Um Instagram zu einer weniger Druck ausübenden Plattform zu machen, experimentieren die Macher*innen gerade damit, die Likes und Followerzahlen weniger auffällig darzustellen, beziehungsweise komplett abzuschaffen. Los ging es in Kanada und jetzt werden auch in Irland, Italien, Japan, Brasilien, Australien und Neuseeland Tests durchgeführt. Instagram macht sich bereits seit einer Weile Gedanken um die psychische Gesundheit der Nutzer*innen. Die Abschaffung der Likes und Followerzahlen könnte also den nächsten logischen Schritt auf dem Weg zu einem bewussteren Umgang mit der App darstellen.
In der Welt der Sozialen Medien haben Likes einen extrem hohen Stellenwert – sie sind praktisch eine eigene Form der Währung. Doch das Streben nach einer immer größeren Followerschaft und immer mehr Reaktionen auf die eigenen Posts kann sich negativ auf die mentale Gesundheit auswirken und die Nutzer*innen sogar süchtig machen. Dazu kommt, dass auch die Psyche der Personen, die sich durch die perfekt wirkenden Leben der Instagram-Stars scrollen, darunter leiden kann. Kein Wunder also, dass die Reaktionen auf die Testläufe größtenteils positiv waren. Dennoch stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Abschaffung der Zahlen auf Influencer und professionelle Content Creator haben würde – schließlich verdienen sie nicht zuletzt genau damit Geld.
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Likes stehen für Follower-Engagement – sie zeigen also an, wie aktiv die Follower den Kanal verfolgen und sich damit beschäftigen. Deshalb spielen sie auch eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Deals mit Marken an Land zu ziehen. Die Königin der Likes, Kylie Jenner, wurde übrigens Anfang des Jahres von einem Ei vom Thron gestoßen, falls du es nicht mitbekommen hast. Jupp, richtig gelesen: Ein Post mit einem Foto von einem Hühnerei (aktuell mehr als 53 Mio) hat mehr Likes bekommen als Jenners Tochter Stormi Webster (aktuell mehr als 18 Mio). Aber das nur nebenbei.
Influencer und andere Menschen, die Instagram professionell benutzen, können durch Anzeigen auf der Plattform richtig viel Geld verdienen. Mediakix, eine Influencer-Marketing-Agentur, erzählte uns letztes Jahr, Influencer mit weniger Followern und niedrigeren Engagement Rates würden bis zu 400.000 Euro im Jahr verdienen, während Influencer mit höheren Ziffern bis zu einer Million erwirtschaften können! Kein Wunder, wenn Marken teilweise bis zu 15.000 Euro für einen einzigen Post ausgeben.
Instagram ist sich der Bedeutung der Followerzahlen und Likes für Influencer natürlich bewusst. Deshalb machen sich die Mitarbeiter*innen der Plattform auch Gedanken darüber, welche Auswirkungen das Verstecken der Zahlen auf die Beziehungen von Influencern und Marken haben könnte. „Wir wissen, dass Likes sehr wichtig für viele Content Creator sind. Obwohl wir noch ganz am Anfang der Tests stehen, denken wir jetzt schon über Möglichkeiten nach, wie Influencer ihren Wert an mögliche Geschäftspartner*innen kommunizieren könnten. Unsere Hoffnung ist es, dass sich die Nutzer*innen durch das Verstecken der Zahlen wieder mehr auf die Fotos und Videos an sich und nicht auf die Likes konzentrieren können – was wiederum zu einem besseren Engagement führen könnte“, schreibt ein*e Instagram-Sprecher*in in einer Email an Refinery29.
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Dennoch sind Zahlen nicht alles, was die Brands interessiert, wenn es um Partnerschaften mit Influencern geht. So meint beispielsweise Ryan Detert, der CEO der KI-basierten Plattform Influential: „Der Content ist mindestens genauso wichtig. Außerdem gibt es viele verschiedene Messgrößen, um den Wert und die Effektivität einer Kampagne [oder eines Influencers] zu bestimmen. Wir schauen uns zum Beispiel auch das Story Engagement an sowie das Wachstum der Followerschaft und die Daten in Bezug auf die Aufmerksamkeit, sprich: Schauen sich die Nutzer*innen das Video bis zum Ende an? Ist der Ton an oder ausgeschaltet? Und so weiter. Außerdem analysieren wir, wie viel Traffic die Posts generieren – oder anders gesagt wie viele Nutzer*innen über den Post zur Website gelangen.“
Auch Ani Acopian, eine Regisseurin, die Instagram zur Präsentation ihrer Arbeit nutzt, steht einer möglichen Abschaffung der Likes und Followerzahlen positiv gegenüber. Sie sieht das Ganze als Chance, denn dadurch könnte die Plattform zurück zu ihrem Ursprung gehen. „Instagram hat sich von einem Ort der Inspiration zu einer Plattform des Wettbewerbs entwickelt. Ich denke, wenn die Zahlen nicht mehr für alle sichtbar wären, würde das die Menschen dazu animieren, Fotos und Videos zu teilen, die ihnen wirklich am Herzen liegen – statt etwas zu posten, nur weil sie glauben, es könnte gut ankommen.“ Dennoch gibt es sicher auch einige Influencer und professionelle Instagram-Nutzer*innen, die der möglichen Neuerung kritisch gegenüberstehen. Das könnte einer der Gründe dafür sein, dass Instagram kürzlich den Ausbau von IG Shopping bekannt gab. Dieser soll es den Nutzer*innen ermöglichen, Produkte direkt über die Posts der Influencer zu kaufen – eine Funktion, die Brands bereits jetzt schon zur Verfügung steht.
Fazit: Zwar klingt die Aussicht darauf, dass die Likes und Followerzahlen bald nicht mehr für alle zugänglich sein könnten erst mal krass, aber ein Ende der Influencerkarrieren muss das nicht automatisch bedeuten. Die Plattform entwickelt sich ohnehin ständig weiter – das sind sowohl die Nutzer*innen als auch die Brands mittlerweile gewohnt. Und nach einer kurzen Umstellungsphase läuft dann meistens alles wieder smooth. Laut Ryan Detert würde die Änderung höchstwahrscheinlich keinen großen Einfluss auf die Zusammenarbeit von Marken und Influencern haben. „Es wurde längst bewiesen, dass Marketingaktionen auf Instagram sehr rentabel sind.“ Und daran wird sich wohl so schnell erst Mal nichts ändern – ob die Zahlen nun sichtbar sind oder nicht.