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Wieso wir negative Gedanken & Gefühle intensiver erleben als positive

Foto: Sarah HarryIsaacs
Wetten, dass es in der Minute anfängt zu regnen, in der ich mit frisch gestylten Haaren den Friseursalon verlasse? Wetten, dass der neue Leberfleck an meinem Arm bösartig ist? Wetten, dass ich verschlafe und meinen Flug verpasse? Wetten, dass mein Blinddate ein Serienmörder ist? Oder zumindest übertrieben langweilig?
Bei Situationen mit ungewissem Ausgang tendieren viele zu negativen Gedanken. Sie malen sich eine Zukunft aus, die alles andere als rosig ist und sind sich praktisch sicher, dass alles schiefgehen wird. Warum? Weil sie Enttäuschungen vorbeugen möchten.
In der Welt der Psychologie wird dieses Phänomen Negativitätsbias, Negativity Bias oder Negativitätseffekt genannt. Vereinfacht besagt es, dass negative Erlebnisse, Gefühle oder Gedanken eine größere Auswirkung auf uns haben als neutrale oder positive – und zwar selbst dann, wenn letztere faktisch genauso intensiv sind. Sprich: In vielen Situationen nehmen wir negative (oder negativ erscheinende) Dinge sehr schnell, stark und nachhaltig wahr, positive dagegen nur eingeschränkt. Wenn überhaupt. 
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Was passiert im Kopf?

Wie sich das soziopsychologische Phänomen äußert, wissen wir also schon mal, doch was passiert dabei im Körper? Diese Frage stellte sich auch Dr. John Cacioppo und führte Untersuchungen durch, bei denen er die elektrische Aktivität im Gehirn beobachtete. Er zeigte den Versuchspersonen Bilder von Dingen, die gemeinhin als positiv wahrgenommen werden (wie Pizza), Dingen, denen die meisten Menschen neutral gegenüberstehen (ein Fön) und Dinge, die üblicherweise negativ bewertet werden (eine tote Katze). Das Ergebnis: Das Gehirn reagiert stärker auf alles Negative. Und das heißt wiederum, dass du zum Beispiel mit großer Wahrscheinlichkeit heftiger reagierst, wenn dir der Bus vor der Nase wegfährt, als wenn du Geld auf der Straße findest.

Pessimismus und Depression

Dr. Scott Woodruff, ein Psychologe und Leiter des Angst- und Zwangsstörungsbehandlungsprogramms am American Institute for Cognitive Therapy, ergänzt, dass negative Gedanken auch mit steigenden Depressionsraten zusammenhängen könnten. Dennoch ist es wichtig, zu verstehen, dass Pessimismus nicht gleich Depression bedeutet! Problematisch wird es dann, wenn eine*n die negative Einstellung davon abhält, Dinge zu tun, die man eigentlich gern macht.
Depressive Menschen tendieren dazu, sich von der Außenwelt abzuschotten und nicht mehr so aktiv zu sein. Manchmal können diese Symptome auch mit Negativität assoziiert werden. Beispielsweise reist du wahrscheinlich weniger als andere, wenn du sowieso davon ausgehst, dass du das Flugzeug verpassen wirst oder während der Reise alles schiefgeht. Wahrscheinlich gehst du eher nicht zu einer Geburtstagsparty, wenn du dir reflexartig ausmalst, dir würde ein schrecklicher Abend bevorstehen und niemand würde sich mit dir unterhalten. Du wirst deinen Schwarm wahrscheinlich nicht nach einem Date fragen, wenn du glaubst, null Chancen bei ihm oder ihr zu haben. 
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Woodruff meint, wenn du immer vom Schlimmsten ausgehst, beschließt du vielleicht irgendwann, das Risiko gar nicht erst einzugehen und lieber gleich zu Hause zu bleiben. „Wir versuchen, möglichen Enttäuschungen oder möglicher Reue vorzubeugen. Wir denken: Wenn wir nichts unternehmen, kann auch nichts schiefgehen – wir können nicht scheitern und auch nichts machen, was wir später bereuen. Wir richten unser Leben so aus, dass wir Verluste vermeiden.“
Doch diese Taktik und deine negative Einstellung können dich bremsen, dich zurückhalten. „Du denkst vielleicht, es wäre gut, die negativen Dinge im Auge zu behalten und dich gedanklich auf das Worst-Case-Szenario vorzubereiten. Doch das ist ein Trugschluss. Die geringfügigen Vorteile, die dieses Verhalten mit sich bringen kann, werden durch die großen Nachteile klar übertroffen.“ Und damit meint er nicht nur verpasste Gelegenheiten – sowohl beruflich als auch privat –, sondern auch den Fakt, dass dir positive Bestärkung entgeht. 

