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Was ist Ableismus & warum müssen wir aufhören, ableistische Sprache zu verwenden?

Es leben rund 7,9 Millionen be_hinderte Menschen in Deutschland, aber angesichts der mangelnden Repräsentation in der Arbeitswelt und in den Medien, werden diese Menschen in unserer Gesellschaft kaum sichtbar gemacht. Das ist aber nicht nur ein Problem in Deutschland. Auch in Ländern wie der USA, wo jede*r vierte Bürger*in eine Be_hinderung hat, scheinen ihre Stimmen nicht wahrgenommen zu werden. Mit der neuen Rubrik Voices of Disability macht Refinery29 diese Stimmen laut und die Menschen sichtbar. Wir zelebrieren die echten Storys – nicht die Stigmas und Stereotypen – dieser Community. In diesem Teil lernst du das Leben und die Gedanken von Comedienne Maysoon Zayid besser kennen.
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Ich bin im großartigen Bundesstaat New Jersey geboren und aufgewachsen. “Dumm“ und “verrückt“ waren zwei meiner Lieblingswörter. Ich verwendete sie in jedem Gespräch, denn sie waren ein fester Bestandteil meines Wortschatzes. Doch heute weiß ich, wie ableistisch geprägt diese Wörter sind – und genau deshalb habe ich beschlossen, sie für immer aus meinem Vokabular zu streichen.
Doch bevor ich meinen Standpunkt zur ableistischen Sprache vertiefe, eine kurze Begriffserklärung. Wir sprechen von Ableismus, wenn Menschen in verschiedenen Situationen aufgrund ihrer Be_hinderung entmenschlicht oder diskriminiert werden, oder wenn Be_hinderungen stigmatisiert, stereotypisiert oder bemitleidet werden. Die ableistische Sprache verwendet Begriffe, die mit Be_hinderungen assoziiert werden, um alles zu verspotten, zu beleidigen oder herabzusetzen, sei es nun das schlechte Wetter oder ein*e unfähige*r Politiker*in.
Anmerkung der Übersetzerin: Wir haben uns dazu entschieden, die Schreibweise mit Unterstrich zu verwenden, um das Hindernis, das einem be_hinderten Menschen in der Gesellschaft dargestellt wird, zu verdeutlichen.
“Dumm“ wird oft leichtfertig benutzt, um schlechte Entscheidungen zu verspotten, um sich selbst für einen Fehler zu ermahnen oder um jemanden für seinen oder ihren Mangel an Klugheit zu beschämen. “Dumm“ ist auch eine Beleidigung, die gegen Menschen mit geistigen Be_hinderungen, Lernbe_hinderungen und Neuro-Entwicklungsstörungen (Störungen bei der Entwicklung des Nervensystems) verwendet wird. Auch wenn wir es oft als etwas Harmloses ansehen, jemanden oder etwas als “dumm“ zu bezeichnen, dürfen wir nicht vergessen, dass das Wort selbst Schmerz bei denen hervorrufen kann, gegen die es so oft verwendet wird. “Verrückt“ ist die pauschale Beleidigung für jegliche Art von Problemen der psychischen Gesundheit, ob behandelt oder unbehandelt. Oft bedienen sich auch misogyne Menschen an diesem Wort, um Frauen, die es wagen, die toxische Maskulinität herauszufordern, zum Schweigen zu bringen oder als unzurechnungsfähig darzustellen. “Verrückt“ wird benutzt, um Rassismus, Gewalt und eine Fülle anderer schlechter Verhaltensweisen zu entschuldigen. Diese beiden Wörter zeigen, wie verletzend die Sprache der meisten gegenüber einigen Menschen in unserer Gesellschaft ist.
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Weil ich mir dessen über die Jahre sehr bewusst geworden bin, habe ich es mir zum Ziel gemacht, in meiner Stand-up-Comedy und in meinen Artikeln eine ableistische Sprache zu vermeiden. Das gelingt mir nicht immer, und wenn ich es falsch mache, lerne ich daraus. Mittlerweile habe ich schon ein ganzes Glossar an Wörtern, die ich zu vermeiden versuche – und es kommen jeden Tag neue dazu.
