Ein wenig bekomme ich langsam den Eindruck, dass ich in einer Welt der extremen Gegenpole lebe. Es gibt arm und reich. Es gibt Hundefans und Katzenliebhaber und die Politik handelt gerade entweder sehr links oder sehr rechts. In der Mode dreht sich das Rad gerade einerseit immer schneller (wöchentlich neue Drops in den Stores, Kollektionen, die vom Laufsteg direkt eingekauft werden können) und andererseits hat sich eine Bewegung etabliert, die Entschleunigung und Enthaltsamkeit predigt. Das klingt ein bisschen esoterisch, zugegeben, ist aber eine feine Sache.
Plattformen wie die Kleiderei haben das schon früh erkannt. Hier kann man sich die Sachen leihen, statt immer wieder nachzukaufen. In Berlin ist das Verkaufen auf dem Flohmarkt gar zum Volkssport mutiert – niemand, der nicht schon mindestens einmal auf dem Mauerpark, am Arkonaplatz oder dem Nowkoelln Flohmarkt seine Kleidung an die Frau und den Mann gebracht hat.
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Der Begriff Slow Fashion schwirrt also schon länger durch die Modewelt, gewinnt aber in rasender Geschwindigkeit an Bedeutung. Interessanterweise hat sich in diesem Zusammenhang eine ganz eigene Sparte gerade im Luxussegment entwickelt: Vintage Luxus Mode im Netz zu kaufen ist das neue Jagen. Auf Seiten wie Vestiaire Collective findet man wahre Schätze aus allen Designjahrzenten. Yoox.com bietet Designerkleidung vergangener Saisons mit bis zu 70 Prozent Rabatt an – und das bereits seit 17 Jahren. Seit einiger Zeit bekommt Slow Fashion aus einer anderen Ecke Zuwachs.
One of a Kind-Pieces. Teile also, die es so tatsächlich nur ein einziges Mal gibt. Das ist wie Musik in unseren Ohren, schließlich haben Smartphones zwar unseren Horizont erweitert, gleichzeitig die Welt aber auch auf die Maße 15 Zentimeter mal sieben Zentimeter geschrumpft. Marken wie Rianna + Nina oder Zazi Vintage, beide aus Berlin, haben sich der Einmaligkeit verschrieben und produzieren ihre Kleidung und Accessoires aus Vintagestoffen anstatt sie im großen Stil herstellen zu lassen. Bei Rianna + Nina hat es mit alten, kunterbunten vintage Seidentüchern angefangen, denen die beiden neues Leben einhauchten. Taschen, Kimonos aus Gobelin, Röcke und Kleider aber auch Interiorteile wie Kissen verkaufen die beiden Designerinnen erfolgreich in ihrem Onlineshop. Jedes Teil ist ein Unikat.
Für Zazi Vintage geht es neben dem Gedanken des Empowerment für Frauen auch um Nachhaltigkeit. Die Teile von Designerin Jeanne de Kroon entstehen ohne dass dafür neue Stoffe produziert werden müssen. Vintagestoffe dienen als Ausgangmaterial für die kunterbunten, wunderschönen Kleider von Zazi Vintage. Gleichzeitig unterstützt das Label die Frauen, die die Entwürfe in Indien die Kleidung nähen – mit Verstärkung der Frauenrechts-Organisation "International Partnership for Human Development" im Rücken.
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Wer in die jeweiligen Stores klickt, dem wird als erstes auffallen, dass man das bekommt, was man sieht. Keine Alternative in einer anderen Farbe. Keiner oder nur ein bescheidener Größenverlauf, aus dem gewählt werden kann. In Zeiten von Massenproduktion eine Tatsache, an die man sich erst mal gewöhnen muss. Auch die Preise sprechen eine andere Sprache als die meisten Highstreetmarken und verleiten nicht gerade dazu, sich den Warenkorb voll zu packen. Auch das logisch, wenn man bedenkt, dass jedes Kleidungsstück hier mit viel Hingabe, Arbeit und Einsatz produziert wurde.
Slow Fashion und einmalige Mode fristen derzeit noch ein Nischendasein, gewinnen aber eine immer größere Fangemeinde. Man kann es mit der traditionellen Landwirtschaft vergleichen. Die Nachfrage und der Verbrauch von immer neuer Mode ist gerade so hoch wie nie und Konzepte wie das von Rianna + Nina oder Zazi Vintage sind nicht dafür gemacht, diese Nachfrage zu bedienen. Aber sie inspirieren und stellen die Weichen für ein Umdenken. Was ist der Wert von Kleidung? Wie viele Menschen sind bei der Produktion meiner Garderobe involviert und welche Verantwortung und auch Macht habe ich als Endkunde?
Es gibt ein Sprichwort, welches lautet: „Slow and steady wins the race” und ich glaube daran, dass jede Funke hier wieder eine neue Flamme entzünden kann, die wieder einigen Menschen mehr den Weg leuchtet und so geht es immer weiter. Es ist noch ein langer Weg und wir brauchen noch viel Licht, um die Modeindustrie unzukrempeln, aber wir werden ankommen.
War das interessant? Wie wäre es hiermit:
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