#DirtyThirty: Maren Aline Merken ist 30 Jahre alt, Wahlberlinerin mit Herz für die Hauptstadt und dennoch ständig unterwegs. Ob auf Recherchereise im kunterbunten Indien, auf der Suche nach den neusten Foodtrends im lebhaften Johannesburg oder beim leicht chaotischen Familien-Kaffeeklatsch in ihrer Geburtsstadt Düsseldorf – sie ist neugierig, begeisterungsfähig, wortverliebt und gar nicht mal so spießig, wie sie selbst sich Ü30-Frauen als Teenager vorgestellt hat. Immer hungrig auf Neues feiert sie das Leben mit der 3 vorne – und versteht bis heute nicht, wie man Angst vor dem 30. haben kann.
Wenn ich überlege, wer aus meinem Abiturjahrgang noch in meiner Heimat Düsseldorf wohnt, dann sind das schätzungsweise maximal ein Drittel. Und einige davon waren zumindest zwischendurch weg, Reisen oder Arbeiten im Ausland oder irgendwo anders in Deutschland für die Ausbildung oder das Studium. Im 21. Jahrhundert sind wir überall Zuhause und gewohnt, dass man für den Traumjob eben auch mal die Stadt oder gar das Land wechseln muss. Dass die neue Liebe manchmal einen Umzug mit sich bringt und der perfekte Studiengang eben nur an der Uni etliche Kilometer entfernt vom alten Heimathafen zu finden ist. Aber ist der neue Wohnort dann auch gleich ein „Zuhause"? Was gehört dazu, damit ein neuer Wohnort Heimat wird und was macht das mit unserer richtigen, alten Heimat?
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An den Wänden hängen Bilder, Objekte, Skateboards, Notizen – aber das sehe ich nicht. Ich sehe die Erinnerungen, die dort hängen.
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Heimat wird im Duden wie folgt definiert: Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend). Ichkenne Menschen, die sind an Orten geboren und aufgewachsen und würden diese niemals als Heimat bezeichnen. Weil Heimat auch immer zusammenhängt, mit den Menschen, die uns begleiten und uns ein Gefühl von Geborgenheit geben. Auch wenn die Wortherkunft mit Heim zusammenhängt, hat Heimat für mich selten etwas mit dem Haus, der Wohnung, dem Heim an sich zu tun. Ich muss mich wohlfühlen in meinen vier Wänden, das ist klar, aber das macht einen Ort lange nicht zur Heimat.
Wenn ich nach einer meiner vielen privaten oder Dienstreisen die Tür zu meiner Altbauwohnung in Tempelhof aufschließe, hinter der zumindest die eine meiner zwei Katzen erwartungsvoll die Nase in meine Richtung streckt, wenn ich meine Zimmer sehe, den massiven Esstisch, den mein Vater mir gebaut hat, und die tolle Kommode, die ich einer Freundin abgekauft habe, dann fühle ich mich zuhause. An den Wänden hängen Bilder, Objekte, Skateboards, Notizen – aber das sehe ich nicht. Ich sehe die Erinnerungen, die dort hängen. Ein Bild von Piotr, der auf dem Board einen no comply polegrind im Düsseldorfer Hafen absolviert. Ein weißer Obstkorb, den ich mal in Marokko gekauft habe und der sich als Wandobjekt viel besser macht. Geldscheine aus fernen Ländern, ein Polaroidbild von mir und meinem Liebsten an meinem 30. Geburtstag, das Hochzeitsbild meiner Eltern, leger wie eh und je, in Jeanshemd und Bluse. Sogar der eine Rahmen, der noch immer leer ist und nur den Inhalt PHOTO FRAME displayed, ist eine Erinnerung. Eine daran, dass noch Platz ist an dieser Wand, in diesem Leben.
