Sieben Tage schipperte Onlinepraktikantin Olivia Sasse auf einem schwimmenden Hotel von Hafen zu Hafen. Seekrank wurde sie nicht – aber der Nachgeschmack bleibt übel.
Wir waren spät dran für unsere Essensschicht im Bordrestaurant, dennoch sprang ich kurz unter die Dusche. Ich war verschwitzt und müde vom Landgang. Beim Verlassen der Kabine lagen meine Kleider verstreut auf dem Boden, noch dazu mein Tascheninhalt, weil ich zuvor meine Bordkarte nicht hatte finden können. Als wir zurückkamen, war die Kabine aufgeräumt, meine Bücher fein säuberlich gestapelt. Meine Kleidung thronte gefaltet auf dem Bett, sogar Plüschaffe Mr. Ape sass ordentlich auf dem Kopfkissen, mit dem Programm für den nächsten Tag in den Armen. Nur meine Unterwäsche lag nach wie vor unberührt auf dem Teppich.
WerbungWERBUNG
Manch eine hätte sich wohl darüber gefreut, nicht selber aufräumen zu müssen. Die Vorstellung, dass jemand wie ein Diener hinter mir herräumen muss, verursachte mir jedoch ein flaues Gefühl in der Magengegend. Natürlich wusste ich schon vor der Reise um die negativen Auswirkungen einer Kreuzfahrt: Dass die Arbeitsbedingungen auf so einem Dampfer unmöglich gut sein können, dass der Energieverbrauch und die Abgase die Umwelt belasten. Weshalb ich die Reise dennoch angetreten habe? Meine zwei älteren Schwestern und ich wurden eingeladen. Ich hatte mich auf die Reise gefreut, wie ein kleines Kind. Wasser übte schon immer eine enorme Anziehung auf mich aus, und ich bin vernarrt in Schiffe, seit ich denken kann.
Doch von den Wellen habe ich auf dem schwimmenden Hotel nichts gespürt. Der Geruch der Meeres vermischte sich mit den Ausdünstungen der Passagiere und des Buffets. Das Rauschen des Winds wurde übertönt von der dröhnenden Musik, die auf dem Oberdeck beinahe rund um die Uhr gespielt wurde. Seekrank wurde ich nicht, doch vom Nonstop-Unterhaltungsprogramm wurde mir übel.
Diese Artikel von annabelle könnten dir auch gefallen:
Zugegeben, ein Kreuzfahrtschiff ist eine sehr bequeme Art, viele Orte innerhalb kurzer Zeit zu besichtigen. Doch zu welchem Preis? Alle Städte verschwammen vor meinem inneren Auge zu einer undefinierbaren Masse. Am Ende war es überall gleich: Wir verliessen das Schiff und mit uns ein Schwall anderer Passagiere. Wir strömten durch die Gassen wie ein Heuschreckenschwarm, der sich über Felder hermacht. Wir hatten gerade genug Zeit, um die Must-Sees abzuarbeiten und dafür, den Liebsten eine Postkarte zu schicken.
Doch die Beschreibungen auf meinen Karten blieben platt. Es blieb kaum Zeit, die Atmosphäre eines Ortes zu spüren. Die Gerüche aufzusaugen, die frühmorgens aus dem Café strömen, oder die Einwohner am Markt zu beobachten. Und wenn wir am Abend wieder aufs Schiff zurückkehrten, hinterliessen wir den Ort ausgehöhlt.
Unter Deck grüssten wir Rio, er war für unsere Kabine zuständig und immer da, egal um welche Uhrzeit wir durch die Gänge schlenderten. Ich stellte mir vor, wie er zehn bis zwölf Stunden täglich in diesem Gang steht, das Muster auf dem Spannteppich betrachtet. Tageslicht gab es vermutlich nur dann, wenn die Passagiere unterwegs waren und das Personal zum Aufräumen die Kabinen betrat. Als ich Rio einmal fragte, wie die Arbeit auf dem Schiff sei, sagte er, er arbeite gerne auf dem Schiff, es bringe Geld für zuhause. Er hatte dunkle Ringe unter seinen Augen. Ich wünschte Rio eine gute Nacht und liess die Kabinentür ins Schloss fallen. Dann schaute ich durch das Bullauge aufs Meer – dieser Blick vor dem Einschlafen war das Einzige, was ich an dieser Reise wirklich liebte.
WerbungWERBUNG