Was du gegen wiederkehrende negative Gedanken machen kannst

Kommen dir die beschriebenen Situationen und Gedanken bekannt vor? Dann gibt es laut Woodruff ein paar Dinge, die du tun kannst, um deine schwarzmalerische Einstellung loszuwerden. Erstens: Exposition. Setz dich den Dingen aus, vor denen du dich zu schützen versuchst. Wenn dir bewusst wird, dass du nur deswegen noch nicht mit dem Golfen angefangen hast, weil du denkst, du könntest schlecht darin sein, versuch es trotzdem. Geh zum Blind Date, auch wenn du nervös bist (achte bitte dennoch auf Warnsignale). Frag nach einer Gehaltserhöhung, wenn du denkst, dir steht eine zu. Nimm die Einladung zur Geburtstagsparty an, auch wenn du nur die Gastgeber*innen und sonst niemanden kennst. Zweitens: Pole deine Gedanken um. Versuche, alles Positive (und Neutrale) in deinem Leben bewusster wahrzunehmen und so die Aufmerksamkeit weg vom Negativen zu lenken. Dafür kannst du beispielsweise ein Tagebuch führen und jeden Abend vor dem Schlafen aufschreiben, was gut lief und wofür du dankbar bist, worüber du dich gefreut hast oder was alles besser gelaufen ist als gedacht. Das kostet dich maximal fünf Minuten, kann aber einen sehr großen Effekt auf dein Wohlbefinden haben, weil du irgendwann eine optimistischere Grundeinstellung bekommst.
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Übertriebener Optimismus ist auch keine Lösung

Auch wenn diese beiden Techniken sehr hilfreich sein können, dürfen wir trotzdem nicht vergessen, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist. Das Ziel ist nicht, ab sofort jeden Tag zu 100 Prozent optimistisch zu sein und keinen einzigen negativen Gedanken mehr zuzulassen. Schließlich können Sorgen, Ängste und Bedenken auch einfach Teil deiner Intuition sein. Wahrscheinlich ist es wirklich keine so gute Idee, deinem Ex noch mal eine Chance zu geben, wenn er dich über Jahre hinweg emotional missbraucht hat. Und wahrscheinlich solltest du das Brot nicht mehr essen, wenn es so aussieht wie der Tümpel im Garten deiner Eltern.
Das Glas ist nun mal nicht immer halb voll und eine zu optimistische Einstellung ist zeitweise genauso schlecht für deine mentale Gesundheit wie eine zu negative. Laut Woodruff kann eine übertrieben positive Einstellung negative Konsequenzen haben: „Sie kann dazu führen, dass du denkst, etwas würde nicht mit dir stimmen, wenn du doch mal einen negativen Gedanken hast. Dabei hat jede*r mal negative Gedanken! Das ist vollkommen normal. Deswegen bin ich ein Verfechter des realistischen, unvoreingenommenen Denkens.“

Der Realitätscheck

Jetzt fragst du dich vielleicht, woher du wissen sollst, wann es okay ist, negative beziehungsweise einfach nur realistische Gedanken zu haben, statt positiver. Um das herauszufinden, kannst du zum Beispiel deine Erwartungen aufschreiben – bevor du dich einer Situation aussetzt, die schiefgehen könnte, so Woodruff. Im Anschluss an das Event, das Date oder die Unterhaltung nimmst du dir deine Notizen noch mal zur Hand und vergleichst sie mit dem, was wirklich passiert ist. War es wirklich so schlimm, wie du es dir ausgemalt hast? Ist die Katastrophe eingetreten? Diese Methode kann dir helfen, zu beurteilen, ob deine Erwartungen verzerrt sind.
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