Ich bin online. Seit Jahren. Ich kann mich aber noch daran erinnern, als Facebook und Instagram Fremdwörter waren. Etwas, an das man sich erst mal herantasten musste. Und hier sind wir nun, viele Jahre später, in einer Welt 2.0. Wir werden virtuell mit Informationen überschüttet. Und ein bisschen Narzissmus sowie ein paar Prisen Essen, Fitness und Shopping gibt es gratis dazu. In Form von Smartphone-Fotos versteht sich. Ob man das alles braucht – darüber kann man streiten. Ob man das will? Diese Fragestellung wird besonders bei Freunden so richtig interessant.
Worauf ich hinaus will, fassen wir es kurz und knackig zusammen. Muss man das Social Media-Verhalten seiner Freunde mögen? Eine Frage, mit der ich mich seit Monaten beschäftige. Jetzt würden viele sagen, dass dieses eine Freundschaft nicht beeinflusst. Wie man sich im Internet verhält, hat schließlich nichts mit unseren persönlichen Beziehungen zu tun. Hat es doch, will ich behaupten. Weil ich es selbst erfahren habe. Lasst uns offen darüber reden! Dass unser soziales Verhalten online Auswirkungen auf unser soziales Verhalten offline hat.
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Ein Blick in meinen Freundeskreis. Da gibt es die, welche gar nichts vom Posten und Liken halten. Sie predigen, dass sie das alles nicht brauchen. Manche verurteilen es sogar. Dieses „Social Media“. Blöd seien sie, die sozialen Netzwerke, halten uns von der Realität fern. Von dem, was wirklich zählt. Das miteinander Kommunizieren - face to face! Und sie ermahnen auch gerne. Wenn man vergisst den Moment zu genießen, wenn man in Paris vor dem Eiffelturm lieber posiert, als wahrzunehmen, und in Mailand den Dom lieber zum Motiv als zur Erinnerung macht.
Da kommen wir auch schon zur nächsten „Kategorie“. Nämlich zu denen, welche eben gerne Erinnerungen festhalten und die teilen. Ich würde mich zu ihnen zählen. Ich poste nicht täglich, aber mal mehr, mal weniger. Als ich von der Natur auf Gran Canaria überwältigt war, zückte ich das Handy. Ich wollte zeigen, was mich so umgehauen hat – auch wenn ein Foto dem nie gerecht werden könnte. Und auch einige Selfies, alleine oder mit Freunden, schmücken den Feed, oder ein Sonnenuntergang und das Meer, das so schön glitzert mit der „Boomerang“-App. Aber man hat das Gefühl, man sei der Social Media-Welt nicht verfallen und habe den Blick auf die wirkliche, die, die sich außerhalb des Netzes abspielt, nicht verloren. Ein Like, ein netter Nebeneffekt, aber nicht das Los zum Glücklichsein.
Und da wäre ich dann schon bei denen, dessen Leben, man muss es so drastisch aussprechen, sich komplett in Social Media befindet. Dazu zählen nicht nur die so genannten Influencer, die ihr Geld damit machen, sondern auch ein paar meiner Freunde. Es sind die, die mich beim ersten Bissen unterbrechen, damit man vor dem Festmahl erst ein Foto des unberührten Dinners machen kann, es sind die, dessen Handy beim gemeinsamen Frühstück im Sekunden-Takt leuchtet. Das Outfit-Foto bekommt gerade Likes. Und es sind die, die ihren Tagesablauf bei Snapchat und Instagram-Stories erzählen. Wenn man mit ihnen ist, lacht man für die Kamera, oder schaut einfach nur zu, wenn sie durch die Straßen gehen und in ein Handy sprechen. Es gehört dazu. Etwas an das ich mich gewöhnen muss, weil sie meine Freunde sind. Aber etwas, an das ich mich lange nicht gewöhnen wollte.
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Es hat mich oft verwundert oder belustigt, aber an manchen Tagen auch geärgert. Geärgert hat es mich vor allem, weil ich nicht über meine Freunde urteilen wollte. Das tat ich aber. Leider. Weil ich sehe, wie sie sich Aufmerksamkeit und Bestätigung von fremden Menschen in Form eines Klicks holen. Weil manches mehr Schein als Sein ist. Weil ich diese immer wieder gleichen Posen irgendwann nicht mehr sehen konnte. Der laszive Blick nach links in die Ferne, der Gang über die Straße in dem Outfit, was akribisch zusammengestellt wurde. Nicht zu vergessen die Designer-Marken, welche unbedingt noch unter dem OOTD markiert werden mussten. Andere sollen schließlich sehen, dass man sich nur in edlen Stoffen umhüllt. Und dann dieses Zurechtrücken am Tisch. Die Brille kommt neben das Smartphone in der Moschino-Hülle, dieses wiederum nimmt Platz neben dem veganen Sieben-Euro-Smoothie. Klick, Klick, Post.
Und je mehr Likes erreicht wurden, desto mehr neue Freunde kamen dazu. Coole Partys und Mode-Events wurden im Internet breit getreten. Und da waren sie nun angekommen in einer Welt, in der die Oberflächlichkeit den Ton angibt. Und am meisten haben mich dann die Kommentare aus meiner Umgebung geärgert. Plötzlich musste ich mich für meine Freunde rechtfertigen, weil sie doch eigentlich gar nicht so sind, wie sie sich auf Instagram, Facebook und Co. präsentieren. Es ist also schon anderen aufgefallen…
Es gab Zeiten, an denen ich mich von meinen Freunden aufgrund ihres Verhalten in sozialen Netzwerken distanziert habe. Es wurde mir zu viel. Aber darf man die Moralapostel spielen, wenn man selbst Selfies raushaut oder auf einem fancy PR-Event mit einem hausgemachten Eistee anstoßt? Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass man zu seinen Freunden stehen sollte. Letztendlich wird keiner dadurch verletzt, wenn ein neues Foto das Profil schmückt. Oder? Meine Freunde sind nicht besser oder schlechter, abhängig davon, wie viel sie online von sich preisgeben. Und trotzdem darf man Hardcore-Poster auch gerne mal darauf aufmerksam machen, wenn sie das Handy non-stop nicht aus der Hand legen wollen.
Die sozialen Netzwerke sind nun mal gekommen, um zu bleiben. Sich an „Früher war alles besser“ aufzuhalten, ist sowas von gestern! Mittlerweile fotografiere ich sogar des Öfteren die Outfits meiner Freunde oder ich lächle, wenn sie das Avocado-Brot neben der Soja-Latte und der Gucci-Sonnenbrille zurechtrücken. Ich lächle auch, wenn ich sie auf der dritten Shop-Eröffnung in einer Woche auf Snapchat sehe, während ich Zuhause Pizza esse und Netflix schaue. Und ich schmunzle auch nur kurz, wenn ich wieder ein halbnacktes After-Work-out-Foto erblicke. Mit dem Posten ist es eben wie mit Macken. Manche stört es, manche nicht. So wie sie mich mit meinen Fehlern – und davon habe ich nicht wenige – nehmen, nehme ich sie mit all ihren Posts. Nein, ich muss das Social Media-Verhalten meiner Freunde nicht mögen. Aber ich muss mich damit anfreunden.
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