Es gibt Menschen, die ganz einfach keinen Stress empfinden. Nachdem im Fernsehen eine Studie erwähnt wurde, welche die langfristigen Folgen von Stress auf das Herz untersucht, wünsche ich mir noch mehr, ich wäre einer dieser Menschen. Ich kann morgens nicht einmal mit der Bahn zur Arbeit fahren, ohne meditative Atemübungen machen zu müssen, weil ich sonst entweder kollabieren oder gepflegt ausrasten würde.
Nun könnte man meinen, der Stress sei ein Symptom unserer Leistungsgesellschaft. Ist bestimmt auch wahr, aber trotzdem muss es doch da mehr geben, als es nur immer wieder auf die Arbeit, die Gesellschaft und die Freunde zu schieben. Sind manche Menschen nicht vielleicht auch einfach eher dazu veranlagt, gestresst zu sein als andere? Warum erleiden die einen bei Stress einen Hörsturz, den anderen fallen die Haare aus und wieder andere finden keine ruhige Minute Schlaf mehr. Und dann sind da noch die, die das alles kaum bis gar nicht tangiert. Wie machen die das?
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Nun, da gibt es einige Ansätze: Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass Menschen, die wenig Stress empfinden, einfach ihr Zeitmanagement besser im Griff haben. Sie stauen nichts an, lassen nichts liegen, keinen Brief ungeöffnet und widmen sich der Bewältigung einer jeden relevanten Aufgabe sofort. So bekämpfen sie das zyklische Wiederkehren von Ängsten und kurzen Panikattacken.
Zu diesem Thema haben wir mit Dr. Melanie Greenberg gesprochen. Dr. Greenberg hat ist Autorin von The Stress-Proof Brain, einem Buch, das sich der Erforschung von Strukturen und Abläufen im Hirn stressfreier Menschen widmet.
Was ist rein körperlich entscheidend dafür, ob man Stress empfindet oder nicht und wie man auf ihn reagiert?
„Da gibt es definitiv rein biologische Unterschiede. Manche Menschen sind einfach sensibler als andere, was Stress und Angstzustände angeht. Und selbst unter denen, die anfällig sind, gibt es nochmal Unterscheidungen von schwach bis stark ausgeprägt. Und dann gibt es noch eine Gruppe, die wir „Unterdrücker“ nennen. Auf einem Fragebogen würden sie sich selbst als wenig anfällig beschreiben, ihre Defensivhaltung ist jedoch sehr hoch, [was dafür spricht, dass sie ihre Ängste lediglich unterdrücken.]“
„Da gibt es definitiv rein biologische Unterschiede. Manche Menschen sind einfach sensibler als andere, was Stress und Angstzustände angeht. Und selbst unter denen, die anfällig sind, gibt es nochmal Unterscheidungen von schwach bis stark ausgeprägt. Und dann gibt es noch eine Gruppe, die wir „Unterdrücker“ nennen. Auf einem Fragebogen würden sie sich selbst als wenig anfällig beschreiben, ihre Defensivhaltung ist jedoch sehr hoch, [was dafür spricht, dass sie ihre Ängste lediglich unterdrücken.]“
„Ausschlaggebend ist außerdem auch, was man in der Kindheit lernt. Wer in einer dysfunktionalen Familie aufwächst oder in der Kindheit traumatische Erfahrungen macht, der wird mental anders strukturiert und aufgebaut sein, und mit großer Wahrscheinlichkeit nicht stressresistent sein. Es verhält sich fast so, als würde diese Vorgeschichte das Stressempfinden zusätzlich verstärken. Vor allem dann, wenn man nie eine Therapie besucht oder bewusst versucht hat, das Trauma auszuarbeiten.“
„Auch die gesellschaftlichen Erwartungen an den individuellen Umgang mit Stress spielen eine zentrale Rolle. Wer mit Stress schon erfolgreich umgegangen ist oder ihn bewältigt hat, der lässt sich unter Umständen nicht mehr ganz so einfach davon aus der Ruhe bringen, vielleicht führt der Stress sogar zu Inspiration und Schaffensphasen. Das kann jedoch sogar von Kultur zu Kultur variieren.“
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Wie sind Menschen, die keinen Stress empfinden, anders?
