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Licht am Ende des Tunnels: Wie Therapie mir aus der Depression hilft

Foto: Alexandra Gavillet
Fast zwei Jahre ist es her, dass bei mir eine rezidivierende Depression diagnostiziert wurde. Zwei Jahre, in denen ich viel gelernt, noch mehr geweint und erstaunlich viel gelacht habe. Der Weg zur Heilung ist sehr steinig, keineswegs geradlinig und echt super anstrengend, was einem echt viel Angst machen kann, aber wenn ich mich heute umblicke und meine Fortschritte betrachte, kann ich nicht anders, als stolz auf das zu sein, was ich erreicht habe. Ja, es wird noch mindestens ein Jahr dauern, bis ich nicht mehr als depressive Person gelte – also wenn ich Glück habe. Vielleicht geht es aber auch nie weg, denn so genau kann ich das noch nicht sagen. Ich weiß nur, dass mir die Therapie sehr geholfen hat und dass ich nur jede*m empfehlen kann, es zumindest einmal auszuprobieren.
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Schritt für Schritt aus der Depression

Aus dem einst schüchternen und ängstlichen Häschen ist eine manchmal selbstbewusste Person geworden, die sogar fremde Leute auf der Straße anspricht oder angesprochen wird, weil sie nicht mehr mit total abwehrender Körperhaltung durch die Welt geht. Ich kann jetzt mit der Bahn fahren, ohne Herzrasen zu bekommen, was vor einem Jahr noch undenkbar war. Ich kann mich mit Freund*innen treffen und sage nicht vorher ab, obwohl ich immer noch vor jeder Verabredung nervös werde. Neulich war ich auf einem Konzert und habe keine Panikattacke bekommen, es war fast so, als würden meine sozialen Ängste gar nicht existieren. Natürlich sind sie eigentlih noch da, ebenso wie die Panikattacken, aber wenn jetzt doch mal eine kommt, habe ich mittlerweile die richtigen Werkzeuge zur Hand, um mit ihnen umgehen zu können. Ich habe gelernt, was und wer mir gut tut und wovon oder von wem ich mich lieber distanzieren sollte. Aber vor allem gebe ich auch in depressiven Phasen die Hoffnung nicht auf, dass es irgendwann besser sein wird. All das klingt natürlich fantastisch, ist aber nur ein Zwischenschritt zur mentalen Gesundheit. Ich litt auf dem Höhepunkt meiner Depression an psychosomatischen Schmerzen und Morbus Menière, einer Schwindelkrankheit, die einem das Leben sprichwörtlich auf den Kopf stellt. Irgendwann, es muss vor ein paar Wochen gewesen sein, stelle ich durch Zufall fest, dass meine körperlichen Beschwerden fast weg sind. Ich habe nicht mal bemerkt, dass mir nicht mehr schwindelig war. Ich habe auch nicht gemerkt, dass ich Schritt für Schritt schmerzfrei wurde. Die Veränderungen im Geist und Körper passieren so schleichend, dass man irgendwann verwundert feststellt, dass das Problem weg ist oder zumindest seltener anklopft. Und dann sitzt man in einem Café, trinkt ganz entspannt einen Kaffee und nach einer halben Stunde fällt einem auf, dass man in genau diesem Café vor einem Jahr eine wirklich schlimme Panikattacke hatte, weil es einfach zu voll war und man heute nicht eine Sekunde darüber nachgedacht hat, wie voll es denn ist und dann fällt einem außerdem auf, dass man schon seit Wochen keine einzige Panikattacke mehr hatte. Einfach so. Manchmal habe ich Rückschläge. Bevor ich meinen Vater das erste Mal seit sehr langer Zeit sehen musste, ging es mir sehr schlecht und ich war wieder voll drin in der Symptomatik. Das ist aber normal, denn das heißt, dass ich Dinge angegangen und verarbeitet habe. Direkt nach dem Treffen ging es mir besser als jemals zuvor.
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Wieso Therapie so wichtig ist

