Frauen im Nebel des Waldes, lange Gewänder, Elixiere, Kristalle, Tarotkarten, Nacktkatzen, Pentagramme. Ach, eben das komplette Programm des Okkulten, der Magie und der Esoterik findet sich bei Instagram. Na, klar, was lässt sich heute nicht unter einem Hashtag zusammenfassen – so finden sich unter #witchcraft aktuell 2.368.775 Beiträge, #witchesofinstagram versammelt 2.003.442 Posts von jungen Frauen, für die „Hexe“ längst kein Schimpfwort mehr ist. Im Gegenteil, der Begriff feiert ein Comeback, er ist stärker und akzeptierter als je zuvor. Er beschreibt heute eine Frau, die naturverbunden ist, den Bund der Weiblichkeit ehrt und Tradition und Handwerk feiert.
Aber erst einmal von vorne: Hexerei ist hip – woher kommt das? Gerade junge Generationen sind von dieser Welt des Spirituellen fasziniert: Eine Forschung von „Life Way Christian Resources“ ergab, dass 72 Prozent der Millennials sich als spirituell, nicht aber als religiös bezeichnen. Zur Glaubensfrage kommt aber noch mehr hinzu: In Zeiten, in denen Female Empowerment, Selbstliebe und Nachhaltigkeit propagiert werden, finden viele ihren Zugang durch kleine Rituale: „Ich lege Lenormandkarten und helfe mir und Freund*innen mal bei Schwierigkeiten mit kleinen Zeremonien, ich liebe diese Energie dabei. Oft läuft mir auch ein Schauer über den Rücken“, sagt Jantina, 28. Auch sie ist eine dieser #witchesofinstagram. Im Netzwerk nennt sie sich @luna.rave und zählt 24.100 Follower, mit denen sie ihre Kräuterrezepte, ihre Rituale, eben ihre persönliche Auffassung von zeitgemäßer Magie teilt.
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Wicca, so nennt sich die Religion, die neuheidnische Bewegung, zu der sich auch Jantina zugehörig fühlt. Sie zelebriert zum Beispiel den Wicca-Jahreskreis. Das Jahresrad mit seinen acht jahreszeitlichen Festtagen symbolisiert den Zyklus von Werden und Vergehen in der Natur. „Als Hexe würde ich mich als Eclectic Solitary beschreiben. Ich arbeite allein und nehme mir aus allen Kategorien des Heidentums das, womit ich mich wohl und verbunden fühle“, erklärt sie. Mit zwölf Jahren kam sie das erste Mal mit dem Thema Witchcraft in Berührung, fürs Okkulte interessierte sie sich aber schon ihr Leben lang – und plötzlich erlebt ihre Leidenschaft Hochkultur dank der sozialen Medien: „Instagram ist für die Witchcraft-Szene perfekt, zum einen durch den ästhetischen Aspekt und zum anderen durch die Offenheit der Menschen. Hier ist es nicht unangenehm, darüber zu reden, man findet und vernetzt sich viel einfacher.“
Eine interessante Bewegung: Die Feminismus-Welle schwappte an vielen Stellen in eine spirituelle Bewegung, auch Jantina feiert mit ihrer Lebensweise die Kraft des Weiblichen: „Hexen folgen ihren eigenen Regeln, sie stehen für etwas ein und sind im Charakter gefestigt und stark. Das ist wohl einfach das Bild einer emanzipierten Frau.“
Manchmal werde die 28-Jährige gefragt, ob sie eine Satansanbeterin sei, aber wirklich angefeindet wird sie nicht. „Ich finde, dass es mittlerweile nicht mehr wirklich Vorurteile gegenüber Hexen gibt. Das liegt daran, dass in den letzten drei Jahren Witchcraft einfach mega gehypt worden ist. Es hat sich viel getan und darüber bin ich sehr glücklich.“ Ja, die Hexen-Community wächst und auch die Popkultur reagiert.
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Gerade erst startete das Remake von Sabrina – Total verhext aus den 90ern auf Netflix in Deutschland. Die moderne Fassung Chilling Adventures of Sabrina ist zeitgemäß: feministisch und politisch. Auch die neue Version der drei magischen Schwestern von Charmed ist gerade im US-Fernsehen angelaufen und behandelt aktuelle Gesellschaftsdiskussionen, zum Beispiel #MeToo. Kleiner Spoiler: In der neuen Serie unterrichtet die Mutter der drei Hexen zu Lebzeiten im Fach „Frauenforschung”.
Bedenkt man die dunkle Geschichte, dass in Europa etwa 400 Jahre langScheiterhaufen brannten und mindestens neun Millionen Frauen im Namen der Hexenjagd getötet wurden, ist #witchesofinstagram ein zauberhafter Zeitgeist.
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