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„Schlafscheidung“: Was passierte, als wir unsere Betten trennten

Photographed by Meg O'Donnell
Mit jemandem das Bett teilen zu müssen ist beschissen. Das Schnarchen, das Schwitzen, die Berührungen, die Hitze, das Hin- und Herwälzen… ich hasse es.
Mir ist natürlich bewusst, dass es auch Menschen gibt, die jetzt kopfschüttelnd vor ihrem Laptop sitzen und denken, ich habe eine Vollmeise. Sie finden es beruhigend, neben jemandem einzuschlafen. Sie verbringen liebend gern die ganze Nacht eng umschlungen mit ihrem Schatz. Sie haben kein Problem damit, neben ihrer Mitbewohnerin oder ihrem Mitbewohner einzuschlafen, nachdem sie zusammen Tatort geschaut haben. Sie würden niemals in einem Airbnb schlafen, in dem es nur getrennte Betten gibt. Meiner Meinung nach sind diese Menschen diejenigen mit der Vollmeise.
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Deswegen verstehe ich auch nicht, warum die Gesellschaft Pärchen vorschreibt, in einem Bett schlafen zu müssen. Welcher Grund steckt dahinter? Gibt es überhaupt einen?

Ausflug in die Geschichte

Laut eines faszinierendem Interviews mit Robert Ekirch in The Atlantic wollten die Menschen durch geteilte Betten Geld sparen. Einzelne Betten konnten sich Familien damals häufig nicht leisten. Ein positiver Nebeneffekt war, dass sie sich aneinander gekuschelt gleichzeitig auch noch gegenseitig warmhalten konnten. Abgesehen davon teilten sich früher die Leute den Schlafplatz, um ihre Beziehung zu vertiefen. Das galt allerdings nicht nur für Verliebte, sondern auch für Freund*innen. „Die meisten schliefen nicht einfach so stillschweigend ein, sondern unterhielten sich noch lange. Viele freuten sich richtiggehend auf die Zeit kurz vorm Schlafen, weil sie dann endlich entspannt reden konnten“, so Ekirch. Der Spruch „Im Dunkeln ist gut munkeln“ kommt ja nicht von ungefähr.
Glaubt man den Filmen von früher, folgte dann eine relativ lange Zeit, in der Einzelbetten sehr beliebt waren. So war es laut Pleasantville auch in den 50ern noch absolut verpönt, sich ein Bett zu teilen. In Wahrheit gab es jedoch gar nicht mal so selten Doppelbetten! Der Grund dafür, dass Film und Realität so weit auseinander gingen, war der sogenannte Hays Code. Das waren moralische Vorschriften, die bei der Produktion US-amerikanischer Spielfilme von 1930 bis 1968 eingehalten werden mussten. Regisseuren und Filmemachern war es beispielsweise verboten, gemischtrassige Beziehungen, Geburten oder Polizeibeamte zu zeigen. Selbst verheiratete Paare durften nicht zusammen in einem Bett liegen. Wenn eine Szene im Schlafzimmer spielen sollte, mussten dort zwei Einzelbetten stehen.
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Die Gegenwart

Soweit der kurze Ausflug in die Geschichte, zurück zur Gegenwart. Heute gilt es wie gesagt als Norm, in einem Bett zu schlafen, wenn man glücklich liiert ist. Warum, erklärt die Paartherapeutin Lee Crespi im oben bereits erwähnten Atlantic-Artikel: „Das Hauptproblem ist folgendes: Wenn ein Paar nicht im selben Bett schläft, denken die Leute, sie hätten keinen Sex. Deswegen trauen sich die wenigsten, zuzugeben, dass sie getrennt schlafen“. Sollte es (aus gesellschaftlichen Gründen) auf keinen Fall für euch in Betracht kommen, in getrennten Kojen zu schlafen, hätte ich einen anderen Vorschlag für euch: Einzeldecken. Im Vergleich zu Doppelbettdecken, sorgt diese Variante wenigstens für ein Minimum an Privatsphäre.
Für mich persönlich wäre das zwar immer noch nicht optimal. Ich wäre da eher für eine „Schlafscheidung“ – also eine Trennung der Betten. Und damit stehe ich nicht allein da. Laut Mattress Clarity würden 30 Prozent der US-Amerikaner*innen lieber getrennt schlafen. Erzählen würden das 41 Prozent der Schlafscheidungsfans jedoch weder ihrer Familie, noch ihren Freund*innen (vermutlich aus dem von Crespi bereits genannten Grund).

