Ich reise gerne – auch ohne meinen Freund. Dass ich mit dieser Einstellung immer wieder auf Unverständnis treffe, irritiert mich. Denn abgesehen von meinem Partner, gibt es in meinem Leben viele Menschen, mit denen ich gerne Zeit – und ja, auch meinem Urlaub – verbringe.
Obwohl es heute komplizierter ist als zu Teenagerzeiten, genieße ich es zum Beispiel sehr, mit meinen engsten Freundinnen und Freunden länger als einen Nachmittag unterwegs zu sein. An Zeiten, in denen wir zu zehnt mit drei klapprigen Autos, vier Zelten und ohne großen Plan – außer dem einen: das Meer zu sehen und zwar schnell – losfuhren, erinnere ich mich gerne zurück. Wenn ich Tracy Champmans Talkin’ bout a Revolution höre, tauchen vor meinem inneren Auge von Pinien gesäumte französische Straßen und kitschige Sonnenuntergänge auf. Und ich denke an die Menschen zurück, mit denen ich die Urlaube meiner Jugend verbracht habe.
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Auch dieser eine berühmt-berüchtigte Campingplatz an der Atlantikküste, den jede und jeder Jugendliche in meiner Stadt kannte und an dem man deshalb auch die komplette Alterskohorte wieder traf, fühlt sich heute noch so vertraut an als wäre ich erst gestern dagewesen. Lagerfeuer und Gitarrenklänge, Bier und verkochte Nudeln für viele Menschen, von denen damals nur wenige in ernsthaften Beziehungen steckten.
Wenn ich heute – knappe zehn Jahre später – mit einer großen Gruppe in den Urlaub fahre, besteht diese zumeist aus Pärchen. Und klar, ich verstehe gut, dass man, im Arbeitsleben mit gezählten Urlaubstagen angekommen, gerne mit dem Partner oder der Partnerin zusammen verreist. Will man trotzdem auch noch andere Leute dabei haben, sucht man sich für den gemeinsamen Urlaub gerne Gleichgesinnte aus.
Egal, ob in der Gruppe oder in trauter Zweisamkeit genieße ich es sehr, an anderen Orten als in den eigenen vier Wänden Zeit mit meinem Freund zu verbringen. Trotzdem finde ich die Grundhaltung vieler Menschen, man müsse – und zwar ausschließlich – mit der Beziehung verreisen, eher seltsam. Denn sobald man einen Urlaub ohne seinen Boyfriend ankündigt, wittern sofort alle Stress in der Beziehung. Zumindest wenn man nicht gerade die beste Freundin besuchen möchte, die nach New York gezogen ist oder ein Junggesellinnenabschied ansteht. Noch eine Spur komplizierter wird es, wenn man als Frau, die in einer Beziehung ist, mit einem Mann reist, der nicht der Freund ist.
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Ich verreiste ohne meinen Freund, dafür mit meinem ehemaligen Mitbewohner.
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Als ich Anfang des Jahres drei Wochen nach Kuba fuhr, tat ich genau das. Ich verreiste ohne meinen Freund, dafür mit meinem ehemaligen Mitbewohner. Der gehört nach insgesamt einem Jahr WG in Frankreich zu meinem engen Freundeskreis. Meine Mutter sagte früher immer zu mir: „Beim gemeinsam Wohnen und Reisen lernt man Menschen wirklich kennen.“ Weise Worte. Denn nachdem wir eine Wohnung geteilt hatten, lag es sowohl für meinen Ex-Mitbewohner als auch für mich ganz klar auf der Hand, dass ein gemeinsamer Urlaub extrem unkompliziert verlaufen würde.
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Und da mein Boyfriend kein Interesse an einer Reise auf die sozialistische Insel hatte, besagter Ex-Mitbewohner dafür umso mehr, zögerte ich nicht lange. Mein Umfeld reagierte auf die Wahl meines Reisepartners dezent irritiert. Die Frage, wie denn mein Freund das fände, wenn ich alleine mit einem anderen Mann reisen würde, brannte allen unter den Nägeln. Um das Ganze abzukürzen: Mein Freund fand es vollkommen in Ordnung und war genau wie ich überzeugt, dass ich in meinem Ex-Mitbewohner den idealen Reisepartner für dieses Abenteuer gefunden habe.
Und tatsächlich blieben mir auf der Reise viele Unannehmlichkeiten erspart, die mit meinem Freund früher oder später garantiert Thema gewesen wären. Wir alle kennen diese gewissen Muster und Verhaltensweisen, die sich in jede Beziehung früher oder später einschleichen – und die keine Beziehung im Urlaub einfach abschütteln kann. Versteht mich nicht falsch. Ich verbringe wirklich gerne Zeit mit meinem Freund. Wir verstehen uns sehr gut und fahren auch oft zusammen weg. Aber eben nicht immer.
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Die Frage, wie denn mein Freund das fände, wenn ich alleine mit einem anderen Mann reisen würde, brannte allen unter den Nägeln.
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Ebenso gerne, wie ich ab und zu ohne ihn reise, fährt auch er ohne mich in den Urlaub. Die Freiheit nehmen wir uns beide. Denn Ferien ohne den Freund oder die Freundin können extrem (ent-)spannend sein. Weil man mit Freunden oder alleine oft offener ist, sich auf ganz andere Dinge und Menschen einlässt. Weil es schön ist, sich die Freiheit zu nehmen, den Partner mal wieder so richtig zu vermissen. Und weil es Situationen gibt, in denen sich ein gemeinsamer Urlaub einfach nicht ergibt.
Mal hat der eine keine Zeit und der andere keine Lust oder andersrum. Oder man ist nicht bereit, für die gleichen Dinge Geld zu investieren. Ich möchte niemanden dazu zwingen, an einen Ort zu fahren, der ihn nicht wirklich interessiert und nebenbei auch noch das Ersparte dafür auszugeben. Ich finde, dass man sich in solchen Situationen Kompromisse sparen kann.
Wenn man sich aber trifft und gemeinsam für ein Urlaubsziel brennt, dann sollte man auch unbedingt zusammen hinfahren. Ob mit der Beziehung oder mit einer Freundin oder einem Freund ist doch eigentlich egal. Hauptsache, der oder die andere googelt schon Monate vorher genauso begeistert wie man selbst nach den besten Spots und durchkämmt mindestens ebenso ambitioniert den Pool an Airbnb-Wohnungen, um die beste, zentralste und schönste zu finden.
Schließlich bedeutet Reisen doch genau das: Leidenschaft für einen bestimmten Ort, Interesse an einer bestimmten Kultur. Und mal ehrlich: Was hätte ich davon gehabt, meinen Freund auf eine flache Karibik-Insel zu schleppen, wenn er doch viel lieber große Wellen surft?
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