„Ich denke, da gibt es zwei Gruppen: Der einen geht es nicht tatsächlich besser, sie verdrängt und ignoriert den Stress ganz einfach. Das mag sogar die ungesündeste Variante von allen sein, denn es wird vieles getan, nur das Problem wird nicht angegangen.“
„Ich denke, da gibt es zwei Gruppen: Der einen geht es nicht tatsächlich besser, sie verdrängt und ignoriert den Stress ganz einfach. Das mag sogar die ungesündeste Variante von allen sein, denn es wird vieles getan, nur das Problem wird nicht angegangen.“
„Die zweite Gruppe ist wohl einfach stresstoleranter. Das kann aus mehreren Gründen so sein, von besserem Zeitgefühl über unterstützende Menschen, die an einen glauben, bis hin zu Vorbildern, die einem schon voraus sind, von denen man auch noch etwas lernen kann und die womöglich schon mehr Erfahrungen haben als man selbst. Das ist eine Grundlage, die oft viel ausmacht. Denn so bekommt man vorgelebt, wie es ist, über den Tellerrand zu schauen, Großes zu erreichen, was es bedeutet, sich Führungsqualitäten zu erarbeiten, zum Beispiel. Wer Vorbilder hat, die von der Norm abweichen, der kann oft auch besser mit Rückschlägen und kritischen Gegenstimmen umgehen.“
„Das heißt nicht, dass diese Menschen keinen Stress empfinden. Es handelt sich dann aber eher um effizientes Stressmanagement. Das ist etwas, das man lernen kann, wie es beispielsweise auch viele CEOs tun. Eine Routine, die man sich aneignet, die dem nächsten Stressfaktor den Wind aus den Segeln nehmen kann.“
Und wie kann sich der Rest besser gegen Stress wappnen?
„Die Forschung hat über die Jahre bewiesen, dass die Art und Weise, wie man mit dem Stress umgeht, genauso wichtig ist, wie die Stressoren selbst. Das bedeutet, man muss den Schlüssel zu seinem ganz eigenen Bewältigungsmechanismus finden. Sich bei vielen Situationen, die einen schnell aus der Ruhe bringen, selbst fragen, Warum bin ich gestresst und was kann ich daraus lernen? Wie kann ich daran wachsen? Oft ist es nämlich die eigene Einstellung und die damit verbundene Wahrnehmung, die aus einem Ereignis, das vielleicht sogar eine Chance wäre, etwas Negatives macht.“
„Die Forschung hat über die Jahre bewiesen, dass die Art und Weise, wie man mit dem Stress umgeht, genauso wichtig ist, wie die Stressoren selbst. Das bedeutet, man muss den Schlüssel zu seinem ganz eigenen Bewältigungsmechanismus finden. Sich bei vielen Situationen, die einen schnell aus der Ruhe bringen, selbst fragen, Warum bin ich gestresst und was kann ich daraus lernen? Wie kann ich daran wachsen? Oft ist es nämlich die eigene Einstellung und die damit verbundene Wahrnehmung, die aus einem Ereignis, das vielleicht sogar eine Chance wäre, etwas Negatives macht.“
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„Was außerdem hilft, ist die Erinnerung an schwierige Momente in der Vergangenheit, die man bereits überstanden hat. Man kann sich immer auch selbst daran erinnern, dass man etwas Schlimmes oder Anstrengendes oder Beanspruchendes nicht zum ersten Mal durchlebt. Und doch ist man ja dort angelangt, wo man ist. Der Stress hat einen möglicherweise auch schon einmal weitergebracht. Außerdem sollte man die Situation in Gedanken sezieren: Was kann ich ändern und was nicht? Mit den Dingen, die man nicht ändern kann, sollte man beginnen Frieden zu schließen, sonst verschwendet man nur Energie.“
„Abschließend und auf lange Frist kann ich nur empfehlen, gnädiger mit sich selbst zu sein. Die bedingungslose Liebe, die wir uns von anderen wünschen, muss immer bei uns selbst anfangen. Man sollte mit sich so tolerant und vergebend sein, wie man es häufig mit anderen sein. Perfektionismus im Beruf ist eine Sache, Perfektionismus auf menschlicher Ebene führt auf lange Sicht zu wenig. Auch Meditation schadet da übrigens nicht.“
Zugegeben, in Anbetracht dieser To-Do-Liste zur Stressbewältigung kann einem eigentlich wieder schwindelig werden. Aber wir werden es versuchen. Schritt für Schritt. Denn wir glauben an uns und an euch.
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