Foto: Astrid Stawiarz, zur Verfügung gestellt von Getty Images und Leigh Vogel/Getty Images
Bildbeschreibung: Maysoon Zayid sitzt vor einem Mikrofon und trägt ein grünes Kleid mit blassrosa Tupfen, während sie eine Komödie aufführt. Ihr Name, Maysoon Zayid, erscheint in schwarzem Text unter ihr.
Ich habe auch Euphemismen aus meinem Wörterbuch gestrichen. “Anders fähig“ und “besondere Bedürfnisse“ mussten weg. Sie sind entmündigend. Unsere Bedürfnisse sind nicht besonders. Sie sind lebensrettende Anpassungen. Es ist an der Zeit, dass die Gesellschaft die Wohlfühlalternativen loslässt und einfach das Wort “be_hindert“ laut und stolz sagt. Die Debatte darüber, ob wir bei der Beschreibung be_hinderter Menschen lieber die Person zuerst oder die Identität zuerst (PZ bzw. IZ) verwenden sollten, ist da schon komplizierter. Diejenigen, die eine PZ-Sprache bevorzugen, machen das, weil sie damit betonen wollen, dass wir zu allererst eins sind: Menschen. Das IZ-Sprachenlager glaubt, dass die Be_hinderung ein integraler Bestandteil dessen ist, wer wir sind, und nicht ein Anhängsel unseres Seins. Die PZ-Sprache ist derzeit der Standard, und ich glaube, dass das nicht der Fall sein sollte. Meine Zerebralparese ist nicht nur meine ständige Partybegleiterin. Ich bin nie ohne sie, deshalb bin ich auch eine be_hinderte Diva und keine Diva mit einer Be_hinderung. Es gibt einige be_hinderte Menschen, die es immer noch vorziehen, als “Menschen mit Be_hinderungen“ bezeichnet zu werden. Das ist ihre Wahl und sie sollten dafür nicht verurteilt werden.
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Trumps geistige Gesundheit, seine intellektuellen und körperlichen Fähigkeiten sind allesamt in Frage gestellt und belächelt worden. Ich sage dazu nur eine Sache: Das ist vor allem für be_hinderte Menschen eine sehr anstrengende Thematik. Jemanden zu diagnostizieren, dem man noch nie begegnet ist, obwohl man noch nicht einmal Arzt ist, ist an und für sich schon falsch. Und Trumps psychische Gesundheit als Sündenbock für sein erbärmliches Versagen zu benutzen, entschuldigt, dass er rassistisch und frauenfeindlich ist. Soweit die Welt weiß, ist Donald Trump nicht geistig be_hindert. Er begeht schreckliche Taten, weil er es will, nicht weil er es nicht besser weiß oder kann. Ihn als debil oder dumm zu bezeichnen, stellt diejenigen mit geistigen Be_hinderungen oder Neuro-Entwicklungsstörungen unfairerweise als gefährlich dar, obwohl diese Menschen in Wirklichkeit mehr Gewalt ausgesetzt sind als ihre nicht be_hinderten Kolleg*innen.
Foto: Maysoon Zayid
BIldbeschreibung: Die Comedienne Maysoon Zayid steht in einem satinblauen Kleid mit leuchtend orangefarbenen Blumen vor einem Mikrofon, während sie Stand-up-Comedy aufführt.
Auch über Inkontinenz sollten wir keine Witze mehr machen. Es ist keine Schande, Erwachsenenwindeln zu tragen. Nur, weil die Blase eines Menschen nicht mehr vollständig funktioniert, heißt das nicht, die Person kann keine erfolgreiche Führungspersönlichkeit sein. Memes, die sich über das Gewicht von Trump lustig machen, sind auch eine Form von Ableismus. Ihn in einem schlecht sitzenden Smoking als “den Pinguin aus Batman“ zu sehen, erinnert pummelige Leute wie mich, Menschen mit Essstörungen und Menschen, die aufgrund ihrer Krankheit an Gewicht zunehmen, daran, dass nicht schlank zu sein von anderen als schlimmer angesehen wird als Trumps katastrophaler Umgang mit der Corona-Krise. Das ist ableistisch und unentschuldbar.
