Von der „Milky French“- bis hin zur „Vanilla Chrome“-Maniküre: Angesagte Nagel-Designs sind die Beauty-Version der neuesten It-Bag – mühelos stylisch und ein garantierter Selbstbewusstseins-Boost.
Für so viele von uns ist eine Maniküre ein Luxus, den man sich noch leisten kann. Trotz der relativ geringen Kosten einer einzelnen Maniküre ist der Profit, der weltweit aus unseren Nägeln geschlagen wird, enorm; einige Prognosen vermuten, bis 2030 könnte die Nagel-Branche über 27 Milliarden Euro wert sein. Besonders beliebt ist traditioneller Nagellack. Laut Cosmetics Design brachten es die Verkäufe von Nagellacken 2022 auf insgesamt 141 Millionen Euro, wobei vermutet wird, dass künstliche Nägel wie Press-ons (letztes Jahr 147 Millionen Euro wert) die Nagellacke 2023 sogar überholen könnten.
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An dieser Stelle sollten wir aber erwähnen, dass die Nagelpflege-Branche nur einer von vielen Teilen der Beauty-Industrie ist, die besonders viel Abfall produzieren. Daten von Green Circle zufolge sorgt allein die nordamerikanische Beauty-Industrie für fast 400 Kilo Müll pro Minute, und der British Beauty Council schätzt, dass 95 Prozent aller Kosmetikverpackungen weggeworfen werden. Insbesondere Plastikmüll ist inzwischen zu einem der drängendsten Umweltprobleme geworden. Laut British Beauty Council sind die Recycling-Raten in der Beauty-Branche sehr gering; von den 14 Prozent an Verpackungen, die es überhaupt erst zu einer Recyclinganlage schaffen, werden nur 9 Prozent wirklich recycelt. Der Rest landet auf der Müllhalde.
Der Beitrag der Nagelbranche zu dieser Beauty-Vermüllung ist nicht zu unterschätzen. Eine Studie in Detritus: The Multidisciplinary Journal for Waste Resources & Residues berichtet, die Mengen an Verpackungen und Nagellackmüll würden nur weiter zunehmen, während wir immer häufiger zur Maniküre gehen. Laut Scratch, dem führenden britischen Magazin für Nagel-Profis, gelten Nagelfeilen, -pinsel und -tücher, die bei einer Maniküre zum Einsatz kommen, als „kontaminiert“ und somit als nicht recycelbar. Und so toll eine brandneue Maniküre auch sein kann: Die Belastung unserer Besessenheit von gestylten Nägeln für die Umwelt lässt sich nicht leugnen.
Sind Press-on-Nägel schlecht für die Umwelt?
Die aufzuklebenden Nägel sind inzwischen überall und in zahllosen Varianten verfügbar – ob nun in Form klassischer French Nails oder experimentellerer Looks. Auf TikTok hat #pressonnails (7 Milliarden Views) den Hashtag #gelnails (5,9 Milliarden Views) längst überholt, und Google Trends zufolge sind die Zahlen der Suchanfragen nach Press-ons gerade höher denn je. Und das ergibt durchaus Sinn: Die Klebenägel sind günstig, praktisch und machen Spaß.
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„Press-ons haben sich in den letzten paar Jahren definitiv verbessert“, meint die Maniküristin Ami Streets, die Marken wie Kiss für ihren langen Halt auf den Nägeln lobt. Grund zur Sorge gibt es trotzdem – nämlich wegen deren Herstellung. Press-on-Nägel können zwar aus verschiedenen Materialen wie Harz oder Gel bestehen, werden hauptsächlich aber aus Plastik gefertigt. Vielleicht denkst du jetzt, dieses Plastik ließe sich ja einfach mit dem restlichen Plastikmüll recyceln; in Wahrheit sind diese Nägel laut Streets aber so klein, dass sie nicht genauso recycelt werden können wie eine Shampooflasche oder eine leckere Cremetube. „Die meisten Press-on-Nägel auf dem Markt sind außerdem abbauresistent. Sie zersetzen sich nicht.“
Wenn sich Klebenägel also nicht recyceln lassen und sich auch nicht mit der Zeit zersetzen, nachdem sie auf der Müllhalde landen – was passiert denn dann mit ihnen? Leider bedeutet das eben, dass sie vermutlich einfach für immer dort liegen, oder zumindest quasi für immer. Abhängig vom jeweiligen Material und Umweltfaktoren wie Sonnenstrahlung braucht Plastik zwischen 20 und 500 Jahre, um sich zu zersetzen. Nur manche Harze (zum Beispiel aus organischem Material) sind biologisch abbaubar. Die Nachhaltigkeits-Influencerin Monika Poppy ist besonders besorgt wegen billig hergestellter Press-on-Nails, die auf Websites wie Shein (mit 40 Seiten voller Ergebnisse) und AliExpress (60 Seiten) verkauft werden, mit nur wenigen oder gar keinen Informationen zu ihrer Herkunft und ihren Hersteller:innen.
