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Mein Arzt meinte, es sei eine Blasenentzündung – dabei war es Endometriose

Foto: Savanna Ruedy.
„Ich hatte andauernd Blasenentzündungen und Scheidenpilz – oder glaubte es zumindest. Jedes Mal, wen ich damit zu meinem Hausarzt ging, sagte er mir: Sie benutzen parfümierte Seife im Schritt! Sie müssen Unterwäsche aus Baumwolle tragen! So ist Ihr Körper nun mal! Hier sind weitere Antibiotika! Er untersuchte mich aber nie weiter“, erzählt die 29-jährige Kezia Price. Es dauerte ganze sieben Jahre, bevor sie endlich ihre wahre Diagnose bekam: Endometriose – eine Krankheit, bei der sich Gewebe, das dem der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, anderswo ansiedelt (wie an den Eierstöcken). In Kezias Fall wurden die Symptome der Endometriose aber immer mit denen einer Blasenentzündung verwechselt. Eine Blasenentzündung entsteht, wenn Bakterien in den Harnweg gelangen, und sie äußert sich oft zu einem brennenden Schmerz beim Pinkeln.
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„Ich wurde nie genau untersucht“, meint Kezia. „Heute weiß ich, dass eine Endometriose auch um die Blase herum wachsen kann, wodurch die Blase gereizt wird und du das Gefühl hast, sie sei entzündet, obwohl das gar nicht stimmt.“ Genau deswegen ist sie so enttäuscht von den Ärzt:innen, von denen sie sich während ihrer jahrelangen Beschwerden Hilfe erhofft hatte.

Was sind die Symptome einer Endometriose?

Hinsichtlich der Diagnose, Behandlung und Unterstützung bei einer Endometriose werden Frauen und Menschen mit Gebärmutter tatsächlich schon lange unterversorgt. Vielleicht hast du schon mal von der Statistik gehört, laut der bis zur Endometriosediagnose im Durchschnitt siebeneinhalb Jahre vergehen. Das Symptom, das die meisten mit der Endometriose verbinden, ist eine schwere, schmerzhafte Periode. Zu den weniger bekannten Beschwerden gehören unter anderem Beckenschmerzen, Zyklusunregelmäßigkeiten, Schmerzen beim Sex vor oder während der Menstruation, Durchfall oder Unfruchtbarkeit. Diese Symptome sollten Ärzt:innen kennen. Trotzdem gibt es viele Betroffene, die ihre (falsche) Diagnose hinterfragen und selbst recherchieren müssen.
Der Gynäkologe Dr. Hemant Vakharia behandelt tatsächlich häufig Patient:innen, die vorher Fehldiagnosen wie Blasenentzündung oder Reizdarmsyndrom bekommen hatten, bevor sie von ihm schließlich erfahren, dass die Ursache ihrer Schmerzen eine Endometriose ist. „Die Blase, Gebärmutter, Eierstöcke und der Darm liegen im Becken nah beieinander. Daher können Endometriose-Symptome schnell irrtümlicherweise diesen anderen Organen zugeschrieben werden“, sagt er. „Das Endometrium [das krankhaft gebildete Gewebe] kann tatsächlich sogar die Blasenwand durchdringen und somit beim Wasserlassen oder bei einer vollen Blase für Schmerzen sorgen. Beides können jedoch auch Symptome einer Blasenentzündung sein. Manche Patient:innen haben auch Blut im Urin – ein weiteres gemeinsames Symptom einer Endometriose und einer Blasenentzündung.“
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Kezia bemerkte 2016 zum ersten Mal Schmerzen beim Pinkeln und vertraute anfangs der Diagnose ihres Hausarztes, der eine Blasenentzündung vermutete. „Ich war immer wieder in seiner Praxis, weil ich glaubte, wieder eine entzündete Blase zu haben; der Test ergab dann aber immer, dass das gar nicht stimmte. Weil ich solche Schmerzen hatte, bekam ich trotzdem Antibiotika verschrieben, fühlte mich danach aber nie besser. Daraufhin bekam ich jedes Mal ein weiteres Antibiotika-Rezept. Ich hatte überall eine Flasche zum Reinpinkeln dabei, um sie meinem Arzt vorbeibringen zu können. Ich war andauernd in dieser Praxis“, erzählt sie. Einmal bekam sie dort zu hören, die Schmerzen seien „nur in meinem Kopf“; sie glaubt, dass ihre Ärzt:innen sie für „verrückt und eine Schwindlerin“ hielten. Endometriose kam ihr als Ursache ihrer Schmerzen nie in den Sinn, und auch ihre Ärzt:innen erwähnten die Krankheit nie als mögliche Erklärung. „Ich wusste nur, dass irgendwas nicht stimmte, weil ich solche Schmerzen hatte. Ich lag wegen der stechenden Schmerzen dauernd zusammengekauert rum, musste mich immer wieder krankmelden, und mein Alltag war total davon bestimmt“, sagt sie. Und wenn sie dann ihre Periode hatte, war die kaum zu ertragen.
Schließlich wandte sich Kezia 2023 an eine Privatpraxis. Als eine Ultraschalluntersuchung an ihrem linken Eierstock eine Zyste fand, bekam sie eine Hormonspirale eingesetzt (die manchmal bei der Behandlung einer Endometriose verwendet werden, weil das Progesteron in der Spirale verhindern kann, dass sich die Symptome verschlimmern). Die Spirale konnte aber natürlich nichts gegen das bereits gewucherte Gewebe tun. Ein paar Monate später unterzog sich Kezia deswegen einer Ureterolyse, der chirurgischen Freilegung des Harnleiters aus dem umliegenden (endometriosebedingten) Gewebe. Nach dieser OP erfuhr sie, dass beide ihrer Eierstöcke tatsächlich schon durch das Gewebe mit ihrer Beckenwand verklebt waren und sich das Endometrium auch um ihren Darm herum ausgebreitet hatte. Daraufhin bekam sie die Diagnose Peritonealendometriose im dritten Stadium (von vier). Diese Endometriose ist auf Scans nur selten zu erkennen und lässt sich erst nach einer Operation diagnostizieren. Endlich hatte Kezia ihre Antwort. Sie hatte nie eine wiederkehrende Blasenentzündung gehabt. Stattdessen waren die Schmerzen auf dem Klo und beim Sex, sowie ihre Schwierigkeiten, ihren Darm wirklich zu entleeren, immer ein Resultat des Gewebes gewesen, das sich in ihrem Becken verteilt hatte.
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Der Spezialistin für weibliche Hormone Dr. Jan Toledano zufolge ist das tatsächlich „extrem weit verbreitet“. „Endometriose-Gewebe wächst typischerweise im Becken, rund um den Harnleiter, die Blase und den Darm“, erklärt sie. „Wenn sich das Gewebe um den Blasenhals windet, wird das Urinieren sehr schmerzhaft. Dasselbe gilt für den Stuhlgang, wenn das Endometrium am Darm wächst. Wenn mir eine Person mit einer Gebärmutter erzählt, dass sie sehr schmerzhafte Perioden erlebt, lautet die Diagnose meiner Meinung nach Endometriose. Es wird nichts anderes sein. Betroffene sollten dann sofort behandelt werden, anstatt jahrelange Schmerzen durchleben zu müssen, bis sie schließlich operiert werden. Das alles hängt mit extremer Misogynie zusammen. Wenn Männer dieselbe Krankheit bekommen könnten, würde sie sofort diagnostiziert werden und die Behandlung direkt beginnen.“

