Jeder kennt sie, diese ganz speziellen Geräusche, die einen in den Wahnsinn treiben. Sei es das Kaugummikauen der Sitznachbarin oder das ständige Räuspern und schwere Atmen des Kollegen. Doch es gibt Unterschiede in der Art und Weise, wie wir reagieren. Während eine Vielzahl von Menschen einfach genervt die Schultern zucken und im schlimmsten Fall höflich bitten, leiser zu kauen, lösen diese Geräusche in anderen eine um Mehrfaches stärkere Reaktion aus.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie fand heraus, dass es ein medizinisch feststellbares Leiden ist, wenn man auf sogenannte Trigger-Geräusche überdurchschnittlich emotional reagiert. Kau-, Trink und Atemgeräusche rufen im Gehirn ausschlagende Reaktionen hervor, die bei allen Betroffenen gleich sind. Die neurologische Krankheit ist bereits seit einigen Jahren als „Misophonie“ bekannt, ein im Ursprung griechisches Wort, das soviel bedeutet wie „Hass auf Geräusche“, jedoch noch immer nicht weitergehend erforscht.
Im Rahmen der Studie wurden MRT-Scans untersucht, die die Hirnaktivität bei Penetration durch bestimmte Geräuschtrigger zeigten. Dabei wurden die Teilnehmer mit einer Vielzahl von Geräuschen konfrontiert, von neutralen wie etwa Regen, gemein unangenehme wie das Schreien eines Kleinkindes, und die sogenannten Trigger: essen, atmen, kauen, trinken. An Misophonie leidende Teilnehmer und Teilnehmerinnen wiesen im präfrontalen Cortex, dem vorderen Teil des Gehirns, der für Emotionen verantwortlich ist, überdurchschnittlich hohe Reaktionen auf.
Die Wissenschaftler fanden außerdem heraus, dass ein Großteil der Betroffenen eine weitere zerebrale Abnormalität aufwies, die auf eine „funktionale Konnektivität“ hinweist. Bedeutet: Viele misophone Menschen reagieren auf bestimmte Geräusche so radikal, weil sie, teilweise sogar unbewusst, ein schlechtes oder gar traumatisierendes Erlebnis mit dem Geräusch verbinden.
Menschen mit Misophonie leiden im Übrigen mehr als ihren Mitmenschen oft bewusst ist: Viele Betroffene meiden Orte, an denen es zu unübersichtlichen Geräuschkulissen kommen könnte. Sie gehen oft nicht mehr ins Kino, für viele hat die Kondition sogar Auswirkungen auf die Berufswahl.
Auch wenn noch immer nach Behandlungsmethoden geforscht wird, ist das eine Beruhigung und Bestätigung für Betroffene. So sind sie ganz offiziell von einem neurologischen Leiden betroffen, anstatt sich selbst als reizbar oder zickig wahrzunehmen.
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