Ich sitze am Strand von Kopenhagen und beschwere mich über WhatsApp bei meiner Freundin. Über das Wetter, meinen Liebeskummer, meinen Hintern, meine finanzielle Situation, das Universum. Eigentlich müsste ich gerade vor Glück im Dreieck springen, denn ich mache das, wovon viele träumen: Ich bin einfach mal für ein paar Wochen abgehauen aus meiner Stadt und habe mich in einem anderen Land in einer mir völlig fremden Stadt niedergelassen. Weil ich Freelancer*in bin, kann ich das machen, denn schreiben kann man ja bekanntlich von überall. Klingt super, oder? Trotzdem bin ich seit meiner Ankunft nur am Jammern. Weil ich zu weit außerhalb wohne und deswegen nicht super spontan sein kann, der Weg in die Stadt dauert einfach etwas. Kein Grund sich die Laune verderben zu lassen? Meeh, irgendwie schon. Ich suhle mich in meinem Leid, darin, enttäuscht darüber zu sein, dass nicht alles so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt habe. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann jammere ich deswegen, weil nicht alles so wie im Film ist, weil das hier eben doch das echte Leben ist. Im echten Leben muss man sich um Dinge kümmern, ich kann mir keine dicke Wohnung in der City leisten (Carrie Bradshaw ist wohl Schuld daran, dass ich ewig diesem Traum hinterher lechzen werde) und eine Beziehung ist auch nicht so einfach zu finden. Ich glaube, sogar dass die wenigsten Leute sich so kennenlernen wie in Notting Hill und außerdem ist so eine Beziehung harte Arbeit und der*die Traumpartner*in ist machmal gar nicht so traumhaft, weil eben jede*r mal einen Furz quer sitzen hat. Das Leben verläuft nicht immer nach Plan, ab und zu muss man sich mal um so unsexy Dinge wie Steuern kümmern oder dem Hund die Analdrüse ausdrücken.
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Unerreichbares Glück
Obwohl das alles keine News sind, jammern wir trotzdem viel und gerne über alles und jede*n, denn offensichtlich habe ich und viele, viele andere Menschen, die sich so in meinem Dunstkreis bewegen, eine völlig verklärte Auffassung darüber, wie das Leben so läuft und was genau eigentlich Glück ist. Natürlich ist es wichtig, Träume zu haben und sich Ziele zu setzen, denn sonst versinkt man in einen lethargischen Zustand, lebt so vor sich hin und als einziger Höhepunkt im Leben bleibt der Tatort jeden Sonntagabend. Muss nicht sein, kann ich gut und gerne drauf verzichten. Die Frage ist nur, ob die Ziele, die wir uns stecken, wirklich realistisch sind und nicht etwas, nur ein klitzekeines bisschen zu hochgesteckt, was automatisch zu Unzufriedenheit führt, was zum Motzen führt. Ein richtiger Teufelskreis ist das.
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Haben wir verlernt einfach glücklich zu sein?
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Eigentlich geht es uns ja gut, also mir zumindest. Ich bin so halbwegs gesund – oder zumindest auf dem Weg der Besserung – habe tolle Freund*innen, eine wirklich wunderschöne Wohnung und wie oben bereits erwähnt auch so ziemlich alle Freiheiten der Welt. Und doch bin ich meistens nicht glücklich. Haben wir womöglich verlernt glücklich zu sein? Und wenn ja, wieso eigentlich? Neben vollkommen überzogenen Vorbildern in Film und Fernsehen gibt's da seit einigen Jahren nämlich noch das Internet und dieses Social Media, das uns quasi 24/7 vorgaukelt, dass ein perfektes Leben möglich sei. Wenn unser eigenes Leben nicht im perfekten Filter erstrahlt, sind wir sofort unzufrieden, denn andere schaffen es doch auch. Das Ding ist nur, dass das Glück der anderen auf Social Media nicht ganz echt ist. Da wird der Ausschnitt optimiert, der Körper bearbeitet, die perfekte Pose stundenlang geübt. Wenn unser eigenes Leben nicht annähernd so perfekt ist wie das der Social Media Sternchen, dann werden wir schnell unglücklich. Wieso haben die etwas, was ich nicht habe? Die Antwort ist ganz einfach: Sie haben es nicht, sie tun nur so. Trotzdem ist diese Scheinwelt die Messlatte für unser Glück. So sehr, dass wir das kleine, reale Glück oftmals gar nicht mehr wahrnehmen, selbst wenn es direkt vor uns einen Purzelbaum schlägt. Also jammern wir, selbst wenn es uns vergleichsweise gut geht. Weil: Es könnte ja besser sein und so. Dazu kommt noch erschwerend hinzu, dass ich oft ein richtig schlechtes Gewissen habe, wenn ich denn mal nichts zu jammern habe und einfach nur glücklich bin, schließlich ist die Welt nicht gerade ein toller Ort und was fällt mir überhaupt ein glücklich zu sein, während es so vielen anderen Menschen so schlecht geht?!
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Jammern verbindet und macht glücklich?
Kaum etwas verbindet so sehr, wie sich gegenseitig die Ohren voll zu jammern. Hach, was geht's uns schlecht! Mir geht es sogar noch ein bisschen schlechter als dir, was mir gleichzeitig irgendwie ein gutes Gefühl gibt. Ja, es mag komisch klingen, aber im gemeinsamen Leid lassen sich Freundschaften pflegen wie sonst nirgendwo, denn gemeinsames Jammern schafft eine Verbindung unter Freund*innen und in der Gruppe. Ja, wie sagt man doch so schön: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Man bestärkt sich gegenseitig, trainiert Empathie und schafft so Intimität. Ist das ständige Jammern also womöglich nur eine Strategie, um unseren Mitmenschen näher zu kommen? Glückliche Menschen hingegen wirken auf uns oft arrogant und fast wie nicht von dieser Welt. Man fragt sich beinahe automatisch, wieso zum Teufel diese Person so happy ist und distanziert sich instinktiv von ihr.
Es hat also durchaus auch positive Auswirkungen und wenn ich meine Freundin am Telefon volljammere, dann bedeutet das eigentlich nur, dass ich ihr nahe sein will und ihr vertraue. Trotzdem kann es nicht schaden, den Alltag ruhig etwas positiver anzugehen, denn, und das kann ich nicht oft genug sagen, das Leben ist kurz und auch wenn natürlich super viel Mist auf der Welt passiert, können wir uns trotzdem mit einer positiven Grundstimmung den Alltag etwas erleichtern. Denn wie sollen wir Kraft haben, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, wenn all unsere Energie beim Jammern drauf geht?