Dadurch, dass ich regelmäßig zur Therapie gehe und dort wertvolle Tipps und Tricks an die Hand bekomme, wie ich mich in den schlechten Phase verhalte, wieso ich mich schlecht fühle oder was ich tun kann, damit es mir bald besser geht, entsteht so gut wie niemals das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Ich bin dadurch meiner Depression weniger ausgeliefert und sie tut nicht mehr so weh, denn ich weiß, dass der schlimme Zustand nicht von Dauer ist.
Mit einer Therapie zu starten, kann echt super herausfordernd sein. Nicht nur, dass man sich wirklich aktiv darum kümmern muss, einen Therapieplatz zu bekommen, man muss in der Regel auch lange auf einen freien Platz warten. Das ist sehr schlimm für Menschen in der Krise und war rückblickend betrachtet auch die größte Herausforderung für mich, da sich viele depressive Menschen ja einbilden, dass Therapie eh nichts bringt. Aber sie bringt etwas. Mir zumindest. Natürlich gibt es Menschen, für die eine Therapie nicht der richtige Weg ist. Das ist dann noch frustrierender und ich kann nicht erahnen, wie man sich dann fühlt. Ich kann nur berichten, wie es ist, wenn sie wirkt.
In der Therapie habe ich gelernt, dass ich mich nicht meinem Schicksal ergeben muss, sondern aktiv etwas dafür tun kann, endlich glücklich zu werden. Ich habe gelernt, woher meine Ängste kommen und wieso mich manche Menschen oder Situationen so unfassbar traurig machen. Ich habe gelernt, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich traurig bin, und dass die Traurigkeit nicht unendlich ist. Ich habe gelernt, dass ich mich mit blöden Menschen und blöden Lebenssituationen nicht abfinden muss, sondern einfach etwas an meiner Situation ändern kann. Ich habe nicht nur in meinem Freundeskreis ausgemistet, ich habe auch eine ziemlich beknackte Beziehung beendet.

Wenn aus Selbstmitleid Selbstliebe wird

„Bohr, bitte werde jetzt nicht so eine selbstverliebte Egomanin!“ Das war wirklich ein Spruch, den ich mir zu Beginn meiner Therapie anhören musste. Tatsächlich werden einige Leute in deinem Umfeld nicht verstehen, wieso du plötzlich auf dich Acht gibst oder wieso du jetzt ab und zu mal Stopp sagen wirst, wenn deine Grenzen überschritten werden. Es ist nämlich so, dass es nicht so gerne gesehen wird, wenn man „nein“ sagt. Es ist aber sehr wichtig, auch mal „nein“ zu sagen, um bei sich zu bleiben, weniger verletzt zu werden oder einfach auf sich zu achten. Dieses Verhalten, also das Abgrenzen zu Menschen und Situationen, die einem nicht gut tun, wird von anderen Menschen gerne als egoistisch wahrgenommen, weil es sie verletzt oder sie es schlichtweg nicht gewohnt sind, dass man sich auf diese Art und Weise abgrenzt. In der Tat ist es aber nichts Schlimmes, wenn man ein bisschen netter zu sich selbst ist und seine Grenzen kennt. Anstatt sich also ständig in Situationen zu begeben, in denen Grenzen überschritten werden und es dir dadurch schlecht geht und du in Selbstmitleid zerfließt, wirst du in der Therapie lernen, was du willst und wer du bist und wann es einfach mal an der Zeit ist „nein“ zu sagen. Das hat etwas mit Selbstliebe zu tun, die eigenen Grenzen zu akzeptieren und darauf zu achten, dass man nicht verletzt wird. Nur wenn du lieb zu dir bist, lernst du, wie wertvoll du bist. Mir ist klar, dass es manchmal einfach Situationen gibt, in denen man sich mit Menschen abgeben muss, auf die man keinen Bock hat. Oder dass man Dinge tun muss, die nerven. Es geht eher darum, die Bereiche, in denen ich selbst bestimmen kann, wie ich leben möchte, auch wirklich selbstbestimmt zu gestalten. Ohne die Therapie hätte ich nie gelernt, was ich will und was ich wert bin und ich hätte nie gelernt, auf mich zu achten. Und das ist – obwohl noch so ein weiter Weg vor mir liegt – etwas Wunderbares.
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