Die dritte Staffel von Sex Education ist gerade bei Netflix angelaufen – und beweist wieder mal: Diese Show ist eine absolute Masterclass darin, wie inklusives Fernsehen wirklich aussehen sollte. Im Gegensatz zu vielen anderen Serien behandelt sie ihre queeren und dunkelhäutigen Schwarzen Charaktere mit dem Respekt, den sie verdienen. Die Messlatte für Diversityin unserer Unterhaltung ist leider sehr niedrig – aber Sex Education setzt völlig neue Standards, auch mit seiner dritten Staffel.
Wenn du, wie ich, besessen von Serien über Menschen bist, die viel jünger sind als du selbst, und selbst in deinem fortgeschrittenen Alter noch bei jedem Teen-Drama mitfieberst, ist Sex Education genau das, was du brauchst. Die Serie spielt im fiktiven britischen Städtchen Moordale und dreht sich um den jugendlichen Otis (Asa Butterfield), der in der Schule eine „Sexualtherapie“ startet, angelehnt an die Praxis seiner Therapeutinnen-Mutter Jean (Gillian Anderson). Das Mutter-Sohn-Duo steht im Zentrum der Serie und gibt ihr ihren Namen – aber es sind die Figuren um die beiden herum, die Sex Education von einem spannenden Konzept in eine der erfrischendsten, lustigsten und inklusivsten Serien verwandeln, die es derzeit zu sehen gibt. Diese Teen-Show weigert sich, ihr Publikum (vermutlich größtenteils Teenager) herablassend zu behandeln und fühlt sich so an, als sei sie von Menschen geschrieben worden, die sich gut mit dem (notgeilen) Teenager-Alltag auskennen. (Und das, obwohl der kreative Kopf hinter der Show, Laurie Nunn, in ihren Dreißigern ist.)
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Sex Education ist lehrreich, ohne dabei überheblich rüberzukommen. Die Serie spricht thematisch alles an – vom sexuellen Missbrauch über das Coming-out bis hin zum akademischen Druck und nichtbinären Gender-Identitäten – und bleibt dabei furchtlos, kreativ und authentisch. Ihre Geheimzutat: der Schwarze Cast. Ncuti Gatwa spielt Eric, Otis’ bester Freund und ein schwuler, Schwarzer, selbstbewusster und lebensfroher Junge. In der dritten Staffel versucht er, seine frische Beziehung zu seinem ehemaligen Bully Adam (Connor Swindells) auf die Reihe zu kriegen – und stiehlt jedem anderen Charakter die Show. Gatwa ist ein STAR. Auch Kedar Williams-Stirling kehrt dezent, aber stark als süßer Sportler Jackson zurück, und Chinenye Ezeudu ist wieder als die schulische Überfliegerin Viv zu sehen – ein Mädchen, mit der ich in der Schule gerne befreundet gewesen wäre. Die tollste Performance liefert uns aber Dua Saleh als Sex-Education-Neuzugang Cal, der:die der Moordale Secondary School eine laute nichtbinäre Stimme verleiht. Er:sie sprüht nur so vor Charisma und Coolness, strahlt aber gleichzeitig die Frustration darüber aus, in einer hartnäckig binären Gender-Welt leben zu müssen.
Wenn du die Schnauze voll von amerikanischen Netflix-Teen-Serien und ihrem Colorismus hast, ist Sex Education ein erfrischendes Gegengift. Dunkelhäutige Charaktere (vor allem dunkelhäutige Schwarze Mädchen oder nichtbinäre Figuren, die in Teen-Serien oft in den Hintergrund gedrängt werden) existieren hier nicht bloß, sondern haben auch noch Hoffnungen, Träume und facettenreiche Persönlichkeiten. Wenn wir von Diversity und Repräsentation im Fernsehen sprechen (und das ist eine meist sehr oberflächliche, einseitige Debatte), sollte das genau so aussehen. Wir sollten Serien wie Sex Education dafür loben, dass sie nicht bloß Charaktere of color, mit Be_hinderungen und/oder queere Figuren hier und da „einstreuen“, um für ihre „Diversity“ gefeiert zu werden, sondern den Storys dieser Menschen die Tiefe schenken, die sie verdienen.
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Sex Education streut keine Charaktere of color, mit Be_hinderungen und/oder queere Figuren hier und da ein, um für ihre „Diversity“ gefeiert zu werden, sondern schenkt den Storys dieser Menschen die Tiefe, die sie verdienen.
