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Was die Farbe millennial pink über eine ganze Generation verrät

Foto: Eric T. White.
Minimalistische Beauty Brands schmücken sich mit ihr, von den Laufstegen ist sie ohnehin nicht mehr wegzudenken und auch Women Only Clubs haben sie längst zum neuen leading trend erkoren. Die Rede ist von millennial pink – die Farbe der Stunde – und so langsam frage ich mich, wieviel rosaner es nach Pantone Rose Quartz und Pale Dogwood eigentlich noch werden kann. Pfingstrosen, Flamingos, Zuckerwatte und die pinkfarbene Plüsch-Szenerie des Londoner Szene-Restaurants Sketch feiern im Netz jedenfalls Hochkonjunktur. Und welche Farbe hatte wohl das Objekt der Begierde auf der Milan Design Week im April dieses Jahr? Natürlich millennial pink! Marc Anges Dschungelbett war sicher nicht allein wegen seines überdimensionalen Himmels aus skulpturalem Blätterwerk kurzerhand der Star auf Tumblr, Instagram und Co. Pünktlich zum Erscheinen dieses Texts lanciert dann auch noch das italienische Modehaus Miu Miu sein aktuelles Kampagnenvideo Room 303 für den Herbst 2017. Der Schauplatz: ein traditionsreiches Londoner Hotel mit rosafarbenen, bodenlangen Vorhängen. Zeit, dem Hype mal auf den Grund zu gehen.
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Der Name millennial pink klingt dabei hochtrabender als er seiner Herkunft nach eigentlich ist. Denn die Farbe heißt lediglich deswegen so, weil sie vor allem die Generation der sogenannten Millennials, allgemeinläufig auch Generation Y genannt, anspricht. Zu der werden wiederum alle 18- bis 35-Jährigen gezählt – damit also auch ich! Modisch kann ich persönlich mit dieser Farbe, die irgendwo zwischen Babyrosa, Pfirsich, Lachs und Grapefruit anzusiedeln ist (ein unbeständiger Ton, dabei gleichzeitig hochflexibel, ganz im Sinne der Generation Y) trotzdem wenig anfangen. Ich störe mich ehrlicherweise aber auch nicht so recht an ihr (ertappt!), denn Aufdringlichkeit kann man ihr ja nun auch irgendwie nicht nachsagen. Kein Wunder also, wurde sie auch von den Designern zum modischen Hingucker der Saison erkoren: Rochas, Prada, Nina Ricci, Adam Lippes und Gucci machen es vor, Promis wie Gigi Hadid und Rihanna nach und wir mit. Ton-in-Ton puderpink ist so ziemlich der letzte Schrei – ob als neuester Streetstyle auf Instagram, in Form des morgendlichen Coffee-to-go Bechers, der It-Bucket Bag für alle Fälle, ja selbst der Polsterbezug für die neue Wohnzimmer-Couch; über unsere Generation scheint sich unaufhaltsam ein blassrosaner Schleier zu legen. In Zeiten der Krise kein Wunder? Vielleicht!

Neben all dem scheinbaren Kitsch ist millennial pink auch eine Art Nicht-Rosa und alles andere als Barbie, Kaugummi oder Prinzessin.

