Thema wird es spätestens, wenn wir ins Alter der Midtwenties kommen: Die alte Freundin aus der Abiklasse heiratet. Die Schwester von unserem Nachbarschaftsschwarm auch. Und hey, gestern kam die Kollegin aus der Kreativabteilung strahlend mit einem ordentlichen Klunker am Finger in den Konferenzraum. Schwups sind wir Ende 20/Anfang 30 und der Sommer ist gespickt mit der klassischen Landhochzeit im Juni, der Hippietrauung auf dem Hausboot im August, dem festlichen Zusammenkommen im Herbst und der Winterwunderland-Hochzeit ganz kurz vor Weihnachten. Spätestens dann stellt sich die Frage: Will ich das auch? Und wie will ich das eigentlich? Gerade wir, als Generation Emanzipation, als Girlbosses und Powerfrauen, geraten schnell in einen Zwiespalt: Wollen wir wirklich unser Image als starke, unabhängige Frau aufgeben und das nur um an einem Tag im Leben in einem leichten Traum in Weiß auf der Tanzfläche zu schweben, einen Ring an den perfekt manikürten Finger gesteckt zu bekommen und tränenreich „Ja“ zu hauchen?
JA! Oder zumindest: Warum nicht? Nur weil man sich einen märchenhaften Tag wünscht, ändert das lange nichts an unserer Fähigkeit stark zu sein, Entscheidungen zu treffen und selbstbewusst durchs Leben zu gehen.
Zur Emanzipation gehört meiner Ansicht nach nicht nur das Image der selbstbewussten Alleskönnerin zu halten, sondern auch Frau sein zu dürfen, Mädchen sein zu dürfen. Auch mal Schwäche zeigen, Emotionen und natürlich Tränen. Jahrelang wurde uns in den Medien eingebläut, der Hochzeitstag sei der Schönste Tag im Leben. Das muss nicht sein. Es kann aber ein sehr, sehr toller Tag, mit einem sehr besonderen Menschen sein, den wir einfach zelebrieren wollen. Es ist kein Partner oder eine Partnerin nötig, um mich zur vollwertigen Frau zu machen, mein Glück ist nicht eine einzelne Person gekoppelt – aber vielleicht ist es ein Wir, das ich brauche, ein Gemeinsam, damit ich vollständig bin.
Sind wir doch ehrlich: Nur weil wir morgens im Büro die Unterschriftengewalt über mehrere zehntausend Euro haben, mittags ungeniert und selbstsicher mit Freundinnen über Sex Toys sprechen (weil wir das dürfen, können, mögen) und vielleicht die sind, die abends später heim kommen und sich nicht mehr an den Herd stellen, heißt das doch nicht, dass wir nicht jemanden haben wollen, der ganz bedingungslos Ja zu uns sagt, uns liebt in guten wie in schlechten Zeiten, dass wir nicht am Tag der Hochzeit trotzdem märchenhaft schön aussehen wollen und ja, eventuell gefällt uns sogar das kitschige Diadem im Haar.
Aber es gibt noch etwas, dass mich Ja zum Heiraten sagen lässt: Heiraten kann unfassbar cool, selbstbewusst und emanzipiert sein. Brechen wir es herunter auf das, was es ist: Zwei Menschen, die sich lieben, und das wissen und zelebrieren, entscheiden sich, auch vor dem Gesetz füreinander verantwortlich zu sein. Das ist von weißem Schleier erstmal meilenweit entfernt. Zwei Menschen, die sich besser kennen als jeder andere, entscheiden sich, das auch nach außen, vor Staat und Gesetzgebung offiziell zu machen. Das ist schön und wundervoll, in erster Instanz aber ein Akt zwischen genau zwei Menschen. Nicht mehr, nicht weniger.
Was danach kommt und wie diese Verpflichtung gefeiert wird, kann ganz individuell sein und muss meiner Ansicht nach ausschließlich den Wünschen des frischgebackenen Ehepaares entsprechen. Tradition? Kann schön sein, aber auch ein Korsett, das vor allem Angehörige, Freunde und Gesellschaft schnüren, weil es eben bestimmte Erwartungshaltungen und Vorstellungen gibt. Eröffnungstanz? Bitte langsam und klassisch. Brautübergabe durch den Vater? Gehört sich so. Wer hat die Hand beim Tortenanschnitt oben? Entscheidet über die zukünftige Machtverteilung in der Ehe.
Blödsinn sage ich und wie ich weiß, sehen einige meiner Freundinnen und Bekannten das ganz genauso. In einer Zeit, in der wir als Frauen gleichberechtigt sind, haben Bräuche wie diese meiner Meinung nach nichts zu suchen – oder sollten zumindest nicht bierernst genommen werden. Ich möchte nicht von meinem Vater an den Bräutigam übergeben werden. Wieso? Weil das aus einer Zeit stammt, in der die Frau dem Mann quasi gehört hat und die Verantwortung aber auch die Bestimmung über eben diese von Vater an Mann übergeben wurde. Ich aber bin schon seit Jahren aus der Verantwortung meines Vaters entwachsen – besser noch: Er hat mich zu einer unabhängigen, selbstbestimmten Frau erzogen, die seine Hand nicht braucht, es sei denn sie will sie und greift danach.
