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Femininität ist keine Dummheit: Mädchensein heißt nicht gleich, blöd zu sein

Illustration: Anna Sudit.
Lackierte Fingernägel, kurzer Rock, viel Schminke: so eine blöde Tussi! Aber warum eigentlich? Schließen sich Femininität und Verstand aus? Warum die Teen Vogue diese Frage besser beantwortet als die New York Times und du in manchen Dingen genauso bist wie alle anderen Mädchen.
Vor einiger Zeit machte ein Screenshot die Runde. Darauf zu sehen waren die beliebtesten Artikel der amerikanischen Zeitschrift Teen Vogue. Zwischen Tipps für das richtige Auftragen von Glitzernagellack und die Behandlung von Akne fanden sich Artikel, die tiefgehend über Präsident Trumps Manipulation der amerikanischen Bevölkerung berichteten, oder über die beunruhigende Einstellung seines Vizepräsidenten zu LGBTQ-Themen. Nicht nur Twitter-User und Online-Kommentatoren waren verwundert und belustigt zugleich über diese Liste der beliebtesten Veröffentlichungen. Auch Autoren großer, seriöser Zeitschriften, wie der New York Times, haben amüsiert angemerkt, dass es ausgerechnet eine Teenie-Zeitschrift war, die solch politische Artikel veröffentlicht hat.
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Aber warum waren all diese Menschen verwundert? Warum überrascht es gerade erfahrene Journalisten, dass die Leserschaft der Teen Vogue nicht nur an der richtigen Glitzernagellack-Technik interessiert ist, sondern auch daran, wie ihre Rechte in Zukunft von weit rechts stehenden Politikern beschnitten werden könnten? Es wird doch nicht so sein, dass diese Medienprofis, die innenpolitische Skandale, internationale Kriegsgeschehen und wirtschaftliche Verwicklungen erfassen und in ihren großen Zeitungen erklären, sich nicht vorstellen können, dass die Interessen von Teenagern mannigfaltig sind? Dass sie sich für das Abdecken von Akne-Narben genauso interessieren, wie dafür, ob sie irgendwann mal ihre Freundin heiraten dürfen?
Oder fußt das Staunen über politisches Interesse der jungen Menschen eher darauf, dass es vornehmlich weibliche Jugendliche sind, an die sich die Teen Vogue richtet? Denn Medien und die Gesellschaft urteilen scharf über die Jugend und werfen ihr von Hedonismus bis zu politischer Ignoranz allerlei egoistische Wesenszüge an den Kopf. Aber noch ein wenig härter und noch ein wenig gemeiner werden junge Frauen und ihre Oberflächlichkeit kritisiert.
Nicht umsonst ist es das absolute Todesurteil für ernst zu nehmende Künstler, wenn junge Frauen sie gut finden. Justin Biebers Musik, John Greens Bücher, Filme der Twilight-Reihe: Ohne eine Qualitätsdebatte über diese Künstler und ihre Werke beginnen zu wollen, muss man doch festhalten, dass es verblüffend ist, wie viel Spott ihnen entgegenschlägt, obwohl sie doch alle zumindest kommerziell erfolgreich gewesen sind.
Ob es nun der Grund dafür ist oder die Folge dieses doppelten Standards: In den Medien hat sich ein eindeutiges Bild festgesetzt. Jugendliche Mädchen sind zu gefühlvoll, zu albern, schlichtweg zu uncool. Sie und ihre Verhaltensweisen sind nur ein müdes Lächeln wert. Will eine junge Frau ernst genommen werden, muss sie all ihre Quirligkeit, all ihre Mädchenhaftigkeit ablegen. Nur wenn sie das tut, erhält sie dann irgendwann das größte Kompliment: „Du bist nicht so wie die anderen Mädchen“. Wer jetzt denkt „Gott sei Dank bin ich kein Teenager mehr!“ sei unbesorgt: Das hört nicht auf, selbst wenn das Label „junger Erwachsener“ schon längst abgelegt wurde. Je älter man wird, je weiter man karrieretechnisch aufsteigt, desto weniger werden die femininen Frauen.
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Die Ironie an der ganzen Sache schlägt einem aber so oder so irgendwann ins Gesicht. Dann wird einem klar, dass es nicht cool ist, sich selbst und die Dinge, die man mag, zu verleugnen. Ob man nun lieber Rock oder Hose trägt: Sich permanent von Mädchenhaftigkeit abzugrenzen und sich als „nicht wie die anderen“ zu positionieren kostet Kraft und bringt einen um viele potenzielle Freundinnen. Freundinnen, die man dringend braucht, wenn man bestehen will in einer Welt, die Ansprüche an einen stellt und fallstrickartig Erwartungen vor einen spannt, über die man ständig stolpert, egal wie sehr man sich bemüht.
Illustration: Anna Sudit.
Das bedeutet leider nicht, dass Vorurteile über feminine Frauen nicht auch unter anderen Frauen Verbreitung finden. In kleiner Runde wird dann gerne über das “tussige“ Aussehen von dieser und jener gelästert und getratscht. Aus Erfahrung kann ich sagen: Hinter den gehässigen Kommentaren versteckt sich scheinbar oft die Furcht davor, selbst anzuecken. Weil man früher vielleicht selbst mal verspottet worden ist für seine mädchenhaften Verhaltensweisen und Vorlieben.
Neben all den Lektionen, die man im Laufe seines Lebens als Frau lernt, ist nämlich die bitterste, aber gleichzeitig auch schönste, dass man in Teilen genauso ist wie alle anderen Frauen. Nicht auf die „Meine Freundin, kennste, wa?!“-Art von Mario Barth. Eher auf eine „I Feel You“-Art. Das sieht man in Kleinigkeiten wie den Blasenpflastern auf den Füßen vieler Frauen. Weil die Gesellschaft es trotz Errungenschaften wie Weltraumexpeditionen, Klonen und Genmanipulation noch nicht geschafft hat, bequeme Sommerschuhe für Frauen zu entwickeln, die nicht aussehen wie Gesundheitsschuhe. Das sieht man aber auch in den großen Dingen. Wenn etwa erfolgreiche Frauen berichten, dass sie verbissener und härter arbeiten müssen, um auf die gleichen Positionen zu kommen wie durchschnittliche Männer.
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Zu sagen „Ich bin nicht so wie die anderen Mädchen“ würdigt zum einen all die großartigen Frauen um einen herum ab, die ihre feminine Seite ausleben. Zum anderen setzt es aber auch wahnsinnig viel Druck auf einen selbst. Weil diese krampfhafte Abgrenzung Kraft kostet.
Deshalb ist es so wahnsinnig heilsam, dass es mehr und mehr Zeitschriften für junge Frauen, wie die genannte Teen Vogue, gibt, die mehrere Interessensgebiete abdecken. Sie geben jungen Frauen die Möglichkeit, sich ohne Druck und Grenzen mit Dingen zu beschäftigen. Das können Schminktipps sein, aber auch Essays von Hilary Clinton, Artikel über verschlüsselte Nachrichten oder einfach nur Serientipps auf Netflix.
Gleichzeitig ist es aus denselben Gründen auch so wahnsinnig ärgerlich, dass man sich darüber lustig macht, dass dieses Konzept aufzugehen scheint. Denn offensichtlich wollen junge Frauen neben Beauty-Tipps und Tricks auch durchaus über politische Themen lesen. Das ist nicht witzig. Es ist eher traurig, dass es 2017 immer noch eine Meldung wert ist, dass junge Frauen menschliche Wesen mit Facetten sind und keine wandelnden Stereotype.

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