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Warum es großartig ist, eine Freundin zu haben, die meine Oma sein könnte

Illustration: Anna Sudit
Mein Herz schlägt eben für Vintage: Ich schmücke meinen Kleiderschrank mit Teilen vergangener Tage, meine Wohnung mit Retro-Möbeln und meinen Freundeskreis mit älteren Ladys. Was fast wie ein Scherz klingt, ist eine Tatsache, über die ich sehr glücklich bin. Ladys mit Stil, einem großen Herzen und spannenden Storys von früher darf ich zu meinen Freundinnen zählen: Ein Immobilien-Mogul aus Afrika, ein ehemaliges Model aus Hamburg und eine Richterin im Ruhestand aus Berlin. Sie alle vereint, dass sie alle knapp 40 Jahre älter sind als ich.
Nicht nur, dass ich immer wieder stolz auf Frauen bin, die im Alter mit Grazie durchs Leben gehen – wie meine Freundin Abi, ich sah zuerst ihre Versace-Tasche – oder eben kick-ass-jugendlich geblieben sind – wie meine Freundin Bettina, sie trägt immer Chucks und ein fettes Grinsen. Nein, ich bin auch dankbar dafür, wenn ich etwas über Zeiten erfahre, in denen ich noch nicht auf der Welt war. Das ist es, warum ich jeder Frau nur empfehlen kann, sich mit älteren Menschen anzufreunden. Die BFF mit dem gewissen Altersvorsprung erweitert den eigenen Horizont – und andersrum genau so. Es ist doch so: Dialoge mit anderen Generationen öffnen nicht nur unser Herz, sie öffnen auch unseren Blick. Ich lerne von ihnen und sie von mir.
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Eh klar, haupsächlich habe ich den IT-Part in der Freundschaft. Meine Freundin Bettina ist ein Facebook-Pro, doch Instagram haben wir dann doch lieber zusammen eingerichtet. Oder wenn Abi ihre Lesebrille nicht dabei hat, dann lese ich, was auf der Flasche Wein steht. Soll aber nicht so klingen, als würden die „Alten“ meine Hilfe und Pflege brauchen. Meine Freundinnen sind coole Socken, unabhängige, starke Ladies, aber sie genießen es, mit einer jungen Frau zu sein. Wir schmücken unser Leben gegenseitig miteinander.

Wie war das mit der freien Liebe in den 68ern? Was habt ihr jungen Leute bloß mit Tinder? Der gerationsübergreifende Dialog ist wichtig und wunderschön

Ich flog nach Äthiopien uns saß trotz Umsteigen zweimal neben der gleichen mondänen Lady. Abi lachte und sagte: „Ich glaube nicht an Zufälle. Wir sollen Freundinnen werden.“ Eine Szene die ich nie vergessen werde. Ein paar Tage später holte sie mich in Addis Abeba mit dem Auto ab und wir fuhren zu ihr, wo wir speisten und Wein tranken. Ich erzähl ihr von meinem Leben, meinen Ansichten – sie zeigt mir die Fotos von früher, als sie in meinem Alter war und was sie übers Leben als wichtig herausgefiltert hat.
Auch das Kennenlernen mit Bettina war herzlich. Ich las über diese Frau aus Hamburg, die in den 60ern ein internationales Topmodel war und vereinbarte ein Interview. Kurz darauf saßen wir in ihrer Küche aßen und tranken Weißwein. Jetz ist es so: Wenn sie in Berlin ist, besucht sie mich, wenn ich in Hamburg bin, besuche ich sie. Ich komme zu ihrer Vernissage (sie ist heute Malerin) und sie kommt mit mir zum Hip-Hop-Konzert. Wir reden über Sex im Alter und Glaubenssätze. Wir sind nicht immer einer Meinung und doch schätzen wir die der anderen und denken uns gegenseitig in unsere Welten.
Meine Freundin Anita traf ich im Zug. Wir kamen ins Gespräch und sie fragte: „Darf ich Sie auf ein Tasse Tee einladen?" Aber sicher! Es stellte sich heraus, dass diese interessante Dame eine Richterin im Ruhestand ist und sich den Jura-Weg hart erkämpft hat. Sie erzählt mir von der Zeit, in der in Deutschland kaum eine Frau als Richterin arbeitete und pauschal auch nicht ernst genommen wurde. Dieser starke Mensch erzählt mir viele starke Geschichten. Und möchte mich immer mit ihrem Enkel verkuppen, auch Jurist...
Die Freundschaften zu den älteren Damen bedeuten mir viel – sie prägen mich und lehren mich viel: Also, wenn wir heute über Female Empowerment sprechen, dann müssen wir den Frauen in der Generation unserer Großmütter danken. Wären sie nicht so ambitioniert, teils starrköpfig und mutig gewesen, dann hätten wir Frauen heute deutlich weniger Chancengleichheit. Feminismus bedeutet für mich, sich mit Frauen zu solidarisieren, gemeinsam nach Vorne zu gehen – und dafür muss man auch mal in die Vergangenheit schauen. Denn Sisterhood kennt kein Alter.

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