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Interview: Indie-Popsängerin Soko spricht über ihr neues Album Feel Feelings

Foto: Miriam Marlene
Schon als Stéphanie Alexandra Mina Sokolinski alias Soko mit 16 Jahren ihr Elternhaus verließ, war ihr klar, dass sie einmal ein ganz besonderes Leben führen würde. Mittlerweile ist die 34-jährige Französin im sonnigen Los Angeles zuhause und hat in Kinofilmen wie Spike Jonzes Science-Fiction-Drama Her oder dem historischen Tanzfilm The Dancer an der Seite von Lily-Rose Depp mitgewirkt. Und auch mit ihrem psychedelisch-verträumten Indie-Pop berührt die Musikerin und Schauspielerin immer wieder ihr Publikum. Ihr neues Album Feel Feelings gibt uns diesmal einen Einblick in ihr ganz persönliches Gefühlstagebuch.
Thomas Clausen: Dein neues Album wurde von einer ganz besonderen Erfahrung inspiriert: Vor den Aufnahmen hast du dich in eine einwöchige Retreat-Phase begeben. Keine Musik, kein Sex, keine sonstigen Ablenkungen. Wie kam es dazu?
Soko: Ich habe mich für ein paar Tage zu einer intensiven Therapiesession zurückgezogen, um mich in Ruhe auf mich und meine Emotionen zu konzentrieren. Ich beschäftige mich fast obsessiv mit Gefühlen und damit, welche Effekte sie haben. Das fließt natürlich auch in meine Musik ein. Direkt im Anschluss habe ich eineinhalb Jahre an dieser Platte gearbeitet. Meine Songs helfen mir, meine Gefühle besser zu verstehen, bestimmte Verhaltensmuster zu analysieren und so gewisse Fehler für die Zukunft zu vermeiden.
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Innerhalb der Musik bist schon immer sehr offen mit deinen Gefühlen umgegangen. Auch eine Art Selbstschutz?
Das Leben ist ein ständiger Kampf mit sich selbst. Es braucht manchmal eine lange Zeit, um gewisse Hilfsmittel zu entwickeln, die einem Stabilität geben und dabei helfen, mit Stress und Angstzuständen umzugehen. Aber man ist niemals richtig „geheilt“. Jede*r sollte gut auf seine mentale Gesundheit achten. Oft beschränkst du dich nur auf irgendwelche Übungen oder Meditation. Aber es geht auch um den Austausch mit anderen. Um Selbsterkenntnis. Darum, was du vielleicht ändern könntest, um ein besseres Verhältnis zu den Menschen in deinem Umfeld aufzubauen. Ganz egal, ob es nun dein*e Partner*in, deine Familie und Freund*innen oder deine Arbeitskolleg*innen sind.
Was war die bedeutendste Selbsterkenntnis für dich?
Die wichtigste Erkenntnis war, einen Schritt zurück zu machen und mir bewusst zu werden, dass ich mir selbst genug bin. Mich von allem Unnützen frei zu machen und mich aufs Wesentliche zu fokussieren. Ich brauche keine Awards oder Ähnliches, um meine Arbeit wertzuschätzen. Das war eine schöne, reinigende Erfahrung, die mir auch in meiner Beziehung geholfen hat, mich selbstsicher und gut zu fühlen. Ich glaube, das kann man auf der neuen Platte auch deutlich hören.
Das klingt extrem empowernd!
Obwohl alle meine Platten bisher sehr offen und ehrlich waren, ist Feel Feelings das erste Album, das ich mir auch selbst anhören kann, ohne peinlich berührt zu sein, mich so angreifbar zu machen. Ich mache mich frei von allen Scham- und Schuldgefühlen. Ich schäme mich nicht, auch meine verletzliche, wütende oder traurige Seite zu zeigen. Mich so zu präsentieren, wie ich bin und was in mir vorgeht. Die Dinge, die man sonst vielleicht nicht in dieser Form in den Sozialen Medien sieht. Die Stücke handeln von Akzeptanz. Davon, Unterschiede zu akzeptieren. Gefühle, Stimmungen, Schwächen, Fehler, Unvollkommenheit – all das, was uns erst menschlich macht. Ein gutes Beispiel ist der Track „Don`t Tell Me To Smile“: Ständig wird von mir als Künstlerin erwartet, zu lächeln. Selbst, wenn ich mich gar nicht danach fühle. Ich will keine aufgesetzten Gefühle mehr zur Schau tragen, sondern lasse meine Umwelt wissen, wie es mir geht.
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Als besonderen Einfluss auf die Songs nennst du auch den Sexentzug während deiner Abstinenzphase. Auf Feel Feelings lässt du nun alles raus!
