Kim Kardashians Sextape katapultierte die damals noch unbekannte Freundin von Paris Hilton 2007 auf sämtliche Titelseiten. Seitdem hat sie die Cover der internationalen Magazine nicht mehr verlassen, sondern es sogar geschafft, den kompletten Rest der Familie mit an die Front zu bringen. Jeden Tag gibt es irgendeine neue Kar-Jenner-News und das seit mehr als zehn Jahren. Etliche Hochzeiten, Trennungen, Geburten, Streits und Skandale später muss ich allerdings sagen: Es reicht. Als Fan würde ich mich zwar nicht unbedingt bezeichnen, trotzdem konnte ich mich der Faszination über diese Familie nicht ganz entziehen und habe in der Vergangenheit wirklich gerne leicht verdauliche Kardashian-Storylines konsumiert, hier und da sogar mal bei Keeping up with the Kardashians reingeschaut. Anfangs konnte man noch mit ihnen mithalten: Kylie und Kendall waren Teenager ohne nennenswerte News, geschweige denn zu promotender Lip Kits oder Laufsteg-Auftritte, Instagram gab es noch nicht und die spannendste Storyline einer Staffel war Kims Heulkrampf, nachdem sie ihren Diamantring beim Baden auf Bora Bora verloren hatte, kurz vor der Mini-Ehe mit Kris Humphries. Zu dieser Zeit, vor etwa sieben Jahren, musste man eine halbwegs spannende Geschichte liefern, wenn man über sich in der Zeitschrift lesen wollte.
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Hilfe, ich leide unter absoluter Kardashian-Übersättigung!
Heute ist es einfach zu viel, viel zu viel, und zwar aufgeblasene Langeweile. Nicht nur die Familienmitglieder haben sich gefühlt um das Zehnfache multipliziert, sondern logischerweise auch die vermeintlichen News. Kylie und Kim laufen in Spandex durch Los Angeles und sehen aus wie Zwillinge, Bruder Rob ploppt auf Instagram nur noch in Form seines Socken-Brands auf, Kanye West bringt nach etlichen Twitter-Eskapaden das dritte Album innerhalb von drei Wochen heraus und bekennt sich als großer Fan der Deadpool-Filme, Khloé Kardashian hat ihre Tochter True gebadet und zeigt stolz die Fotos im Netz, Kylie wiederum hat ihren Nachwuchs mit Rapper Travis Scott komplett von Instagram gelöscht und möchte die kleine Stormi bis auf Weiteres nicht mehr öffentlich zur Schau stellen, Kris ist stolz wie Oscar auf ihre liebste Tochter, nachdem diese mit dem Präsidenten der USA ganz offiziell im Weißen Haus über eine Gefängnisreform gesprochen hatte, aber Kim hat längst eine neue Mission, und zwar einen „Edit”-Knopf auf Twitter zu fordern und bekommt ihn womöglich auch noch.
Puh, all diese unfassbar interessanten Stories geschahen innerhalb dieser Woche und es ist gerade einmal Mittwoch! Ich bin so satt, dass ich nie wieder essen möchte. So ähnlich wie mit 20, als ich auf einer Party nur Wodka Red Bull getrunken und zuvor noch schnell eine Schale Instant-China-Nudeln in mich hineingestopft hatte und mich davon übergeben musste. Seitdem kann ich weder Energiedrinks noch die Glutamatbombe aus dem Supermarkt riechen, geschweige denn essen, ohne dass mir schlecht wird.
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Aus Faszination wurde die Liebe die Kardashians zu hassen
Hinzu kommt, dass ich den Kar-Jenners nichts mehr glauben kann und ihnen somit auch keine Produkte mehr abkaufen möchte. „Mein Po ist echt“, beteuert Kim seit dem Berühmtwerden ihrer Kehrseite und ging sogar schon so weit, mit einem Kamerateam im Schlepptau beim Chirurgen vorbeizugehen und ein Ultraschallbild von ihrem Allerwertesten machen zu lassen. Es mögen vielleicht keine Plastikkissen oder Packungen gefrorener Erbsen darin versteckt sein, aber wer Fotos der gesamten Schwesternschaft von vor 10 Jahren mit aktuellen vergleicht, muss ausnahmslos feststellen, dass jede einzelne von ihnen heute völlig andere Körperformen vorweist. Im Influencer-Sprech nennt sich das ganz generell und etwas euphemisierend „Modellieren“, eine Praxis, die quasi alles von muskelspezifischen Sportübungen bis hin zu invasiven Eingriffen umfassen kann und unter vermeintlich Reichen und Schönen gang und gäbe ist. „Ich übermale meine Lippen bloß mit Lipliner. Ich verwende halt vier verschiedene Farben“, ahmt Kylie ihrer Schwester das Flunkern über die möglicherweise mit Hyaluron aufgepolsterten, entschuldige, modellierten Lippen nach und vermarktet so ganz nebenbei ihre eigenen Beauty-Produkte. Natürlich kauften genügend Fans gleich vier Shades, damit auch sie den echten Kylie-Look bei Instagram posten können. Erst als ihre Oberlippe zu explodieren drohte, gab sie zu, die eine oder andere Spritze darin gelehrt zu haben. Das ist doch unsympathisch. Wieso spricht es nicht mal jemand aus? Wieso steht keine Kar-Jenner-Schwester dazu, sich bis ins kleinste Detail inszeniert und modelliert zu haben wie einen Sim? Rosebud, Rosebud, Rosebud!