Ich kann hier von hundert auf null schalten und streife schnell Stress, der von außen kommt, ab, weil das hier mein Hafen ist. Es hat nicht lange gedauert, bis Berlin mein Heimathafen war. Ich war schon bevor ich hingezogen bin regelmäßig in der Stadt, kannte den Aufbau und die Infrastruktur der Viertel und hatte viele Freunde hier. Menschen, die ich anrufen kann, wenn ich spontan Lust habe etwas zu unternehmen oder es etwas gibt, das mich bedrückt. Auch das ist für mich Heimat, gelangweilt zuhause sitzen, ins Handy schauen und wissen, ich kenne hier mindestens zehn Leute, die ich spontan anrufen kann.
Wenn ich nach einer meiner vielen privaten oder Dienstreisen die Tür zu meiner Altbauwohnung in Tempelhof aufschließe, hinter der zumindest die eine meiner zwei Katzen erwartungsvoll die Nase in meine Richtung streckt, wenn ich meine Zimmer sehe, den massiven Esstisch, den mein Vater mir gebaut hat, und die tolle Kommode, die ich einer Freundin abgekauft habe, dann fühle ich mich zuhause. An den Wänden hängen Bilder, Objekte, Skateboards, Notizen – aber das sehe ich nicht. Ich sehe die Erinnerungen, die dort hängen. Ein Bild von Piotr, der auf dem Board einen no comply polegrind im Düsseldorfer Hafen absolviert. Ein weißer Obstkorb, den ich mal in Marokko gekauft habe und der sich als Wandobjekt viel besser macht. Geldscheine aus fernen Ländern, ein Polaroidbild von mir und meinem Liebsten an meinem 30. Geburtstag, das Hochzeitsbild meiner Eltern, leger wie eh und je, in Jeanshemd und Bluse. Sogar der eine Rahmen, der noch immer leer ist und nur den Inhalt PHOTO FRAME displayed, ist eine Erinnerung. Eine daran, dass noch Platz ist an dieser Wand, in diesem Leben.
Ich kann hier von hundert auf null schalten und streife schnell Stress, der von außen kommt, ab, weil das hier mein Hafen ist. Es hat nicht lange gedauert, bis Berlin mein Heimathafen war. Ich war schon bevor ich hingezogen bin regelmäßig in der Stadt, kannte den Aufbau und die Infrastruktur der Viertel und hatte viele Freunde hier. Menschen, die ich anrufen kann, wenn ich spontan Lust habe etwas zu unternehmen oder es etwas gibt, das mich bedrückt. Auch das ist für mich Heimat, gelangweilt zuhause sitzen, ins Handy schauen und wissen, ich kenne hier mindestens zehn Leute, die ich spontan anrufen kann.
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Zuhause ist aber irgendwie auch Düsseldorf, denn da bin ich geboren, dort habe ich lange gelebt und kenne jeden Winkel. Egal ob die kleine Straße mit Tempo 30, in der das Dreifamilienhaus mit Garten meiner Eltern steht, oder das schwarz-weiße Altbauhaus, in dem ich mit einem meiner Expartner gewohnt habe. Auch heute noch, nach Jahren, kenne ich die Gastronomen der Stadt, muss ein bisschen grinsen, wenn ich an meiner alten Schule vorbeilaufe und daran denke, wie erwachsen wir uns doch gefühlt haben als blutjunge Teenager, treffe im Zentrum bei einem Bummel minimum ein bekanntes, freundliches Gesicht und auch nachts weiß ich noch, wo ich zu später Stunde einen Drink aufs Haus bekommen kann oder jemanden treffe, dessen Name ich kenne. Mein Herz geht auf, wenn ich an der beeindruckenden Rheinpromenade stehe und auf die unverschämt schöne Skyline mit dem kerzengeraden Fernsehturm blicke, unter dem mächtig und laut Vater Rhein entlangrauscht. Der Wind flüstert mir vertraute Einzelheiten ins Ohr und treibt mir gewohnte Gerüche in die Nase. Viele meiner Freunde haben hier Kinder bekommen und Häuser gekauft, bieten für mich heute noch eine Art reale Vergangenheit. Eine, in der die Zeit zwar weitergegangen ist, aber ein paar Dinge sich wohl nie ändern werden. Ich liebe das Kleinstädtische der schönsten Stadt am Rhein, welches die, die nie weg gezogen sind, als urban und großstädtisch beschreiben würden. Wenn ich länger als eine Woche in meiner Geburtsstadt bin, kommt sie mir irgendwann provinziell und beengt vor. Ich habe das Gefühl, sie ist wie ein Paar Schuhe, in das ich mich manchmal noch dränge, weil sie so hübsch sind und die ich nirgends genauso gefunden habe. Die aber nach ein paar Stunden laufen drücken und Blasen machen. Wegschmeißen werde ich sie nie, dafür hab ich sie zu lieb gewonnen.