Die Konsequenzen einer Fehldiagnose

Die 29-jährige Sarah Cwierz bekam ebenfalls die Fehldiagnose einer wiederkehrenden Blasenentzündung. „Ich bekam Dutzende Male die Diagnose und bekam dann jedes Mal Antibiotika verschrieben, die ich auch brav einnahm. Die Schmerzen waren so stark, dass es sich anfühlte, als hätte mir jemand ein glühendes Schwert ins Becken gerammt, und sie kehrten im selben Zyklus wie meine Periode immer wieder zurück“, erzählt sie. Sie schätzt, dass sie insgesamt bis zu 20-mal fälschlicherweise Antibiotika verschrieben bekam und dann auch einnahm. Dr. Vakharia zufolge „kann die Einnahme von Antibiotika ohne eine Infektion zur Antibiotika-Resistenz führen. Dadurch wird es in Zukunft schwerer, Infektionen mithilfe von Antibiotika zu bekämpfen. Noch dazu können Antibiotika auch die guten Bakterien im Körper angreifen, weswegen Patient:innen daraufhin andere Probleme entwickeln können – wie einen Scheidenpilz oder Darmbeschwerden“.
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Tatsache ist jedenfalls: Auch Sarahs Endometriose wurde nicht behandelt. Manchmal untersuchten sie ihre Ärzt:innen auf eine Blasenentzündung – aber selbst, wenn das Ergebnis negativ war, bekam Sarah daraufhin zu hören: „Manchmal ist eine Blasenentzündung in einem Test nicht nachzuweisen, und vermutlich ist sie doch die Ursache der Beschwerden.“
„Ich war so frustriert darüber, dass mir niemand zuhörte. Ich wusste, dass es keine Blasenentzündung war. Die Schmerzen waren einfach zu heftig. Ich glaube, die Ärzt:innen haben mich irgendwann als ‚Jammerlappen‘ abgestempelt“, sagt sie. Nach ein paar Jahren des Leidens wandte auch sie sich an eine Privatpraxis, und es dauerte lediglich ein paar Monate, bis auch sie ihre Endometriose-Diagnose bekam – und die Bestätigung, dass es nie eine Blasenentzündung gewesen war.
Sarah beschreibt ihre damaligen Schmerzen als „unglaublich kräftezehrend“. Mittlerweile hat sie sich in einer Operation das überschüssige Gewebe entfernen lassen, das sich an ihrer Blase ausgebreitet hatte. „Ich verstehe ja, dass es schwer sein kann, eine Endometriose zu diagnostizieren. Trotzdem finde ich, dass meine Ärzt:innen definitiv an ihrer Blasenentzündung-Diagnose hätten zweifeln sollen, als ich immer wieder mit solchen Schmerzen zurückkehrte. Taten sie aber nicht.“
Dr. Vakharia betont, dass sich Patient:innen, die der Meinung sind, irgendetwas stimme nicht oder sei weiterhin ungelöst, unbedingt darum bemühen sollten, eine Überweisung an Endometriose-Expert:innen zu bekommen. Immerhin ist es wirklich schwierig, die Krankheit auf einem Scan zu erkennen. „Um eine Diagnose zu bekommen, solltest du dich unbedingt von Endometriose-Expert:innen untersuchen lassen“, sagt er und empfiehlt Betroffenen, genau darzulegen, wie schwer und hartnäckig die Schmerzen sind, um „ernst genommen“ zu werden und den Diagnoseprozess zu beschleunigen. „Ich finde, dass wir noch deutlich mehr Bewusstsein für dieses Thema brauchen, und Patient:innen ernster genommen werden sollten. Dann können Betroffene schneller an Fachpraxen überwiesen werden.“
„Die wichtigste Message ist die: Sehr schmerzhafte Perioden, die deine Lebensqualität beeinträchtigen, sollten niemals als ‚normal‘ betrachtet werden“, sagt Dr. Vakharia abschließend.
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