Als Teenager standen die beiden australischen Zwillinge Miriam „Mim“ und Olivia „Liv“ Nervo (31) regelmäßig bei Konzerten in der ersten Reihe, um ihre Idole im Moshpit abzufeiern. Nach einem kleinen Umweg in der Modelbranche beschlossen beide, sich lieber auf ihre große Leidenschaft, die Popmusik zu konzentrieren. Mittlerweile haben sich Nervo zum erfolgreichsten weiblichen DJ/Producer-Team der Welt hochgearbeitet: Neben hochkarätigen Kollaborationen mit internationalen Dance- und House-Größen wie David Guetta, Steve Aoki oder Afrojack bringen die Twins bei ihren gefeierten Live-Sets zusätzlich noch die Crowds auf Mega-Events wie dem Tomorrowland, dem Ultra oder dem Electric Zoo mit ihren eigenen Floorfillern zum Ausrasten. Am 9. September sind Nervo auf dem Berliner Lollapalooza Festival zu erleben – Refinery29.de traf die beiden Powerfrauen schon vorab zum Sechs-Augen-Talk.
WerbungWERBUNG
Refinery29: Mim, wie genau seid ihr eigentlich zur Musik gekommen?
Mim: Schon während der Highschool waren wir riesige Fans von Bands wie The Prodigy oder den Basement Jaxx. Im Alter von 15 fingen wir an, eigene Songs zu komponieren und bei australischen Studios Klinken zu putzen, um sie zu veröffentlichen. Irgendwann haben wir die Schule geschmissen, um uns ganz auf die Musik zu konzentrieren. Nachdem eine britische Plattenfirma auf uns aufmerksam wurde, sind wir kurz vor unserem 19. Geburtstag auf eigene Faust von Melbourne nach London gezogen, um eine professionelle Karriere zu starten.
Das klingt nach einem kühnen Plan!
Mim: Eine total verrückte Entscheidung. Vielleicht auch ein wenig naiv, wobei ein gewisses Quäntchen Naivität manchmal gar nicht so schlecht ist. Mit 19 macht man sich noch nicht so viele Gedanken, was alles schief laufen könnte, sondern stürzt sich mitten ins Leben. Wir waren vorher zwar schon in Europa, aber noch nie in Großbritannien. Dort haben wir erstmal sechs Jahre lang gekellnert, bevor wir die ersten nennenswerten Erfolge verbuchen konnten.
Liv: Wir haben ständig die Nüsse aus dem Knabberzeug an der Bar stibitzt, weil wir uns von unserem kargen Lohn keine leisten konnten. Wir haben während dieser Zeit Songs für andere Künstler geschrieben, waren aber ständig von anderen Produzenten und ihren Studios abhängig. Also begannen wir, uns die komplizierte Studiotechnik selbst beizubringen, so dass wir unsere Musik im Alleingang aufnehmen konnten und uns nicht mehr ausnutzen lassen mussten.
Was war passiert?
Liv: Das Übliche: Wie in jedem Geschäft gibt es auch im Musikbusiness Menschen, die dich als Neuling knallhart über den Tisch ziehen wollen. Gerade in der Anfangszeit mussten wir ein paar wirklich krasse Erfahrungen machen, die wir teuer bezahlt haben. Egal, ob mit Produzenten, Anwälten oder Managern. Wir haben schon alles erlebt, was man sich überhaupt vorstellen kann. Man sollte diese Enttäuschungen als wertvolle Lektion betrachten und daraus lernen. Heute arbeiten wir zu 95 Prozent unabhängig - und es läuft wie geschmiert!
WerbungWERBUNG
Mittlerweile stellt ihr das erfolgreichste weibliche DJ- und Producer-Team dar. Clubmusik ist von je her ein eher männlich geprägtes Genre – war es schwer, sich gegen diese übermächtige Konkurrenz zu behaupten?
Mim: Bis auf unsere kleinen Startschwierigkeiten gab es bisher keine Probleme mit unseren männlichen Kollegen. Wir kommen mit allen gut klar. Jungs, Mädchen, Trans-Menschen. Anders sieht es dagegen bei diversen Plattenlabels aus. Man findet kaum Frauen in höheren Positionen, die für das Künstler-Rooster verantwortlich sind. In den Köpfen der männlichen A&R-Manager ist oftmals ein gewisser Sexismus spürbar. Das kann manchmal etwas anstrengend sein.