Aber deswegen nicht heiraten? Eine gute Bekannte von mir und ihr Freund sind einfach Hand in Hand gemeinsam zum „Altar“ geschritten (der wohlgemerkt auf einer Wiese stand und hinter dem ein freier Redner amüsante Anekdoten verraten hat). Das hat doch was: Die erwähnten zwei Menschen schreiten gleichberechtigt in ein neues Kapitel ihres gemeinsamen Lebens.
Hochzeitstanz? Ich kann weder Walzer noch Diskofox, kein Two Step und auch sonst keinen noch so winzigen klassischen Tanzschritt. Und ich möchte auch nicht allein mit meinem Partner auf der Tanzfläche stehen und vor allen Gästen so tun, als wäre dieser Präsentierteller total romantisch und intim. Mein Freund tanzt ein bisschen so, als hätte er einen epileptischen Anfall wenn er den Drinks zu sehr zugesprochen hat. Zumindest manchmal. In jedem Fall trifft er den Takt selten. Ich liebe ihn, aber das muss er nun wirklich nicht vor 100 Gästen demonstrieren – auch weil er es sicherlich nicht wollen würde. Ich tanze gern und ich hoffe auf meiner eigenen Hochzeit mindestens so lange zu tanzen, bis ich die Schuhe ausziehen muss und barfuß weitermache – aber eben gemeinsam mit allen, die diesen Tag mit uns feiern.
Ich hasse Kuchen. Inbrünstig, wie Kinder oft Oliven oder Kapern ablehnen. Wenn es einen Hochzeitskuchen geben sollte, dann einen, von dem ich mich fernhalte. Und den muss ich auch nicht gemeinsam mit meinem Freund anschneiden, das macht zuhause nämlich er – weil ich ja eh nichts davon esse.
Wenn ich an eine Hochzeit denke, dann denke ich an ein tolles Beisammensein mit meinen Liebsten. Mit meinem Freund, der Homie, Lover und Friend in einem ist, mit meiner leicht durchgeknallten Familie, meinen mehr oder minder durchgeknallten Freunden. Einer tollen Party mit tollem Essen, noch besseren Drinks und einem DJ, der dafür sorgt, dass spätestens um Mitternacht alle twerkend vornübergebeugt sind, wenn der 90s-HipHop meiner Jugend den Boden bassbeben lässt. #headtothetoe
Ich denke an tolle Sommernächte, die wir schon jetzt gemeinsam verleben. Wach sein, bis die Wolken wieder lila sind, in einem Haus am See; Momente in denen ich meinen Partner anschaue – gerne im Kreis unserer Freunde – und denke: Das ist er, den will ich mein Leben lang anschauen und wissen, wir sind Partner in Crime. Dieses Gefühl möchte ich auf meiner Hochzeit haben. Und Ladies: Darum und um nichts anderes soll es gehen. Ich will dass meine Freunde bei mir sitzen, wenn sie es denn wollen und meine Familie Spaß hat. Sitzordnung? Wieso? Wieso ist es bei einer Hochzeit wichtig, wer neben wem sitzt? Wenn überhaupt wird rotiert – und das auch nur, weil ich der Meinung bin, dass der süße Freund meines Zukünftigen, ganz hervorragend mit meiner Singlefreundin harmonieren würde, aber wenn nicht, wenn ich mich irre – wie Menschen es nun mal von Zeit zu Zeit tun – dann sollen die beiden Armen nicht den ganzen Abend beieinander sitzen müssen.
Sehen wir es doch mal so: Im Endeffekt geht es um die Liebe zweier Menschen. Und die will man natürlich auch mal nach draußen schreien, eben auch, wenn wir im Job jeden Tag wieder darum kämpfen zu zeigen, dass wir, ganz allein wir, alles schaffen können, Power haben und uns nicht unterbuttern lassen. Die Ehe ist nicht mehr und nicht weniger als ein Bund, für den wir uns (und darüber kann man auch in der heutigen Zeit noch dankbar sein, denn das ist bei weitem nicht überall so) ganz bewusst und selbst entscheiden. Wenn man weiß, dass man zusammengehört, egal ob es auf einem Papier geschrieben steht oder nicht, dann kann man das eben auch auf ein Papier schreiben. Kapitel hat das Leben so viele, dass man auch dieses nicht ungelesen und ungeschrieben lassen muss.
Heiraten hat heute für uns nichts mehr mit dem „Muss“ zu tun, welches in der Jugend unserer Großeltern galt. Wir müssen weder heiraten, weil die Gesellschaft das so möchte, weil wir nur dann zusammen ziehen dürfen, weil man sonst schief angeschaut wird oder die Familie das vorsieht: Wir heiraten aus Liebe und genau deswegen sage ich ganz laut und deutlich Ja dazu. Wir ziehen aus Liebe zusammen, reisen aus Liebe um den halben Globus und tun so viele Dinge für dieses Gefühl, das uns alle am Leben hält. Hochzeit ist ein wunderbarer Schritt, einer der nicht traditionsbesetzt sein, keine Erwartungen erfüllen und auch niemanden außer uns selbst glücklich machen muss. Also: Durchatmen, sich aus dem Korsett befreien und Ja sagen – wenn man es denn möchte!
WerbungWERBUNG