Ich hatte mir ganz bewusst vorgenommen, sexy Album machen. Dabei wollte ich meine Lust einzig und allein in meiner Musik kanalisieren. Zum ersten Mal war ich wirklich selbstsicher bei dem, was ich getan habe. Ich wusste genau, wohin die Reise gehen sollte, mit wem ich zusammenarbeiten wollte und wie sich der Rest gestalten würde. Und die Arbeit an dieser Platte hat dazu beigetragen, die Beziehung zu den Menschen um mich herum noch tiefer und intensiver zu gestalten. Ich habe mich nicht von Fragen ablenken lassen wie „Wen mag ich?“ „Wer mag mich?“ „Bin ich attraktiv genug?“ All diese Fragen, mit denen man sich als Single mit geringem Selbstwertgefühl oftmals den Kopf zermattert. Ich habe mich nur mit Leuten umgeben, von denen ich wusste, dass sie gerne in meiner Gesellschaft sind. Das hat mir viel mehr gebracht als irgendwelche Dates.
Foto: Evan Tan
Was war die größte Herausforderung während der Aufnahmen zu Feel Feelings?
Ich habe eine Zeit lang in New York an diesem Album gearbeitet. Ich bin nicht grade ein großer Fan dieser Stadt, aber in meiner Wahlheimat Los Angeles wäre ich wohl zu abgelenkt gewesen. Doch das war genau die Art von Isolation, die nötig war, um mich voll auf die Musik zu konzentrieren. Zu gewissen Phasen entstanden die Songs fast von selbst. Als hätten sie nur darauf gewartet, endlich geschrieben zu werden. Alles passierte zur richtigen Zeit.
Viele Songs wie „Replaceable Heads“ oder „Now What?“ sind schmerzhaft offen und intim.
Ich habe rausgelassen, was in mir vorging. Der Song „Now What?“ zum Beispiel beschäftigt sich damit, was wohl als nächstes in meinem Leben kommt. Wohin mich mein Weg von hierher noch führt. Ich habe in den letzten Jahren wahnsinnig viel erlebt, bin gereist und konnte eine Menge Träume verwirklichen. Ich bin an einem Punkt, an den wir wohl alle einmal kommen. Ein Punkt, an dem man sich fragt: Was nun?
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Und nicht zuletzt bist du während der Arbeiten Mutter geworden! Wie hat sich die Geburt deines Söhnchens Indigo Blue auf deine Kunst ausgewirkt?
Die Songs waren schon geschrieben, bevor er auf die Welt kam. Natürlich hat sich mein ganzes Leben verändert. Meine Sicht auf das, was ich vom Leben erwarte und erreichen möchte, hat viel klarere Züge angenommen. Am Ende des letzten Songs ist eine Aufnahme seines Herzschlags zu hören; der Mitschnitt entstand gleich bei der ersten Ultraschalluntersuchung! Das symbolisiert für mich das Ende eines Kapitels und den Anfang eines neuen. Und den Beginn eines neuen Lebens.
Indigo ist auch im Clip zu „Being Sad Is Not A Crime“ zu sehen. Wie waren die Dreharbeiten mit einem Baby am Set?
Ich wollte ein klares Statement machen zum Thema mom guilt. Ich habe mich entschlossen, Indigo mit zur Arbeit zu nehmen und mich gemeinsam mit meiner Freundin am Set um ihn gekümmert. Ich habe ihm alle zwei Stunden die Brust gegeben, er hat während der Dreharbeiten gespielt oder geschlafen. Natürlich bin ich mir bewusst, dass ich sehr privilegiert bin und einen Job habe, der mir das ermöglicht. Es hätte mir das Herz gebrochen, ihn jeden Morgen weinen zu sehen, wenn ich das Haus verlasse. Ich bin heute immer noch traurig, wenn ich ihn ausnahmsweise mal nicht zu meinen Terminen mitnehmen kann. Davon handelt der Song „Being Sad Is Not A Crime“. Man kann seine Gefühle nicht immer kontrollieren. Und das ist auch gar nicht schlimm. Es ist okay, traurig zu sein. Niemand sollte einen anderen Menschen für seine Emotionen verurteilen oder ihm Schuldgefühle einreden.
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Anlässlich des Pride Month hast du kürzlich die Single „Oh To Be A Rainbow“ veröffentlicht – deine ganz persönliche Hymne für die LGBTQ+-Community.
Queere Songs finden sich auf allen meinen Platten. Aber mit dem Track habe ich nun meine ganz offizielle „Gay-Hymne“ am Start. Das ganze Album ist als Statement für Diversität und persönliche Entfaltung zu verstehen. Queer zu sein ist ein wichtiger Teil meines Lebens, mit dem ich völlig offen umgehe. Das bin ich. So fühle und denke ich. Und es freut mich, wenn ich Menschen mit meiner Musik Mut mache, sich so zu akzeptieren, wie sie sind.

Sokos neues Album „FeelFeelings“ ist via Because Music/ Caroline erhältlich.

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