Gesundheit und Wohlbefinden während und nach der Schwangerschaft sind Themen, über die glücklicherweise in den letzten Jahren immer offener gesprochen wird. Was in der öffentlichen Debatte aber leider immer noch zu kurz kommt: Nicht nur körperlich ändert sich eine ganze Menge, wenn Frauen Kinder erwarten und gebären, auch die psychische Verfassung kann sich während dieser Zeit verändern.
In der vergangenen Woche teilte die Sängerin Adele auf ihren Social-Media-Kanälen ein Bild von sich und ihrer besten Freundin Laura Dockrill. Diese hatte auf einem Blog ein Stück verfasst, in dem sie ihre postnatale Psychose thematisiert. Anders als postnatale Depressionen, die weit häufiger vorkommen, handelt es sich hierbei um eine selten auftretende psychische Erkrankung nach der Geburt, bei der Halluzinationen und Wahnvorstellungen auftreten. Dockrill schrieb: „Es ist nicht leicht, gestehen zu müssen, dass die schlimmste Zeit, die du in deinem Leben durchmachen musstest, die kurz nach der Geburt deines Kindes war.“ Sie erlebte in dieser Zeit „Wahnvorstellungen, Stimmungsumschwünge, Schlaflosigkeit, Paranoia, Angstzustände und heftige Depressionen.“
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Adele schrieb bei Twitter: „Das ist meine beste Freundin. […] Vor sechs Monaten hat sie meinen wunderschönen Patensohn zur Welt gebracht. Dieses Ereignis ist die größte Herausforderung gewesen, der sie sich jemals stellen musste. Sie hat einen wahnsinnig intimen, witzigen, herzzerreißenden Text darüber geschrieben, wie es ist, Mutter zu werden und die Diagnose postnatale Psychose gestellt zu bekommen. Mamas, traut euch über eure Gefühle zu sprechen. Es gibt Fälle, in denen das euer und das Leben anderer retten könnte.“
https://t.co/1WDiyFHfNm pic.twitter.com/hLmmKaTkOa
— Adele (@Adele) August 13, 2018
Postnatale Psychosen treten im Vergleich zu postnatalen Depressionen wie schon erwähnt verhältnismäßig selten auf. Etwa 0,1 bis 0,3 Prozent der Mütter bekommen diese Krankheit, postnatale Depressionen hingegen werden bei etwa 15 Prozent festgestellt.
Dr. Marra Ackerman ist Assistenzprofessorin für Psychiatrie am Langone Medical Center in New York City. Sie erklärt: „Bei Wochenbettpsychosen handelt es sich um einen psychiatrischen Notfall, der dringend behandelt werden muss. Patientinnen mit psychotischen Symptomen müssen umgehend ins Krankenhaus gebracht und untersucht werden. In so gut wie hundert Prozent der Fälle werden Frauen, bei denen diese Krankheit festgestellt wird, psychiatrisch eingewiesen, da postnatale Psychosen mit einem sehr hohen Risiko für das Leben von Mutter und Kind einhergehen, entweder in Form von Suizid oder Kindsmord.“
In der Regel sind die Symptome hierfür auffällig und treten innerhalb von zwei Wochen nach der Geburt auf. In selteneren Fällen können sie aber auch über diesen Zeitpunkt hinaus noch auftreten. Die Patientinnen verlieren den Bezug zur Realität, halluzinieren oder haben manische Stimmungslagen. Auch nach einem in der Regel mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt müssen die Betroffenen, wenn sie wieder zu Hause sind, weiterhin Medikamente nehmen und intensiv beobachtet und im Alltag unterstützt werden.
Karen Kleiman ist Sozialarbeiterin und hat in den USA, im Bundesstaat Pennsylvania, das Postpartum Stress Center gegründet, das Frauen, die unter psychischen Problemen während und nach der Schwangerschaft leiden, unterstützt. Sie sagt:„Wie bei jeder anderen psychischen Erkrankung auch, ist eine Patientin dann auf dem Wege der Besserung, wenn sich die Symptome signifikant reduzieren und sie die alltäglichen Aufgaben wieder bewältigen kann. Speziell für die Wochenbettpsychose bedeutet das, dass die Betroffene wieder zur Realität zurückkehrt, die Wahnvorstellungen aufhören, sie weniger paranoide Zustände erlebt, die Gedanken aufhören, zu rasen und die Hyperaktivität zurückgeht, sodass sie wieder besser schlafen kann.“
Für einige, die sich von der Psychose erholen, steigt jedoch das Risiko für Depressionen. Unter anderem deshalb ist es so wichtig, die Therapie auch dann fortzusetzen, wenn die akuten Symptome abklingen. Die Behandlung ist dann abgeschlossen, wenn der oder die behandelnde Arzt oder Ärztin sie für beendet erklärt. Wenn jemand eine Episode einer postnatalen Psychose hinter sich gebracht hat, steigt außerdem das Risiko, noch einmal eine zu bekommen, um 50 Prozent. „Frauen dieser Risikogruppe sollten während einer weiteren Schwangerschaft besonders gründlich und regelmäßig untersucht werden.“ Es gibt aber auch gute Nachrichten: Wenn eine Wochenbettpsychose diagnostiziert und behandelt worden ist, „ist die Aussicht auf eine vollständige Heilung in der Regel sehr gut“, so Kleinman.