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Rupi Kaur als Alltagshilfe: Darum finde ich Trost in Instagram-Poesie

Foto: Lauren Maccabbee
Instagram-Poeten sind die Antwort der Millennials auf die klassische Lyrik. Und ebenso wie jede neue Bewegung der Dichtkunst ihrerzeit, gerät auch die Instagram-Poesie gerade ins Kreuzfeuer von Zynismus und Geringschätzung. Zum einen, da uns die kurzen Drei-, Vier- oder Fünfzeiler meist in einem zugegebenermaßen kitschigen und schmackigen Schreibmaschinenschrift über den Weg laufen (der*die Dichter*in! An einer Schreibmaschine! Das Sehnsuchtsmotiv!). Zum anderen, da sich unter den vielen Gedichten und Poesie-Fragmenten auf Instagram auch wirklich extrem viel pathetischer Schmonz versteckt. Haus-Maus-Reime, die eher klingen wie ein Songfragment von Revolverheld als richtige Poesie. Aber genau hier liegen für mich die Kunst und der Reiz, den wirklich gute Instagram-Poesie ausmacht.
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Meine erste Begegnung mit Instagram-Poesie war der Account von der inzwischen weltweit erfolgreichen Sensation Rupi Kaur im Jahre 2014. Die Indo-Kanadierin beschäftigt sich in ihren kurzen und prägnanten Zeilen besonders mit dem Thema Frausein, Verletzlichkeit, der Frage nach Herkunft und Heimat (sie selbst ist eine in Indien geborene Sikh, die mit ihren Eltern nach Kanada immigrierte) – und traf damals bei mir einen Nerv. Ich hatte gerade eine unschöne Trennung hinter mir und mein Leben lag mehr oder weniger in emotionalen und finanziellen Trümmern.
Die kleinen Gedichte und die schlichten Zeichnungen holten mich zu der Zeit einfach ab und gaben mir das Gefühl, dass ich nicht allein bin mit dem riesigen Kackhaufen, in dem ich saß. Und obwohl ich wirklich gerne lese, wäre ich vermutlich nicht auf die Idee gekommen, Auswege aus meinem Kummer in Gedichtbänden zu suchen. Dafür war ich viel zu sehr damit beschäftigt, möglichst nicht mit mir alleine zu sein.
Das istim Übrigen auch ein weiterer Grund für den Erfolg der Instagram-Poeten: Das Medium, das sie gewählt haben, um ihre Botschaften hinauszutragen, ist allgegenwärtig, global und unmittelbar vernetzt. Die Gedanken und Worte erreichen mit wenigen Klicks eine weltweite Leserschaft, die das Geschriebene wiederum teilt. Da können Verlage und Bibliotheken nicht mithalten.
In gewisser Weise macht das die Poesie auf Instagram auch zu einem Mittel des Protestes. Wie digitale Flugblätter können die Dichterinnen und Dichter ihre Botschaft in die Masse schmeißen. Die Worte der Insta-Poetin Nayyirah Waheed etwa wurden besonders vom Frauenaktivistinnen aufgegriffen. Über Nayyirah selbst ist wenig bekannt, wie auch Rupi Kaur beschäftigt sie sich in ihren Gedichten mit den Themen Feminsimus, Liebe, Herkunft und Identität.
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Obwohl das Thema Insta-Lyrik mit Sicherheit zu einem Großteil von Frauen aufgenommen wird, gibt es dennoch extrem erfolgreiche Männer in dieser Zunft. Atticus gehört gemeinsam mit R.M. Drake zu denjenigen, die bei all den hochtrabenden Aphorismen auch einfach mal witzig sein können.
Gerade jetzt, da Instagram-Poetry auf einem Höhepunkt angekommen ist und auch die Accounts in meinem Feed ordentlich re-grammen, kommt oft auch der kleine Zyniker in mir hoch und ich denke nach dem Lesen des ein oder anderen Verses „Jaaa, OK ...” Auf der anderen Seite war Poesie schon immer eher ein Audrucksmittel für Emos. Wir zitieren heutzutage eben nicht den Tränen nahe Klopstock, sobald uns die Natur überwältigt, sondern finden Trost in den Worten und Gedanken anderer Menschen, denen es so geht wie uns, und holen aus den wenigen Buchstaben das für uns gültige Fazit heraus. Moderne Hilfe zur Selbsthilfe quasi.
Als Mensch, der es partout nicht schafft, sich kurz zu fassen, bestaune ich darüberhinaus das Talent, mit so wenigen, gezielten Worten so starke Aussagen und Botschaften zu machen. Wer noch gar nicht vertraut ist mit der wunderbar kitschigen Welt der Instagram-Poesie, der*die folgt einfach Rupi Kaur, Atticus, Nikita Gill, R. M. Drake und Nayyirah Waheed und taucht nach und nach tiefer in das Thema ein.
Mehr Insta-Wellness findest du hier:
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