Berlin hat mich verdorben: Diese ewige Überangebot kann unglaublich nervig sein, bringt einen aber auch dazu, dass man verlangt, alles zu jeder Zeit haben zu können. Egal ob die perfekte Pho vom Vietnamesen nebenan, spontane Drinks und ein Sternedinner am Montag, einen neuen Haarschnitt um jedwede Uhrzeit oder eben eine wilde Party am Mittwoch oder Sonntag nachmittags.
Berlin hat mich verdorben: Diese ewige Überangebot kann unglaublich nervig sein, bringt einen aber auch dazu, dass man verlangt, alles zu jeder Zeit haben zu können. Egal ob die perfekte Pho vom Vietnamesen nebenan, spontane Drinks und ein Sternedinner am Montag, einen neuen Haarschnitt um jedwede Uhrzeit oder eben eine wilde Party am Mittwoch oder Sonntag nachmittags.
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Für euch ist Bochum Heimat. Ich versuche mich noch dran.
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Wenn ich jemanden spanisch sprechen höre, blüht mein Herz auf. 2009 hat es mich erwischt: Ich habe mich verliebt, in Madrid, in einen spanischen Mann und gleichzeitig auch in die Stadt mit ihrem triefendem Charme so dickflüssig und überzeugend wie die fettige Soße der madrilenischen Patatas Bravas, ihrem locker-leichten Lebensgefühl, das einen übermütig und glücklich macht, und ihren Straßen so herrschaftlich und groß, dass man meinen könnte, man schaffe es nicht, sie innerhalb einer grünen Ampelphase zu überqueren. Die Liebe zu dem Mann war irgendwann vorbei, die zu Madrid und Spanien ist geblieben. Wenn ich an die für mich schönste Stadt Spaniens denke, lacht mein Herz und weint gleichzeitig, weil ich es so selten schaffe, sie zu besuchen.
Heute pendle ich zwischen etlichen Orten auf dieser Welt und einer davon ist das unbedeutende, kleine, mitunter hässliche und dreckige Bochum. Es ist wie so oft im Leben die Liebe, die mich immer wieder hintreibt. Ich konnte mich bisher nicht ganz anfreunden mit der Stadt, die in vielerlei Hinsicht so provinziell und beschränkt anmutet, und in der man Strukturen begegnet über die der weltoffene Großstädter nur müde lachen würde. Aber langsam begreife ich den Charme der roughen Industrie- und Studentenstadt, ihre versteckte Schönheit und ihren unbändigen Stolz. Ich lese über das alte Opelwerk, will es endlich mal in die Jahrhunderthalle schaffen und ich schmunzle, wenn Menschen von ihrem Bochum schwärmen. Wie viele Studenten es dort gibt und das der Herr Grönemeyer dort her kommt. Und überhaupt. Es ist kein hochmütiges, überhebliches Schmunzeln, sondern eher eins, das versteht. Für euch ist Bochum Heimat. Ich versuche mich noch dran. Mittlerweile weiß ich, dass Grumme ein Stadtteil mit dem nötigen Kleingeld ist, Langendreer das umso mehr gebrauchen könnte und dass Ehrenfeld von Jahr zu Jahr angesagter wird. Ich war (Fortuna- und Hertha-Fans, hört weg) im VfL-Stadion und habe mich nicht für das Spiel auf dem sattgrünen Rasen interessiert, sehr wohl aber für die Menschen um mich herum. Die, die voller Inbrunst ihre Mannschaft angefeuert haben und so stolz, so verbunden sind, mit dieser für uns als arrogant und feingeistig verschrienen Düsseldorfer banalen, harschen Ruhrpottmetropole.
