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Wie eine Trennung meinen Blick auf Depressionen & Ängste veränderte

Foto: Rochelle Brock.
Schon als Kind hatte ich mit starken Zwängen zu kämpfen. Ich konnte nur aus einem bestimmten Teller essen und bekam Panik, wenn mein Getränk nicht in meiner Arielle-Tasse serviert wurde. Jeden Abend vor dem Schlafengehen musste ich sichergehen, dass ich meine Gebete in der richtige Reihenfolge und natürlich fehlerfrei aufsagte, ansonsten hatte ich das ungute Gefühl, etwas Schlimmes würde passieren – vielleicht stirbt deswegen ja jemand aus meinem engen Umfeld oder ich werde nie wieder Erfolg haben.
Als ich zwölf war, zogen wir in eine neue Stadt, was meine Zwangsstörung nur verstärkte und letztendlich zu einer Depression führte. Ich kannte diesen Ort nicht und hatte Angst, ich würde die Kontrolle über mein Leben verlieren. Und gerade in der Pubertät war ich davon besessen, meine gewohnte „Ordnung“ beizubehalten. Für Außenstehende war das vielleicht nicht nachvollziehbar, aber all die negativen Emotionen hatten die Macht über meine Gedanken erlangt und ich konnte (und wollte) nichts dagegen tun. Lange glaubte ich, dass ich alleine mit meinen Problemen klar kommen könnte und weigerte mich, professionelle Hilfe zu suchen. Ich hielt es so lange durch, bis mich die Trennung von meinem gewalttätigen Ex komplett aus der Bahn warf.
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Das Ende dieser Beziehung riss meine psychischen Wunden nur noch mehr auf, was mir wiederum erneut das Gefühl gab, die Kontrolle über mein Leben zu verlieren. Und während meine Zwangsstörung und die Depressionen nichts Neues waren, musste ich mich nun auch noch mit Angstzuständen auseinandersetzen. Am Ende führte kein Weg mehr an einer Therapie vorbei.
In den letzten vier Jahre habe ich dank regelmäßiger Therapie und der passenden Medizin meinen mentalen Zustand verbessert. Ich laufe nicht mehr mit einer schwarzen Wolke über meinem Kopf durch die Welt und gerate auch nicht sofort in Panik, wenn ich meinen Zwängen nicht nachgehen kann. Und so stolz ich auch auf meine Entwicklung bin, gibt es immer noch eine Sache, die mich in ein emotionales Chaos stürzen kann: Die Suche nach einem Partner. Ich bin der Überzeugung, dass niemand gerne auf erste Dates geht, aber für mich ist es eine regelrechte Tortur.
Meine Zwangsstörung führt dazu, dass ich in jeder Situation die völlige Kontrolle behalten will, doch das ist beim Dating einfach nicht möglich, egal wie sehr ich mich auch um die perfekte Beziehung bemühe. Ich neige dazu alles in meiner Macht Stehende zu tun, damit sich die andere Person gut und geborgen fühlt – selbst wenn das bedeutet, dass ich meine Wünsche dabei außer Acht lassen muss. Ich investiere so viel von mir und doch stehe ich am Ende mit nichts außer einem gebrochenen Herzen da.
Das Lustige daran ist, dass ich nicht durch die Therapiegespräche herausgefunden habe, wie gerne ich diesem Muster in einer Partnerschaft folge. Nein, diese Erkenntnis verdanke ich dem Ende meiner letzten Pseudo-Beziehung: Ungefähr eineinhalb Monate lang waren wir mehr oder weniger liiert. Ich ließ in in mein Zuhause und in meine Welt, was für mich gleichzeitig bedeutete, mich ihm gegenüber zu öffnen und mein Innerstes preiszugeben. Und dennoch konnte ich nicht verhindern, dass er das Interesse an mir verlor. Wie gesagt: Eine Beziehung kann man eben nicht kontrollieren.
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Irgendwann sagte er mir aus dem Nichts, dass er sich mit auch anderen Personen traf. Und obwohl wir nicht offiziell zusammen waren, fühlte ich mich betrogen. Ich hatte doch alles „richtig“ gemacht?! Ich machte mich regelrecht krumm für ihn, nur damit er zufrieden war. Verlassen wurde ich trotzdem und die dunkle Wolke über meinem Kopf fing wieder an sich zu formen.
Die Sache mit meinen psychischen Erkrankungen ist, dass sie leicht zu triggern sind. Verhält sich jemand anders als ich dachte, läuten bei mir alle Alarmglocken und die altbekannte Panik überkommt mich. Dazu macht sich große Verzweiflung breit und gibt mir das Gefühl zu ertrinken.
Einen Tag, nachdem er mir gesagt hatte, dass er sich mit anderen Personen traf, war ich nicht einmal in der Lage einen ganzen Arbeitstag durchzustehen. Ich verließ das Office früher als sonst, damit ich mich den Rest des Tages im Bett verkriechen und weinen konnte. Plötzlich schoss eine Panik durch mich wie ein Blitz und brachte meinen ganzen Körper zum Zittern. Egal wie sehr ich auch versuchte tief ein- und auszuatmen und die Tränen zu stoppen, ich schaffte es nicht mich zu beruhigen. Und während ich so da lag und darüber nachdachte, was meine Nicht-Beziehung mit mir gemacht hatte, wurde mir klar: Ich will es immer allen recht machen. Freund*innen, Familie, Kolleg*innen und Partner*innen – ich lebte von ihrer Freude. Sobald sie unglücklich waren, machte ich mich dafür verantwortlich. Natürlich ist das ungesund, aber so tickte mein Gehirn.
Von dem Moment an war mir bewusst, wie absurd es ist meine Ängste an die Handlung einer anderen Person zu koppeln, denn diese kann ich einfach nicht kontrollieren. Ich wusste, wie destruktiv schlechte Gedanken waren. Immerhin lag es ja nicht an mir, dass die Beziehung scheiterte.
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Dann schwappte meine Trauer in Wut über. Endlich verstand ich, dass meine Erwartungen an mich selbst unmöglich zu erreichen waren. Ich habe nunmal nur die Macht mein eigenes Leben zu beeinflussen. Für die Handlungen und Emotionen anderer Personen bin ich nicht verantwortlich. Und nicht perfekt zu sein bedeutet nicht, dass ich versagt habe, denn Perfektion ist ganz einfach ein in sich bescheuertes Konzept.
Bis ich diese Denkweise in die Tat umsetzen konnte, verging natürlich reichlich Zeit, aber zumindest war ich nun in der Lage meine Depressionen und Ängste von einem anderen Blickwinkel zu sehen. Die Idee, dass ich niemanden zwingen kann glücklich zu sein, half mir dabei, aus diesem obsessiven Teufelskreis auszubrechen.
Heute weiß ich, dass ich meine Ängste zwar nie los werde, aber zumindest versuche ich jetzt nicht mehr immer perfekt zu sein. Und das ist gerade mehr als genug für mich.

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