Hattet ihr das Gefühl, euch den Erfolg härter erarbeiten zu müssen als eure männlichen Kollegen?
Liv: Nein, ich denke nicht. Wir Frauen sind ja glücklicherweise in der Lage, uns in vielen Situationen auf unsere weibliche Intuition verlassen zu können. Das ist in einer reinen Männerdomäne natürlich nur von Vorteil.
Der nächtliche Lifestyle als Musikerin und DJ ist nicht wirklich gesund. Wie geht ihr damit um?
Mim: Wir lieben dieses Leben. Egal ob in fensterlosen Aufnahmestudios, in denen sowieso immer Nacht ist, oder auf der Bühne. Gegen den ständigen Schlafmangel und den Jetlag hilft nur jede Menge Kaffee. Ohne Kaffee können wir ganz schön muffelig werden. Das ist die anstrengende Seite an diesem Job. Man muss lernen, dann zu schlafen oder zu essen, wenn dafür Zeit ist. Eine goldene Regel: Man sollte keine wichtigen Entscheidungen treffen, wenn man übernächtigt ist und Hunger hat. Das kann nur nach hinten losgehen.
Wie lautet euer Rezept gegen die sichtbaren Zeichen von durchfeierten Nächten wie zum Beispiel dunkle Augenringe?
WerbungWERBUNG
Liv: Augenringe sind Gott sei Dank nicht unser Hauptproblem. Bei uns schlagen sich die langen Nächte eher in trockener Haut nieder. Dagegen hilft üblicherweise viel Eincremen und auch jede Menge Wasser zu trinken. Manchmal nehmen wir uns auch nach den Shows kleine Auszeiten in irgendwelchen abgelegenen Orten, an denen man in Ruhe auftanken kann. Das hilft enorm.
Ihr verbringt wahnsinnig viel Zeit miteinander – ob im Studio oder auf der Bühne während eurer Shows. Wird das nicht irgendwann sehr anstrengend?
Liv: Auf keinen Fall! Im Gegenteil: Wir lieben es! Wir sind insgesamt vier Geschwister; wir haben schon versucht, mit unserem Bruder zusammen zu arbeiten, aber es klappt leider nicht. Mim und ich sind das perfekte Power Couple! Wir haben die gleiche Arbeitsauffassung, den gleichen Lebensrhythmus und wir sind beide absolute Worcaholics. Natürlich gibt es zwischen uns auch von Zeit zu Zeit Meinungsverschiedenheiten, die aber immer schnell gelöst sind.
Bei Zwillingen gibt esmeistens einen stilleren und einen etwas extrovertierteren Geschwisterteil. Wie sieht die Rollenverteilung bei euch aus?
Mim: Wir sind beide ziemlich extrovertiert und offen. Außerdem sind wir unfassbar neugierig. Probieren gerne neue Sachen aus, lernen unbekannte Länder kennen und lieben es, auch mal Risiken einzugehen. Bei uns ist immer etwas los, wir sind immer irgendwie in Action. Vielleicht haben wir das von unserer Mutter gelernt: Einer starken, tollen Frau, die auf ihre Art definitiv feministische Züge an sich hat. Sie war uns immer ein großes Vorbild.
Heute seid ihr selbst zumVorbild für viele junge Mädchen geworden, die von einer Karriere im Musikbusiness träumen. Welche guten Tipps habt ihr für die nächste Künstler*innengeneration auf Lager?
Mim: Es wäre eine tolle Sache, wenn wir andere Mädchen und Frauen mit unserem Schaffen inspirieren. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen: Gerade in den Online-Medien wirkt alles immer so mühelos, als wäre einem Künstler der Erfolg einfach so über Nacht zugeflogen. Was man dabei nicht sieht, ist die harte Arbeit. Die Tränen, die Enttäuschungen und Rückschläge, die auch irgendwie dazu gehören. Man muss sehr viel Geduld, sehr viel Ehrgeiz, eine gewisse Leidensfähigkeit und den Willen mitbringen, hart zu arbeiten. Dann kann man alles schaffen!
Nervo sind am 9. September live auf dem Lollapalooza Festival in Berlin zu sehen.
WerbungWERBUNG