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Wie weit würdest du gehen, um deine Traumwohnung zu behalten

Foto: Brayden Olson
Die Kommunikation mit meinem Vermieter lief größtenteils über WhatsApp. Allein das hätte mir zu denken geben müssen, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Aber ich war viel zu glücklich über meine erste eigene Wohnung, die nicht viel größer war als ein Schuhkarton.
Zusammengewürfelte Möbel, weil neue sowieso nicht reingepasst hätten. Dafür hatte diese Wohnung jedoch eine offene Küche, einen großzügigen Balkon mit einer traumhaften Aussicht über die Hinterhöfe meiner neuen Wahlheimat mit Maisonette-Charme.
Alles lief prima. Kleinere und größere Probleme mit der Fußbodenheizung, dem Wasserzulauf oder Strom wurden relativ schnell behoben. Einzig der Sohn des Vermieters, der unter mir wohnte, in diesem ohnehin schon hellhörigen Haus, bereitete mir hin und wieder schlaflose Nächte. Laute Musik, die Hütte voller Leute und nächtliches Rumschrauben an Fahrrädern raubten mir den Nerv.
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Irgendwann schrieb mir mein Vermieter über WhatsApp. Nachrichten, voll mit Schmeicheleien, geschmückt mit entsprechenden Smilies.

Irgendwann, ich weiß gar nicht mehr, wann es anfing, schrieb mir mein Vermieter über WhatsApp. Nachrichten, voll mit Schmeicheleien, geschmückt mit entsprechenden Smilies. Sie waren direkt. Sie enthielten Worte, die ich von meinem Vermieter nicht hören wollte. Mein Vermieter, ein Mann um die 50, mit zweiter Frau, erwachsenen, sowie kleinen Kindern und einem offensichtlichen Alkoholproblem.
Meine Reaktionen waren anfangs nett und freundlich. Warum, das weiß ich heute nicht genau. Wahrscheinlich wollte ich es mir einfach nicht mit meinem Vermieter verscherzen. Doch diese Nachrichten verschickte er immer wieder. An bestimmten Tagen. Mir kam es so vor, dass er betrunken war. Er ekelte mich an. Ich blieb sachlich und gab ihm zu verstehen, dass ich das nicht wollte. Für eine Weile war Ruhe. Aber sie hielt nicht lange an.

Er ekelte mich an. Ich blieb sachlich und gab ihm zu verstehen, dass ich das nicht wollte. Für eine Weile war Ruhe. Aber sie hielt nicht an.

Nach einigen Monaten spielte ich mit dem Gedanken, mir eine neue Bleibe zu suchen. Die Wohnung war auf Dauer einfach zu klein. Doch so wirklich dazu durchringen konnte ich mich nicht. Ich hatte mich mit meinen Nachbarn angefreundet, einer Patchwork-Familie. Wir verstanden uns gut.
Eines Abends, als wir mal wieder zusammen saßen, kam uns die Idee, einen Grill-Abend mit der Nachbarschaft auf die Beine zu stellen. In dem Mietshaus lebten sechs Parteien. Ganz unterschiedliche Zeitgenossen. Warum also nicht mal die Leute etwas besser kennenlernen? Und so folgten am Ende vier von sechs Parteien unserer Einladung. Für uns war es ein Erfolg und Grund genug, sich auf einen entspannten Sommerabend zu freuen.

Eines Abends, als wir mal wieder zusammen saßen, kam uns die Idee, einen Grill-Abend mit der Nachbarschaft auf die Beine zu stellen. Warum nicht mal die Leute etwas besser kennenlernen?

