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Sich selbst lieben: Ein Versuch, der keiner wurde

ILLUSTRATION: Anna Sudit
Liebe ist ein großes Wort, sagte meine Großmutter. Und wenn man Glück hat, dann findet man im Leben etwas oder jemanden, den man liebt. Sehr liebt. Heute sieht das ein wenig anders aus: Meine Freundinnen ­ – allesamt zwischen Mitte 20 und Mitte 30 – lieben ganz schön viel. Sie lieben ihre Partner. Ihre Kinder natürlich, sofern sie welche haben. Ihren Hund, ihre beste Freundin, ihre Eltern, die süße Katze auf Instagram, die neuen Sneakers, die neue Tasche von Chloé und ja, auch die neuste Kollektion von Dimitri. Ganz sicher auch noch jede Menge anderer Dinge. Ich gehöre auch zu diesen Viel-Liebenden. Hass, das ist für mich ein großes Wort, ein so großes wie es für meine Großmutter vermutlich Liebe war. Ich hasse quasi niemanden – weil dieses Gefühl so groß und hart und mächtig ist, dass es keiner Empfindung, die ich habe nahe kommt. Lieben jedoch, das tu ich oft und gerne und jeden Tag. Ich verspüre vielen Menschen, Tieren und Dingen Liebe gegenüber und bin auch seit jeher der Meinung, dass lieben wichtig ist. Aber uns selbst lieben? So richtig? Das fällt ganz schön schwer. Mit 18 war ich mit einem sehr unglücklichen Mann zusammen. Als ich ihn verließ ging es ihm arg schlecht und er hat viel geweint, gefleht, versucht mich zu überzeugen, doch zu bleiben. Ich habe viele Fehler gemacht damals, ich war 18. Jung und ein bisschen unbedarft in vielen Dingen, aber ich erinnere mich an eine Sache, die ich ihm immer wieder gesagt, geschrieben, nahe gebracht habe. Du bist unglücklich und du hast so viele schlechte Gefühle in dir, die sich gegen dich selbst richten. Man muss erst selbst glücklich sein, um mit einem anderen Menschen glücklich sein zu können. Man muss sich selbst lieben, um andere lieben zu können. Bis heute bin ich der festen Überzeugung, dass das der Fall ist. Meine Beziehungen laufen besser, wenn ich mit mir im Reinen bin. Wenn ich an mir zweifle und mich nicht mag, fällt es mir auch schwer andere zu mögen. Punkt. Sich selbst lieben. Das hört sich erstmal gar nicht so schwer an. Aber so richtig Liebe für die eigene Person empfinden, das bewusst leben und auch nach außen tragen – das tun die wenigsten. Auch wenn aktuell Narzissmus quasi Trend ist und unsere Gesellschaft viel gibt auf Selbstdarstellung, hat das in erster Instanz wenig mit echter Selbstliebe zu tun. Instagram, Snapchat, Facebook sind voll von Selbstdarstellern, von Menschen wie mir und dir und dem Modus sich zu zeigen und das, was man darstellt nach außen zu tragen. Diese Bilder sind zu 80 Prozent mit Filtern überlegt, zehn Mal geknipst bevor man zufrieden ist und zeigen auch nur genau das, was man den anderen zeigen will. Was man selbst schön und bewundernswert an sich findet. Selbstliebe heißt aber auch, Dinge zu akzeptieren an einem selbst, die vielleicht nicht auf den ersten Blick toll sind. Aber eben zu einem gehören. Die man selbst vielleicht eher unangenehm und unschön findet. Also versuchen wir das doch mal mit dem Sich-Selbst-Lieben. Wenn ich vor dem Spiegel stehe, sehe ich eine 29-jährige Frau mit ein bisschen dünnen Haaren, ein bisschen zu breiten Oberschenkeln, einer tollen Brust und einem flachen Bauch, aber auch mit vernarbten Beinen und einer kleinen Tendenz zum Doppelkinn. Ich bin zufrieden mit mir, aber es gibt Dinge, die verrate ich niemandem oder lasse sie ganz weit in den Hintergrund rutschen. Das sind optische Aspekte, aber auch charakterliche Züge, Stärken und Schwächen, Angewohnheiten und Ticks. Ein Mann, der mich einmal sehr geliebt hat und den ich auch lange sehr geliebt habe, hat mir mal einen Brief geschrieben, mit den Dingen, die er an mir liebt und wie er mich sieht. Das ist meilenweit davon weg gewesen, was ich zu dieser Zeit dachte, mache mich liebenswert. Das war das erste Mal, dass ich dachte: Vielleicht muss ich nicht immer nur tough und kontrolliert sein, vielleicht nicht immer der Gute-Laune-Garant, sondern kann auch schwach und emotional sein vor anderen. Vielleicht sind meine Oberschenkel gar nicht so dick wie