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Ich bin eine Comedienne. Ich bin mit Richard Pryor, George Carlin und Andrew Dice Clay aufgewachsen. Diese legendären Entertainer benutzten jede Verunglimpfung im Buch der schlechten Witze und prägten unterwegs einige neue. Als ich Komikerin wurde, channelte ich meine Idole. Bei meiner allerersten Open Mic Night machte ich mich über die Jungfrau Maria lustig. Meine Gigs waren voll von gewalttätiger Sprache, die ich lustig fand. Das einzige Wort, das ich mich nicht traute, auf oder hinter der Bühne auszusprechen, war das N-Wort. Ich wusste, welches Gewicht und welche Gewalt es besaß. Alles andere war Freiwild. Ich erfuhr erst sehr spät in meiner Karriere, dass ich mich geirrt hatte.
Witze über Pädophile waren meine Spezialität, bis mich eines Abends, nach einem Set, eine Zuschauerin damit konfrontierte. Sie sagte, sie habe so viel Spaß gehabt, bis etwas, worüber ich scherzte, ihre dunkelste und brutalste Erinnerung zurückbrachte. Diese Kritik veränderte mich. Ich entschied, meine Comedy vom Hass zu befreien, nicht, weil die Regierung mich zensiert oder weil ich fürchtete, gecancellt zu werden, sondern weil es meine Aufgabe ist, die Leute zum Lachen zu bringen. Beschimpfungen, die bei meinem Publikum ein Trauma hervorrufen, bewirken das Gegenteil. Anstatt einige wenige für das Lachen vieler zu opfern, beschloss ich, meine Shows inklusiv zu gestalten. Das bedeutete, alle Hassreden loszuwerden, einschließlich des Ableismus. Wie Rassismus, Bigotterie, Frauenfeindlichkeit und Anti-LGBTQ+-Sprache ist auch die verletzende Rhetorik der Nicht-be_hinderten niemals akzeptabel.
Ich möchte, dass das Publikum bei meinen Auftritten einen Mordsspaß hat und sich nicht von meinen Schimpfwörtern triggern lässt. Trigger sind nicht lustig. Diejenigen, die sie benutzen, um Menschen mit gegensätzlichen Meinungen herabzusetzen, löschen die verheerende Realität der posttraumatischen Belastungsstörung aus.
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In den Vereinigten Staaten schützt der Erste Verfassungszusatz unser Recht, eine ableistische Sprache zu verwenden. Die Verfassung der Vereinigten Staaten erlaubt es der Regierung nicht, eine*n Komiker*in oder eine*n Bürger*in wegen Beleidigung ins Gefängnis zu werfen. Aber wenn ein Publikum eine Show auslassen will, die voller Gift statt Humor ist, hat es ebenfalls ein unveräußerliches Recht, das zu tun. Ein Gesetz, das es dir erlaubt, schrecklich zu sein, sollte dich nicht dazu animieren, schrecklich zu sein und es schützt dich auch nicht vor den Konsequenzen, mit denen du als Person klarkommen musst. Worte sind wichtig – deshalb sollten wir sie mit Bedacht wählen.
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Voices of Disability wird von Kelly Dawson herausgegeben, einer Aktivistin für Rechte von Be_hinderten. Sie selbst wurde mit Zerebralparese geboren. Sie hat über ihre Be_hinderung in dem beliebten Podcast Call Your Girlfriend gesprochen und zu diesem Thema für Vox, AFAR, Gay Mag und andere geschrieben. Ihre Arbeit findest du unter kellymdawson.com.

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