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Kennst du das, wenn eine Show so gut ist, dass du das ganze Wochenende auf deinem Sofa verbringen willst, um jede Sekunde davon durchzusuchten? Ja, so ging’s mir letztes Wochenende mit Staffel 3 von Sex Education. Ich weiß, dass ihr nicht ebenfalls sofort sämtliche Pläne gecancelt habt, daher werde ich euch jetzt nichts (Wichtiges) spoilern. So viel kann ich aber sagen: Die Staffel ist so gut, dass ich mehrere Male auf „Pause“ drücken musste, um zu Ende zu lachen, bis meine Wangen wehtaten. Außerdem musste ich mehrmals weinen. Die besten Serien sind die, die beides schaffen.
In Staffel 3 geht es direkt heiß los: Otis hat lockeren Sex mit dem beliebtesten Mädchen der Schule, Ruby (Mimi Keene), während Eric und Adam so kurz davor sind. Weil Adam unseren süßen Eric früher ordentlich gemobbt hat, ist es fast schon merkwürdig, die Zärtlichkeit zwischen den beiden zu sehen – aber auf gute Art. Und auch bei Ola (Patricia Allison) und Lily (Tanya Reynolds) läuft es super. Wie diese Serie auf die Feinheiten von Teenie-Beziehungen eingeht, ist SO gut; ich finde, keine andere Show schafft das auch nur ansatzweise so effektiv (nicht mal meine geliebten Élite und Noch nie in meinem Leben…). Nehmen wir doch alleine mal die Szene, in der Adam und Eric zum ersten Mal miteinander schlafen wollen, um dann festzustellen, dass sie beide *Spoiler-Alert!* bottoms sind – sprich: beide lieber unten wären. Zuerst soll uns die Szene zum Lachen bringen; dann geht es darin aber plötzlich um Adams Kommunikationsprobleme. Und Eric? Obwohl der jede Menge Selbstbewusstsein hat, ist diese ganze Beziehungs-Sache auch für ihn völliges Neuland. Ich liebe außerdem, dass die Show auf Erics Identität als Britisch-Nigerianer eingeht und thematisiert, was Homosexualität in Nigeria bedeutet. Es ist schwer, Ncuti Gatwas Performance als Eric zu beschreiben, weil jede Betonung, jede Bewegung und jede Dialogzeile nur so vor Intention und Freude sprüht. In jeder Episode haut er mich aufs Neue um.
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Das Beste an Sex Education ist aber, dass die Serie Klischees auf so einzigartige Weise verpackt, dass sie sich nie ausgelutscht anfühlen. Die neue herrische Schulleiterin Hope (Jemima Kirke aus Girls) will den Schüler:innen eindeutig sämtlichen Spaß versauen. Das kennt man genau so schon aus jeder Menge anderer Teen-Serien und -Filmen (siehe The Breakfast Club, Ferris macht blau oder Election) – aber hier kommt Hope zum Einsatz, um die Unabhängigkeit unserer Moordale-Lieblinge zu etablieren. Gleichzeitig dient sie als Zielscheibe für Kritik am altbackenen Denken älterer Generationen – selbst, wenn ihre Generation gar nicht so alt ist. Als Hope zum Beispiel Cals Gender-Identität zu ignorieren versucht, hält er:sie der Direktorin vor Augen, wie diskriminierend das ist; das führt zu einigen den spannendsten Szenen der Staffel. Und wenn du Dua Salehs Name vorher noch nicht kanntest, wirst du ihn jetzt in Erinnerung behalten; er:sie hat enormes schauspielerisches Talent.
Und auf Aimee (Aimee Gibbs) bin ich noch nicht mal eingegangen! Die hat den sexuellen Missbrauch im Bus aus der letzten Staffel noch nicht verdaut, arbeitet aber daran, ihr Trauma mit der Hilfe ihrer besten Freundin Maeve (Emma Mackey) zu verarbeiten, die auf einem eigenen Selbstfindungs-Trip ist. Das ist eine weitere Sache, die Sex Education perfekt beherrscht: Die Serie schafft es, echte, ehrliche Freundschaften zwischen Frauen glaubwürdig rüberzubringen. Die Beziehung zwischen Aimee und Maeve ist absolut platonisch, bringt dich aber trotzdem garantiert zum Schwärmen.
Sex Education ist eine Serie über Teenager – daher wird sie sicher nicht als eine der progressivsten TV-Darstellungen einer Therapie oder für ihre authentischsten Sexszenen gefeiert werden (oder für die heißeste Liebesszene mit einem Charakter mit Be_hinderung, die ich je gesehen habe). Die Cleverness und der Humor der Serie werden sicher von vielen unterschätzt – wie es viele Teenager selbst kennen. Wenn uns TikTok aber eines gelehrt hat, dann das: Es ist immer eine schlechte Idee, die Jugend zu unterschätzen. Mach bitte einfach nicht den Fehler, eine der besten Serien überhaupt zu verpassen.
Staffel 3 von Sex Education ist jetzt auf Netflix verfügbar.
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