ich denke, sondern sehen nur von oben so aus. Perspektivwechsel bringen in jeglicher Situation Fortschritt und sich selbst aus der Perspektive anderer zu sehen, hilft oft mehr an sich zu lieben. Wenn jemand mich fotografiert und eine Auswahl an Fotos trifft, die ihm am besten gefallen und die er repräsentativ findet, kann ich garantieren, dass es genau die Bilder sind, die ich nicht wählen würde. Ich sehe mich einfach anders als andere. Ich will tough sein, professionell, fehlerfrei und am besten eher rough und gleichzeitig weiblich als mädchenhaft und weich. Ich mag Frauen die Power haben. Und ich will eine davon sein. Andere sagen: Ich bin eine davon. Aber für mich selbst, kann ich nie perfekt genug sein. Ich meinem Freundeskreis beobachte ich das Gleiche: Eine ist liebenswert und so herrlich auf dem Boden geblieben, möchte aber gern die Welle der Starlets mitschwimmen, die ich zu oberflächlich finde, als das es erstrebenswert wäre. Einer hat einen Top-Job, solide, gut bezahlt, bodenständig. Er beneidet uns Kreative, um unsere Freiheit und dieses Sich-selbst-Verwirklichen. Die Eine glättet ihre Bombenlocken und hasst ihr Lachen, mein Sitznachbar aus der Schule hasst seine Unsicherheit, die von vielen eher als Bedachtheit angesehen wird. Wir wollen oft und viel sein, was wir entweder nicht sind oder meinen nicht zu sein. Dabei sind wir doch gut, so wie wir sind. Sogar toll und so einzigartig. Zur Selbstliebe gehört auch, Zeit mit sich zu verbringen. Sich selbst etwas Gutes tun. Dazu zählt nicht Kleidung zu kaufen, weil sie anderen gefällt, sondern weil man selbst sich darin wunderschön findet. Dinge an sich zu lieben, ist eigentlich ganz einfach. Man muss sich nur mal bewusst machen, wie wunderbar man ist. Solche Aussagen werden von anderen schnell als zu großes Selbstbewusstsein wahrgenommen. Es wird erwartet, dass wir auf ein Kompliment nicht antworten mit „Dankeschön, ich weiß, das mag ich auch total an mir.“ Sondern eher mit einem verschämten Lachen und einem verlegen gepiepsten Danke. Eigentlich sollte dieser Beitrag ein Selbstversuch werden. Ich wollte ausprobieren, wie es ist, sich selbst mehr zu lieben. Aber irgendwie kann man das gar nicht so steuern. Deswegen bekommt ihr hier ein paar Tipps und Tricks. Welche die ich ausprobiert habe, um mich selbst mehr zu lieben. Ob sie etwas bringen ... Ansichtssache. Aber sie helfen sich selbst aus einer anderen Perspektive zu sehen und Dinge zu entdecken, die einem vielleicht gar nicht so bewusst sind. 1. Bittet eure Liebsten euch zu verraten was sie toll an euch finden. Was sie an euch schätzen und lieben. Es tut nicht nur gut das zu hören, sondern es beweist auch, dass ihr gut in Dingen seid. Und das es Sinn macht, sich selbst durch Augen derer zu sehen, die euch mögen. Denn aus irgendeinem Grund oder auch vielen Gründen tun sie es. 2. Überlegt, was ihr an euch mögt und wieso? Jeden Morgen beim Blick in den Spiegel sucht ihr euch etwas Neues aus, das ihr an euch mögt. Das können Körperteile sein. Dinge, die man geschafft hat. Ein Charakterzug oder etwas, was ihr gut könnt. Es tut gut sich selbst zu sagen, in was man gut ist. Und zu sehen: Ich bin gar nicht mal so übel. Ich bin sogar ziemlich knorke. 3. Oft gefällt man sich auf Bildern nicht, weil man nicht aussieht wie im Spiegel. Das ist normal. Der Spiegel spiegelt euch nun mal und zeigt euch anders, als euch die Leute von außen sehen. Deswegen stimmt dieses Bild nur selten überein. Betrachtet Fotos von euch, die andere toll finden. Fragt wieso, seht was sie toll finden. 4. Sucht euch ein Mantra! Klingt komisch, gehört aber zum kleinen 1 x 1 der Selbstreflexion und des Selbstwertgefühls. Ein Satz, der euch jeden Morgen, vor jedem wichtigen Meeting, der Gehaltsverhandlung oder auch einem Date sagt, dass ihr toll seid, so wie ihr seid. Ihr seht: Versuche können schief gehen. Weil sie nicht zu schaffen sind. Oder aber weil sie Zeit brauchen. In diesem Fall, weil schon das Nachdenken über bestimmte Themen eine Veränderung bringen kann. Und hey: Ich bin eigentlich ganz knorke! #loveyourself

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