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Heimat ist ein Gefühl, eine Farbe, ein ganz bestimmter Sound, ein Geruch. Man erkennt sie mit allen Sinnen und fühlt sie dann stärker als alles andere. Zuhause. Da wo das Herz ist.
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Als ich mit der Schule fertig war, kann ich mich erinnern, dass ich gesagt habe, ich ziehe dahin, wo der richtige Studienplatz wartet. Ich binde mich nicht an Menschen, Partner oder Freunde. Heute mit 30 sehe ich das anders. Berlin ist mein Zuhause aber ich habe gemerkt in meinem Herzen und in meinem Kopf ist noch Platz für andere Orte, die ein bisschen zuhause sein dürfen. Auch weil ich nur dann wirklich glücklich bin, wenn ich mich mit Menschen umgebe, die ich liebe. Wenn also gerade der Partner, also die Person, die wohl die zentrale Rolle im zwischenmenschlichen Leben spielt, nicht am gleichen Ort ist, dann ist Zuhause plötzlich ein bisschen weniger Heimat. Home is where your heart is, heißt es. Und das stimmt – zumindest für mich. Auch wenn ich andere Städte liebe, Düsseldorf ein bisschen auf die nostalgische, melancholische Art, Madrid, weil ich damit so viel Energie, Schönheit und Lebensgefühl verbinde, und Bochum, weil ich mich angefreundet habe mit dem taffen Äußeren, dem privaten, weichen Inneren, das ein bisschen wie eine Dorfgemeinschaft funktioniert; kann ich mir doch aktuell nicht vorstellen, umzuziehen, in eine dieser Städte, die ich mag, aber die nur ein paar Prozent meiner Heimat ausmachen.
Mein Elternhaus wird immer meine Wurzeln darstellen. Meine neuen Zuhause der vergangenen Jahre haben das Heimatgefühl, das mich beschleicht, wenn ich die Türe aufschließe und den kühlen Geruch des Treppenhauses wahrnehme, über das warme Holz der Fensterbänke streiche, die mein Vater mit seinen eigenen Händen geformt hat, oder der Blick aus meinem alten Kinderzimmer in den grünen Garten, in dem mein Großvater mit einer Nagelschere die Ränder vom Rasen schneidet, nie auslöschen. Aber neue Heimathäfen geben Weitblick. Sie helfen zu erkennen, wo man leben will und wo eben nicht. Und was man braucht, damit man sich zuhause fühlt. Heimat ist ein Gefühl, eine Farbe, ein ganz bestimmter Sound, ein Geruch. Man erkennt sie mit allen Sinnen und fühlt sie dann stärker als alles andere. Zuhause. Da wo das Herz ist. #hometownglory
Mein Elternhaus wird immer meine Wurzeln darstellen. Meine neuen Zuhause der vergangenen Jahre haben das Heimatgefühl, das mich beschleicht, wenn ich die Türe aufschließe und den kühlen Geruch des Treppenhauses wahrnehme, über das warme Holz der Fensterbänke streiche, die mein Vater mit seinen eigenen Händen geformt hat, oder der Blick aus meinem alten Kinderzimmer in den grünen Garten, in dem mein Großvater mit einer Nagelschere die Ränder vom Rasen schneidet, nie auslöschen. Aber neue Heimathäfen geben Weitblick. Sie helfen zu erkennen, wo man leben will und wo eben nicht. Und was man braucht, damit man sich zuhause fühlt. Heimat ist ein Gefühl, eine Farbe, ein ganz bestimmter Sound, ein Geruch. Man erkennt sie mit allen Sinnen und fühlt sie dann stärker als alles andere. Zuhause. Da wo das Herz ist. #hometownglory
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