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Lucy Dacus & Kasey Musgraves: Warum ich auch im Sommer gerne traurige Musik höre

Lucy Dacus findet ihre Songs nicht traurig. Deshalb habe ich auch gezögert, ihr zu erzählen, dass fast alle Lieder von ihr in meiner "sad"-Playlist gelandet sind. Eine Playlist, die ich gemacht habe, als ich traurig war. Und, weil ich unter SAD (seasonal affective disorder) leide – einer depressiven Störung, die im Herbst und Winter auftritt.
„Ich empfinde meine Songs als hoffnungsvoll“, erzählt mir die 23-jährige US-Amerikanerin. „Sie enthalten zwar sehr traurige Elemente, aber ich versuche durch sie auch zu zeigen, dass es immer irgendwie weitergeht“.
Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass ihre Songs mich über die kalten Monaten gerettet haben. Sie erlaubten mir mich in meiner Traurigkeit zu suhlen, statt immer gegen sie anzukämpfen. Auch wenn der Winter jetzt vorbei ist, hallen die Worte und Melodien dieser Frauen in meinen Kopf nach.
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Wenn ich auf der Bettkante sitze und auf Play drücke, kann ich meinen melancholischen Gedanken freien Lauf lassen.

Jedes Jahr gibt es neue Sommersongs. Songs, die für ausgelassene Strandpartys und unbesorgte Dachterrassenabende gemacht wurden. Aber in den ersten Wochen der warmen Jahreszeit habe ich festgestellt, dass die Realität anders aussieht. Meistens sitze ich verschwitzt in der Wohnung und lasse die Worte von Musikerinnen wie Lucy Dacus auf mich wirken. Auf meiner Playlist findet man neben ihren Hits „Night Shift“ und „Addictions“ auch „Funeral“ von Phoebe Bridgers und „Space Cowboy“ von Kasey Musgraves. Meine Playlist springt von Song zu Song und Genre zu Genre, aber einen roten Faden gibt es trotzdem: Wenn ich auf der Bettkante sitze und auf Play drücke, kann ich meinen melancholischen Gedanken freien Lauf lassen. Ein emotionales Pickelausdrücken sozusagen.
Photo: Dustin Condren..
Warum ich selbst bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein traurige Musik höre? Weil es gerade nicht leicht für mich ist – und zwar nicht nur, weil mein Gehirn manchmal einfach resigniert. Ich bin jetzt 25 Jahre alt und habe Angst, hinterher zu hängen. Ich habe mich seit Jahren nicht mehr richtig verliebt und weiß gar nicht, ob ich überhaupt noch lieben kann. Dazu kommt die Gesamtsituation der Welt. Sie zerbricht. 2016 war schlimm, 2017 auch nicht wirklich besser. Und 2018? Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Die schreckliche Art und Weise, wie die USA andere Menschen behandeln – indem sie sie nicht wie Menschen behandeln? Der Fakt, dass meinen Freund*innen und mir die Rechte weggenommen werden, und zwar ganz langsam und vorsichtig, damit wir es mit etwas Glück vielleicht einfach nicht merken? Die Gefahr eines Atomkriegs? Wenn ich anfange, über all diese Dinge nachzudenken, wird mir schlecht. Also höre ich Musik.
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„Viele von uns tragen emotionalen Ballast mit uns herum, ignorieren ihn aber oft. Ich denke, dass Menschen Musik als ein Ventil für Ehrlichkeit und Selbsttherapie nutzen können“, erklärt Lucy, als ich sie nach dem Reiz von Traurigkeit frage. „Du kannst für dich alleine Musik hören und dann kommen Einsichten, die denen einer Therapie ähneln“.

Es erfordert viel Mut, zuzugeben, dass du traurig oder verletzt bist. Ich denke Verwundbarkeit und Stärke liegen meist näher beieinander, als man denkt.

Lucy Dacus, Singer-Singwriterin
Wenn ich mir die Songs jetzt anhöre, fällt mir auf, dass der Sommer andere Seiten der Lieder zum Vorschein bringt. Das wäre mir nie aufgefallen, wenn ich die Playlist gedanklich im Winter gelassen und zusammen mit meinen Rollkragenpullovern in einer dunklen Ecke verstaut hätte. Wenn ich die Lieder von Lucy Dacus abends höre, solange es draußen noch hell und warm ist, spüre ich die Hoffnung, von der sie redet. Die Texte bedeuten jetzt nicht mehr das Gleiche für mich wie damals, als ich sie im April live hörte und danach wochenlang an ihnen festhielt. Ich spüre die Emotionen immer noch. Ich kann nicht aufhören, mir Sorgen zu machen. Ich kann die Probleme der Welt nicht lösen. Aber ich sehe Traurigkeit nicht mehr als Ende, sondern als Sprungbrett. Lucy bestärkt mich in dieser Ansicht und ergänzt:
„Es erfordert viel Mut, zuzugeben, dass du traurig oder verletzt bist. Ich denke Verletzlichkeit und Stärke liegen meist näher beieinander, als man denkt“.
Zum Schluss haben wir noch eine Spotify-Playlist mit wunderschönen, melancholischen Songs für den Sommer zusammengestellt. Für alle, die mit uns weinen, träumen und nach vorn blicken wollen.
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