutsches Stadtkind der Achtziger. Und obwohl ich seit Jahren Vegetarierin bin und meine Lieblingsfarbe schon mit drei Jahren Grün gewesen ist, bin ich, was echten Green Lifestyle angeht, alles andere als ein Early Adopter.
Warum? Wegen einer glücklichen Kindheit voller Styroporverpackungen und wegen einer alten Leidenschaft für aktuelle Sneaker, wegen der Anziehungskraft von günstiger Fast Fashion und elitärer Designerhandtaschen, zum Beispiel. Trotz eines gewissen Wissens, einer Vorliebe für Naturkosmetik und einer einigermaßen vernünftigen Ernährung: Lange Zeit habe ich mich eingehender mit Plastikbechern auf It-Events und aktuellen Trends beschäftigt, als mit dem, was wirklich wichtig ist: mit der Zukunft unserer Welt und mit fundamentalen Prozessen.
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Und das nicht zuletzt aufgrund der glitzernden Großstadt. Denn bei aller Liebe zu ihren Reizen, bei aller Liebe zu ihrem Drive, entkoppelt sie ihre Einwohner auch schnell von ebendiesen. In Hamburg oder Berlin, München oder Köln gibt es alles, immer und überall. Events, Trends, Fashion und natürlich auch mehr als genug zu essen. Die Frage, wo genau das alles herkommt und wie genau es produziert wird, verschwindet allzu oft hinter einer großen bunten Werbewand. Hinter einer Wand, die schrumpft, wenn man die Perspektive wechselt. Hinter einer Wand, die kleiner wird auf dem Land.
Genau da bin ich mittlerweile zu Hause. Eine knappe Zugstunde entfernt von Peer Group und Szene, nah dran an glücklichen Kühen und Milchbauern, die um faire Preise für ehrliche Arbeit kämpfen. Der Garten unseres kleinen Hofes grenzt an die Kuhwiese und gleichzeitig an Felder, die wolkenweise mit Pestiziden besprüht werden. Und je mehr ich davon sehe, umso weniger will ich Kühe in dunklen Ställen eingepfercht wissen oder mit Pflanzenschutzmitteln gespritzte Nahrung essen. Hier draußen auf dem Land, wo man erlebt, wie wichtig regelmäßiger Regen für eine gesunde Vegetation ist, wo man sich im Sinne der eigenen Beete plötzlich Niederschläge wünscht, anstatt sie zu verteufeln, da wird der Lifestyle ganz langsam – und etwas Entscheidendes verändert sich rapide: das Bewusstsein.
Seit ich händeringend auf Regen warte, lasse ich beim Zähneputzen das Wasser noch viel weniger lange laufen. Seit ich über das ganze Jahr zusehen kann, wie sich aus einem trockenen Ast über Wochen und Monate erst eine Knospe, dann eine Blüte und dann eine ganze Birne bildet, schmeiße ich eine angebissene oder angequetschte Frucht sehr viel weniger achtlos weg.
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Seit ich auf dem Land lebe, weiß ich mehr über natürliche Gleichgewichte und Kreisläufe. Und mit diesem Wissen werden andere Faktoren wichtiger als die neuste Turnschuhmode. Weil saubere Luft, ausreichend Wasser, gute Böden und gesunde Nahrung viel fundamentaler sind, als unbewusster Überkonsum. Das alles sollte für uns alle eine höhere Priorität bekommen. Weil wir alle davon abhängig sind.
Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist klar: weniger konsumieren und ökologischer leben. Und das heißt sicher nicht, dass ich ab sofort auf Genuss verzichte und dass mir Mode plötzlich egal geworden ist. Es heißt, dass ich noch aktiver darüber nachdenke, was ich kaufe. Der Strom ist grün, das Essen regional und gerne biologisch. Verpackungen sind nicht mehr mein Ding, denn der Plastikmüll ist im Abfalleimer ja nicht weg. Er ist nur woanders.
Und Trends, das habe ich über die Jahre nun wirklich verstanden, kommen und gehen. Und vor allem kommen sie wieder. Ich habe so viel Zeug, dass ich eigentlich nicht wirklich etwas Neues brauche. Und wenn doch, dann gibt es ja auch schon genug. Mein neuestes Vorhaben: nur noch Vintage kaufen. Und ich wette, dass das nicht Mal in der Großstadt weiter auffällt.
Wer mehr über Nachhaltigkeit und über neue Vorbilder erfahren will, die Slow Fashion, Bienen glücklich oder Fleisch Essen wieder zum Luxus machen, findet News und Storys auf dem neuen grünen Lifestyleblog von Anna Schunck und ihrem Freund Marcus Werner: www.viertel-vor.com
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