Das Experiment

Weil ich mich nicht nur theoretisch mit dem Thema beschäftigen wollte, sondern auch praktisch, habe ich ein kleines Experiment gewagt: Für die Wissenschaft war ich sieben Tage lang ein Schlafsingle. Bevor ich berichte, welche Erfahrungen ich gemacht habe, erzähle ich dir noch kurz etwas zum Hintergrund. Ben und ich sind seit neun Jahren ein Paar und wohnen seit 2,5 Jahren zusammen. Wir sind es also schon länger gewöhnt, ein Bett zu teilen. Trotzdem meckern wir (er mehr als ich) oft über die Schlafgewohnheiten des anderen. Er sagt, ich schnarche und schlage wild um mich. Mich nervt es, dass er später aufsteht als ich. Alles kein Weltuntergang, auf Dauer aber einfach anstrengend. Und deswegen habe ich mich auch eine Woche lang jeden Abend in das Einzelbett in unserem Gästezimmer gelegt. (Mir ist absolut bewusst, das wir uns glücklich schätzen können, einen zusätzlichen Raum mit einem Bett zu haben, so dass keiner von uns auf dem Sofa schlafen muss. Mein Bruder ist gerade ausgezogen und wir haben beschlossen, lieber mehr Miete zu bezahlen als eine neue, fremde Person in die Wohnung zu holen. Aber das nur nebenbei.)
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Unsere Schlafscheidung war auf jeden Fall ein voller Erfolg. Es war fantastisch. Einfach großartig! Ich konnte ins Bett gehen wann immer ich wollte. Ich war nicht die ganze Zeit angespannt, weil ich damit rechnen musste, dass er jeden Moment ins Zimmer platzt und mich wieder aufweckt, wenn er sich zu mir legt. Ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen. Sieben Tage am Stück. Morgens bin ich aufgestanden und habe erst mal ganz entspannt Yoga gemacht, während er drüben noch schlief. Und weißt du, was das Beste war? Während des Experiments waren wir supernett zueinander. Weil wir nicht jede Nacht sechs oder sieben Stunden nebeneinander lagen, schätzten wir die Zeit, die wir wach miteinander verbrachten umso mehr. Vielleicht waren wir vorher auch unterbewusst sauer aufeinander gewesen, weil wir uns gegenseitig um den Schlaf brachten. Aber in jedem Fall fühlte es sich so an, als wären wir wieder in der Phase der Beziehung, in der man noch alles macht, damit es dem anderen gut geht. Und nicht in der Phase, in dem man den anderen vom Klo aus anbrüllt: „Du hast schon wieder nicht die Klopapierrolle gewechselt! Ist das denn wirklich so schwer?“
Nach der Testwoche schliefen wir wieder zusammen in einem Zimmer. Und es war okay. Also nicht schlimm, aber ich vermisste mein Einzelbett trotzdem. Tagsüber pflaumten wir uns ein paar Mal an und er war deutlich schlechter gelaunt, weil ich ihn (angeblich) nachts ein Arm ins Gesicht gehauen hatte und er dadurch wach geworden war. Dafür war mein Morgen unentspannt. Während ich zeitig aufstehen und mich für die Arbeit fertig machen musste, konnte er sich rumdrehen und noch eine Runde schlafen.
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Das Fazit

Wir haben uns folgenden Plan überlegt: Wenn wir zusammen in einem Bett schlafen wollen, machen wir das. Wenn nicht, ziehe ich immer, wenn mir danach ist, rüber ins Gästezimmer. Egal wie oft es pro Woche vorkommt. Und weißt du was? Für mich ist das die perfekte Lösung und mir ist es komplett egal, was andere davon halten.

Und das wollte Ben noch loswerden:

„Ich habe schon lange vor dem Experiment für getrennte Betten gestimmt. Jess ist eine … wie sag ich das jetzt am besten, ohne fies zu klingen… schwierige Bettgenossin. Sie schnarcht laut, bewegt sich die ganze Zeit und attackiert mich mit ihren ‚Restless Legs‘. Wie du dir also sicher vorstellen kannst, war die Testwoche ein absoluter Traum. Ich bin von selbst zeitiger aufgewacht (ich arbeite freiberuflich) und war deutlich glücklicher, ausgeglichener und weniger müde. Als wir danach wieder zu zweit schliefen, war das die Hölle. Okay, okay. Ich übertreibe natürlich. Aber ich habe die Woche wirklich genossen und hätte nichts dagegen, wenn sie (oder ich!) ab und zu mal nach nebenan zieht.“
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