Früher, als es die Dash-Stores noch gab, galten die Kardashians als Trash. Keiner wollte so richtig zugeben, die Show zu gucken, aber die Zahlen sprachen ihre eigene Sprache. Bis zu 10 Millionen amerikanische Fans schauten die Hochzeit von Kim und Kris Humphries, heute kann der Sender E! Entertainment froh sein, wenn die 1 Million-Marke geknackt wird. Die Ratings sind offiziell im Keller, wie unter anderem der Business Insider berichtet. Zwar wurde Keeping up gerade erst wieder bis 2020 verlängert, aber warum? Schließlich weiß man doch heute schon im Voraus, was passieren wird, weil es eben diesen nicht enden wollenden News-Cycle in Echtzeit gibt. Kanyes Geburtstagsfeier habe ich schon bei Instagram gesehen, da muss ich mir dasselbe doch nicht ein halbes Jahr später noch mal im Fernsehen antun. 2021 wird sich zeigen, ob sich die Produktion der Reality-Show noch lohnen wird. Ohne Show keine Kardashians, denn sie erwachten mit der ersten Episode zum Leben.
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Der Kanye-Faktor funktioniert nicht mehr
Apropos Kanye: Mit ihm kam der Glamour zurück in die Familie. Wobei er eigentlich einfach alle Kristalle aus Kims Leben verbannte und ihre jahrelange Schuhsammlung durch seine eigens designten Yeezys ersetzte. Yes Stil und seine internationale Popularität taten der ganzen Familie kurzzeitig gut und umgekehrt – Erdtöne und ernste Blicke statt rosa Von Dutch Caps und Zahnpasta-Lächeln. Kim kam weg vom Kitsch und Kanye konnte seine Klamotten plötzlich auch in Kiel verkaufen. Heute ist Kanye eher eine Kardashian-Bürde, denn auch wenn seine Tweets besonders kurz vor einer anstehenden Veröffentlichung immer verrückter werden, was die Streaming-Zahlen seiner Alben in der Debüt-Woche definitiv anheizt, sehen Experten diese Spitze sehr schnell wieder sehr tief fallen. Ye ist ein kurzweiliger Storytelling-Hype, einen Hit suchen ich und das Rolling Stone Magazin auf dem Album aber vergeblich. Kanye ist eben mittlerweile auch ein Kardashian, spielt das Spiel mit den Medien gekonnt mit, ist perfekt vorhersehbar unvorhersehbar und liefert schnelle Storys, die für das tägliche Adrenalinhoch seiner ehemaligen Fans sorgen. „I hate being bipolar, it's awesome“ – so der Titel seines neuen Albums, und die Headlines schreiben sich da ganz von selbst. Wie gut ihm das als Musiker tut, weiß ich nicht.
Der Rest der Familie hat irgendwie auch seinen Glanz verloren. Kylie ist nun Mutter und zieht sich schon länger aus der Öffentlichkeit zurück, Khloé hat ihrem Kindsvater Tristan Thompson das Fremdgehen verziehen und sich damit Reaktionen eingeheimst, die von ungläubig bis hin zu enttäuscht reichten, und Kendall modelt zwar nach dem Pepsi-Skandal weiter, wurde aber schon lange von den Hadid-Schwestern überholt. Kim gewinnt Influencer-Awards und spricht auf „Women in Business“-Veranstaltungen, wird dort aber nicht so richtig ernst genommen und das, obwohl sie – das muss man einfach mal zugeben – aus Scheiße tatsächlich Gold gemacht hat. Vielleicht ist in dem Klumpen einfach nichts mehr drin. Ich würde allen Beteiligten und mir selbst echt eine Kardashian-Pause gönnen.
Somit hier mein Appell: Liebe Kar-Jenners, man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Bevor ihr euch also selbst komplett ins Aus kickt, macht doch lieber jetzt Schluss.