Bevor ein Trend jedoch so viral gehen kann wie dieser Hype, muss er erst einmal als solcher befunden werden. Wann genau wir diesen Zeitpunkt im Falle millennial pink schreiben, ist dabei aber eigentlich nicht wirklich relevant. Den ersten Meilenstein seiner steilen und jetzt schon mehrjährigen Karriere markiert aber vielleicht Wes Andersons 2014 erschienene Tragikomödie „Grand Budapest Hotel“. Denn beide haben eines gemein: Sie komprimieren das Leben der Generation Y auf ein Bild aus scheinbaren Oberflächlichkeiten – im Film eindrucksvoll repräsentiert vom androgynen Concierge Gustave H. (seinesgleichen Verehrer schöner Dinge und Herrscher über (s)eine prekäre Traumwelt) und seiner Entourage: reiche, scheinbar alleinstehende, ältere Damen. Die Farbe der Fassade seiner neuschwansteinhaften Herberge: millennial pink (klar)! Alles ein Indiz für eine ein bisschen zu wohl situierte und doch irgendwie verlorene Generation der zwischen 1980 und 1999 Geborenen? Der Gedanke haftet der Farbe wie ein bitterer Beigeschmack zweifelsohne an!
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Ob der einflussreiche Architekt Frank Lloyd Wright von all dem bereits etwas ahnte, als er in den 1930er Jahren seine Entwürfe für das von einer Nautilus-Muschel inspirierte Guggenheim Museum in New York einreichte? Wahrscheinlich nicht! Die Fassade würde nach heutigem ästhetischen Befinden ohnehin anders aussehen. Denn was nur wenige wissen: neben der weißen Version fanden sich unter den Skizzen auch zwei pinkfarbene Vorschläge: ein helles, rötlicheres und ein pfirsichfarbenes Pink, das dem allgegenwärtigen millennial pink auffällig nahe kommt. In seiner später etablierten Taliesin West-Farbpalette gab er ihnen die Namen Wright Shell Pink und Wright Flesh Pink. Waren sie bereits Inspiration für das heutige Tumblr Rosa, Scandi- und Passiv Pink (natürlich hat sich die Generation Y auch noch auf keine fixe Bezeichnung festlegen können und so kursieren im Netz munter die skurrilsten Bezeichnungen)?
Vielleicht tun wir ihr aber auch Unrecht, wenn wir sie immer nur mit der Lieblingsfarbe kleiner Mädchen und der Unsicherheit einer ganzen Generation gleichsetzen. Vielleicht ist der Erfolg von millennial pink auch weniger durch sein Äußeres als vielmehr durch die Idee dahinter zu erklären. Fakt ist: Neben all dem scheinbaren Kitsch ist millennial pink auch eine Art Nicht-Rosa und alles andere als Barbie, Kaugummi oder Prinzessin. Vielmehr sehen andere in ihm sogar ein farbgewordenes Synonym für alle Ideale, die der zeitgenössische Feminismus in der letzten Zeit so hervorgebracht hat: unerschrockene Weiblichkeit bei gleichzeitiger Befreiung von den zwanghaft gesellschaftlichen Ketten der Vergangenheit. Hat dieser zurückhaltende, unschlüssige Farbton also vielleicht sogar eine ziemlich klare Botschaft, ist gar als Statement zu verstehen? Auch das wäre möglich (alle Optionen offen halten, auch klar)! Der zeitgenössische Feminismus hat jedenfalls schon lange keine Angst mehr vor der Gendering-Falle. Im Gegenteil: Frauen stehen in vollen Zügen zu ihrem Dasein und fordern darüber hinaus sogar regelrecht die Rückbesinnung auf alte Traditionen, wenn es um den weiblichen Körper und seine Gesundheit geht. Weiblichkeit wird per se nicht einfach neu definiert, sondern vielmehr anhand althergebrachter Ansätze neu aufgelegt. Erlaubt ist dabei, was gefällt und Spaß macht – ohne Angst vor Konsequenzen wie die unnötige Stigmatisierung solcher Erscheinungen. Warum also nicht eine Farbe, die mindestens so unaufgeregt lässig ist und dabei gleichzeitig für so viel Kontroverse sorgt, wie die Generation Y selbst, als Schlüsselmotiv wählen? Denn neben all dem Wankelmut, an Selbstbewusstsein mangelt es uns Millennials ganz offenbar nicht! Da scheint es plötzlich auch nicht mehr allzu absurd, wenn wir allen voran mit rosafarbener Flagge in die Revolution ziehen, oder? Vielleicht ist es an der Zeit nicht jeden Trend immer nur durch die rosarote Brille zu sehen, sondern hin und wieder zu hinterfragen oder aber einfach mit etwas mehr Gelassenheit hinzunehmen.
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