Als ich den ersten Schritt auf kalifornischen Boden setze, trage ich eine Jogginghose von Beyoncés Sportlabel und schwitze. Dass ich unter allen verfügbaren Optionen die Queen-Bey-Jogginghose für den Anreisetag gewählt habe, betrachte ich als Botschaft meines Unterbewusstseins: Als Frau mit einer zu 99% Prozent männlichen Journalistengruppe zur Apple-Konferenz reisen? Aber sicher doch. Who run the world? Girls!
Leider rinnt in Realität höchstens mein Angstschweiß, als ich mich der Gruppe mit dem Apple-Schild am Flughafen nähere. Ich werde instinktiv langsamer. Vielleicht bewege ich mich gleich rückwärts. Am besten rückwärts durch die Zeit, zu dem Moment, in dem ich es für eine gute Idee hielt, diese rosafarbene Cordjacke anzuziehen.
Die Kollegen, mit denen ich die nächsten 72 Stunden verbringen werde, sind Techjournalisten. Viele von ihnen verreisen mehrmals pro Jahr zusammen und tun genau das, was wir morgen vorhaben: Von Konferenzen berichten und die Welt darüber informieren, was Apple in Cupertino ausgetüftelt hat. Niemand guckt seltsam, zumindest nicht direkt. Trotzdem fühlt es sich an wie ein Klassentreffen, bei dem noch nicht feststeht, wer sich hier eigentlich verirrt hat.
„Das ist The Big Bang Theory und ich bin Penny“, schreibe ich meiner Kollegin. Penny ist in der Serie die Nachbarin zweier Physikprofessoren, die die Folgen traditionell mit „Neulich bei den Nerds“ eröffnet – nur dass ich weder so schlagfertig rüberkomme noch Hilfe beim Einrichten meines WLAN-Routers brauche.
Während der Autofahrt ins Hotel denke ich so viel über mein Outfit nach wie seit zwei Jahren nicht mehr. Ich starre abwechselnd aus dem Fenster und auf meine Jacke. Rosafarben. Penny-farben.
Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich umzuziehen. Auch die Beyoncé-Jogginghose liegt jetzt in meinem Koffer. Ich betrachte sie nachdenklich. Who run the world? Girls? Die Apple-Welt zumindest schon: Frauen kaufen laut dem GlobalWebIndex eher iPhones als Männer – warum sollten dann hauptsächlich Männer erzählen, was relevant ist? Das könnte ich beim Frühstück am nächsten Morgen sagen. Stattdessen halte ich mich auch vor der Konferenz an meinem Kaffee fest und nehme die Rolle ein, von der ich annehme, dass sie in einer Männerrunde von einer knapp 1,60 Meter großen Frau mit blonden Haaren erwartet wird.
Falsch gedacht!, will ich rufen. Einmal in die Runde und einmal, um mich selbst daran zu erinnern.
An dem Ort, an dem ich beginne, mich zu Hause fühlen, verheddern sich nämlich – Überraschung! – keine Spitzenstrings an Kleiderbügeln, sondern Akkuladekabel und Kopfhörer. Kurz nach der Konferenz befinden wir uns in der Hands-On-Area, an dem die vorgestellten Neuheiten zum ersten Mal ausprobiert werden. Dort ist es es die normalste Sache der Welt, wenn man mit Powerbank und Selfiesticks hantiert, immer Wlan hat und mit zwei Smartphones jongliert.
Die Atmosphäre ist gelöst, die Smoothies sind grün, das Wlan fließt. Das reicht eigentlich völlig, um wunschlos glücklich zu sein. Aber wenn ich doch noch einen für nächstes Jahr äußern darf, dann mehr Heldinnen – weil Rose Gold nur ein kleiner Teil der ganzen Technik-Geschichte ist.
Ob sie die Männerdomäne ist, die sich mir präsentiert, frage ich Journalistinnen vor Ort. Denn das weibliche Publikum ist weit davon entfernt, in der Überzahl zu sein. „Das sieht man schon an der Crowd hier“, bestätigt Sarah Emerson. Sie betreut die Vice-Techseite Motherboard in San Francisco. „Gerade, wenn von hier berichtet wird, dominiert die männliche Stimme im Vergleich zur weiblichen“.
Doch gibt es wirklich ein Problem mit der männlichen Stimme? Sie ist nicht laut, es sind nur Zwischentöne. Sie empfiehlt auch mir mal: „Nebenan ist übrigens ein Unterwäscheladen...“. Das meint sie ganz und gar nicht böse oder abwertend, trotzdem bleibt der Satz hängen.
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