Ich bin Schriftstellerin und Komikerin und habe mich im Laufe meines Lebens darauf spezialisiert, ohne konkreten Anlass oder bestimmten Grund auszuflippen. Um mich wieder einzukriegen, habe ich monatelang Headspace – eine App, die vielbeschäftigten Menschen Meditation zugänglich macht und auch für Anfänger:innen geeignet ist – ausprobiert. Vor Kurzem unterhielt ich mich mit Andy, einem ehemaligen buddhistischen Mönch und dem Gründer dieser Anwendungssoftware, darüber, wie man in typischen angstauslösenden Situationen wieder zur Ruhe kommen kann.
Situation #1
Ängstliche Person: „Ich muss eine E-Mail verfassen und mache mir viel zu viele Gedanken darüber. Alles, was ich wirklich zu tun habe, ist, die andere Person zu fragen, wann denn ein guter Zeitpunkt für ein gemeinsames Treffen wäre. Stattdessen zerbreche ich mir aber den Kopf und formuliere den Inhalt unzählige Male um. Außerdem ändere ich die Betreffzeile unnötig oft um: von ‚Treffen‘ auf ‚Treffen?‘, von ‚Hallo!‘ auf ‚Hey hey hey!‘, und dann letztlich auf ‚Bitte akzeptiere mich einfach als der fehlerhafte Mensch, der ich nun einmal bin‘. Als ich anfange, an diesem blöden Text herumzubasteln, ist es hell draußen. Als ich endlich damit fertig bin, scheint aber bereits der Mond vor meinem Fenster.“
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Meditationsexperte: „Im Allgemeinen würde ich dazu raten, ein paar Male tief ein- und auszuatmen, bevor du damit beginnst, eine wichtige E-Mail zu schreiben. Dieser Ratschlag hört sich so simpel an, aber der Atem und der Verstand sind eng miteinander verbunden. Wenn wir uns die Zeit nehmen, kurz vor einer bedeutenden Aufgabe richtig durchzuatmen, kann das deinen Geist wirklich beruhigen. Ich empfehle immer, den Text nur einmal durchzulesen. Achte dabei auf die Anwendung der richtigen Zeitform, den Tonfall und das Vokabular, das du verwendest. Zähl danach von eins bis drei und versende deine Nachricht. Wenn du den Inhalt nur einmal liest und den 1-2-3-Trick verwendest, verpflichtest du dich dazu, die E-Mail im selben Moment und am selben Ort abzuschicken, ohne immer wieder drüberzulesen und Passagen umzuformulieren.“
Situation #2
Ängstliche Person: „Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich Gespräche in meinem Kopf führe, die gar nicht stattgefunden haben und es wahrscheinlich auch nie werden. Vor einer Minute erst hatte ich einen fiktiven Streit mit meinem Ex-Freund. An dieser Stelle möchte ich auch klarstellen, dass bloß die Auseinandersetzung imaginär war, nicht der Freund an sich. Den gibt es nämlich tatsächlich. Das Positive an diesen inneren Konflikten mit ihm ist, dass ich die Diskussion jedes Mals aufs Neue gewinne. Das Negative daran ist aber, dass mir das im Endeffekt überhaupt nichts bringt.“
Meditationsexperte: „Das ist nichts Außergewöhnliches und passiert den meisten von uns recht häufig. Es kommt aber sehr oft vor, dass wir uns dieser Unterhaltungen gar nicht bewusst sind, was uns bloß unnötig aus der Bahn wirft. Deshalb rate ich dazu, einen Weg zu finden, uns Informationen stärker und schneller ins Bewusstsein rufen zu können. Durch tägliches Meditieren können wir es schaffen, uns nicht nur unserer alltäglichen organisatorischen Gedanken bewusster zu werden, sondern auch der zugrunde liegenden Konversation, dem laufenden Kommentar, der in unserem Kopf existiert. Wenn wir uns all das vor Augen führen, fangen wir damit an, uns weniger intensiv daran zu beteiligen.“
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„In dem Moment, in dem wir erkennen, dass wir einen inneren Dialog führen, verschwindet er irgendwie oder rutscht zumindest etwas in den Hintergrund. Du fragst dich dann vielleicht selbst: ‚Meine Güte, warum denke ich überhaupt darüber nach?‘ Sobald dir klar wird, dass du eigentlich abgelenkt bist, bist du dir auch auf einmal dieser Konversationen bewusst. Wir haben wirklich keine andere Wahl, als präsent zu sein und unsere Aufmerksamkeit dem zu schenken, was wir in diesem Augenblick erleben.“
„Die meisten von uns finden es schwierig, ihren Weg zurückzufinden, wenn sie merken, dass sie abgelenkt sind oder ihre Gedanken abschweifen, und versinken nur noch mehr in Ablenkung. In einer solchen Situation empfehle ich, sich mit einer Art Anker zu behelfen – und was ankert am zuverlässigsten als der Atem? Er steht uns tatkräftig zur Seite, egal, wohin wir auch gehen. Du musst nicht meditieren. Du kannst überall sein und gerade alles Mögliche tun. Wenn du aber in diesem Augenblick merkst, dass du nicht fokussiert bist, kannst du dich auf deine Atmung konzentrieren. Falls nötig, kannst du auch deine Hand auf deinen Bauch legen und die Empfindung der Atembewegung auf diese Weise nachverfolgen. Das kann dir als Stütze dienen und wird dich davon abhalten, sofort wieder in das Gespräch zurückzuspringen, das du gerade noch in deinem Kopf geführt hast.“
Situation #3
Ängstliche Person: „Ich habe ein Vorstellungsgespräch in großem Stil vermasselt. Jetzt schäme ich mich in Grund und Boden und zweifle ernsthaft an mir und meinen Qualifikationen. Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob ich es überhaupt in mir habe, jemals wieder einen Job an Land zu ziehen. Meine blöden Kommentare während des Gesprächs suchen mich pausenlos heim und geben mir keine Ruhe. Ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen, dass ich meine Chancen auf diese Stelle ruiniert habe. Hilfe!“
Meditationsexperte: „Versuch, alles Geschehene so weit wie möglich loszulassen. Das ist eine Frage der Achtsamkeit, mit etwas umzugehen, das bereits passiert ist und woran du sowieso nichts mehr ändern kannst. Ich erinnere mich daran, dass ich früher einmal wöchentlich Dinge aufschrieb, die nicht gut gelaufen waren und an denen ich noch festhielt. Ich erlaubte mir, 30 Sekunden lang Bedauern darüber zuzulassen. Suhlst du dich aber in diesem Gefühl, kommt dir das nicht zugute. Du kreierst so nur einen sich wiederholenden Gedankenzyklus, mit dem du dich selbst nur unnötig quälst. Ich bin mir bewusst, dass 30 Sekunden sehr kurz sind. Du solltest ihren Effekt aber nicht unterschätzen. Es ist ganz normal, dass man darüber nachdenkt, was man gerne anders gemacht hätte, und sich dementsprechend schlecht fühlt. Wenn du diese Gedanken und Gefühle aber einmal gespürt hast, haben sie ihren Zweck erfüllt. Dich weiter mit dieser Negativität zu befassen, wird auch nichts mehr an deiner Lage ändern. Es geht darum, deine Situation in aller Klarheit zu sehen, sie auf eine mitfühlende Art anzuerkennen, nicht wertend dir gegenüber zu sein und letztlich all das loszulassen.“
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