Der Sohn des Vermieters durfte nun ganz offiziell die Musik aufdrehen und hatte alle seine Freunde dabei. Da wir uns den Grill vom Vermieter ausleihen wollten, erzählten wir ihm von unserem Vorhaben und luden ihn und seine Familie auch ein. Sie wohnten immerhin nur 100 Meter entfernt. Unser Vermieter folgte unserer Einladung. Er kam jedoch ohne Anhang, dafür mit zwei Flaschen Wein. Soweit so gut.
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Je später es wurde, desto lockerer war die Stimmung der Runde. Das Essen schmeckte hervorragend. Meine Nachbarin hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Jeder hatte seinen Teil zu diesem geselligen Abend beigetragen und wir freuten uns, dass es so gut aufgenommen wurde und man sich unter Nachbarn mal mehr zu sagen hatte, als ein „Hallo“.
Auch unser Vermieter brachte sich in die Gespräche ein. Alles war entspannt. Die Jugend verabschiedete sich irgendwann und auch das junge Paar ging bald schlafen. Meine Nachbarn, der Vermieter und ich waren übrig geblieben. Ich merkte bereits, dass die Männer auf einem guten Level unterwegs waren.
Mein Nachbar verschwand irgendwann. Wie ich später erfuhr, war er am Küchentisch eingeschlafen. Meine Nachbarin und ich wollten noch austrinken. Wir unterhielten uns. Unser Vermieter hatte sich neben mich gesetzt.

Wir waren mitten in der Unterhaltung, als ich eine Hand bemerkte, die an Stellen langte, wo sie nicht hingehörte.

Wir waren mitten in der Unterhaltung, als ich eine Hand bemerkte, die an Stellen langte, wo sie nicht hingehörte. Sie berührte mich am Rücken. Zuerst nur kurz. Dann erneut. Diese Hand wanderte ziemlich entschlossen über meinen Rücken, an meinem Hintern und meinen Beinen entlang. Ich erstarrte. Konnte mich nicht mehr bewegen.
Meine Nachbarin, die uns gegenüber saß, bemerkte zuerst nichts. Mit meinen Augen versuchte ich ihr schließlich zu signalisieren, was hier gerade passiert. Mein Vermieter war betrunken und wurde immer aufdringlicher. Ich nahm seine Hände und schob sie von mir weg. Doch er ließ nicht locker.
Ich stand auf und begann, aufzuräumen. Ich verstand nicht, was da gerade passierte. Meine Nachbarin machte es mir nach und brachte die ersten Sachen nach oben. Sie wollte auch ihren Lebensgefährten wecken. In diesem Moment ließ sie mich mit ihm allein.
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Er kam auf mich zu und fing wieder an mich zu begrapschen. Dieser riesige, besoffene, widerliche Typ.

Er kam auf mich zu und fing wieder an mich zu begrapschen. Dieser riesige, besoffene, widerliche Typ. Er fasste an meinen Busen und zwang mir einen Kuss auf. Ich erinnere mich noch gut an seinen schweren Körper und dass er lallte.
Ich konnte ihn von mir wegstoßen. In diesem Augenblick kamen meine Nachbarn wieder runter. Wir alle gaben ihm zu verstehen, dass er nach Hause gehen soll. Das tat er dann zum Glück auch. Er stolperte vorbei an der Bierzeltgarnitur nach draußen.
Ich stand unter Schock.
Am Morgen danach lag mein Handy neben mir. Mit müden Augen und Kopfschmerzen schielte ich darauf. Eigentlich nur, um zu sehen, wie spät es ist. Doch was ich sah, war eine Nachricht vom Vermieter.

Ich hoffte inständig, dass er sich im Nachhinein für seine Tat schämte und sich entschuldigen wollte. Ich sollte jedoch eines besseren belehrt werden.

Jetzt dämmerte es mir wieder. Das war kein böser Traum. Scheiße! Ich hoffte inständig, dass er sich im Nachhinein für seine Tat schämte und sich entschuldigen wollte. Ich sollte jedoch eines besseren belehrt werden.
Seine Nachricht machte mir klar; mit diesem Menschen stimmt etwas nicht. Und es begann mich zu gruseln.
In den darauffolgenden Monaten träumte ich immer wieder davon, dass mein Vermieter mitten in der Nacht vor meinem Bett stand. Mir war klar; ich musste aus dieser Wohnung ausziehen!
Heute, in meiner neuen Wohnung, mit einer neuen Telefonnummer, denke ich manchmal immer noch an ihn. Dann denke ich über mein Verhalten nach und frage mich, warum ich nicht viel entschlossener und direkter reagiert habe.
Warum bin ich freundlich geblieben?
Warum bin ich erstarrt?
Warum habe ich ihm keine gescheuert oder ihn angezeigt?
Und was macht er mit meiner Nachmieterin?
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