Kann ich Press-on-Nägel in den Verpackungsmüll werfen? Lassen sie sich recyceln?
Der Großteil von Klebenägeln kann nicht recycelt werden. Eine kleine Handvoll von Press-on-Nägel-Marken antwortete uns ganz ehrlich auf unsere Anfrage zu ihren Nachhaltigkeitsbemühungen. Sanja Hajdarpasic, Mitbegründerin und Nachhaltigkeitsverantwortliche bei LÓA Nails, bestätigt, dass ihre eigenen Nägel zu klein sind, um aktuell recycelt werden zu können. „Produkte unter fünf Zentimetern können nicht recycelt werden“, erklärt sie. Um zu verhindern, dass die Nägel in der Natur landen, empfiehlt LÓA, sie über den Hausmüll zu entsorgen (obwohl auch dieser Müll meist auf einer Müllhalde oder in einer Verbrennungsanlage landet).
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LÓA Nails ermutigt seine Kund:innen, die Produkte wenn möglich mehrmals zu verwenden. Bailey Stanworth, Gründerin von Quickies, erzählt, die Press-on-Nägel ihrer Marke könnten zwei- bis dreimal getragen werden und bestünden aus ABS-Plastik (einem härteren Plastik). „Das Material ist stabil genug, um wiederverwendet zu werden, und kann nach dem Tragen recycelt werden“, erklärt sie.
Wie schlecht sind Acrylnägel für die Umwelt?
Trotz der Tatsache, dass Press-on-Nägel immer wieder auf den Müllhalden unseres Planeten landen, empfiehlt Streets, hochwertige, mehrmals tragbare Press-on-Nägel zu kaufen – anstatt dir Gel- oder Acrylnägel machen zu lassen, die besonders viel Müll verursachen.
Acrylnägel (eine chemische Kombination aus flüssigem Monomer und Puder-Polymer) sind dahingehend das größere Problem. „Wenn die beiden Stoffe miteinander vermischt werden, entsteht eine schnelltrocknende, stabile, formbare Masse, die die Nagelhärte und -länge verbessern kann“, erklärt Streets. Dabei kann jedoch jeder einzelne Schritt während der Maniküre – vom Auftragen bis hin zum Formen – zur Müllproduktion beitragen. „Einweghandschuhe, Nagelfeilen, chemische Produkte, die Acrylreste nach dem Feilen, Folien-Pads zur Entfernung – all das spielt eine Rolle“, meint Streets. „Und nichts davon ist recycelbar oder biologisch abbaubar.“
Die Toxikologin Rani Ghosherklärt, dass auch die Acrylnägel selbst aufgrund falscher Entsorgung potenziell umweltschädlich sein können. „Bei der Acryl-Maniküre kommen beispielsweise Nagelspitzen, Kleber und Aceton zum Einsatz“, sagt sie. „Die sollten niemals die Toilette runtergespült werden, weil sie ansonsten in Wasserstraßen landen können. Gleichzeitig sollten sie aber auch nicht über den regulären Hausmüll entsorgt werden, weil sie dann auf Mülldeponien enden und dort die Umwelt verschmutzen.“ Ghosh betont nochmal, dass die meisten der eben erwähnten Substanzen eine Form von Plastik und somit nicht biologisch abbaubar sind – selbst wenn die einzelnen Bestandteile klitzeklein sind. Laut aktuellen Untersuchungen enthält übrigens auch die Luft in Nagelstudios hohe Konzentrationen von Mikroplastik (kleine Plastikfragmente), das auch unsere Ozeane und Meereslebewesen gefährdet.
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Sind Gelnägel besser für die Umwelt?
Von Sorgen um die Umwelt mal ganz abgesehen: Kunstnägel wie Acryl- oder Press-on-Nägel können dem Nagelbett natürlich schaden (und so zum Beispiel für dünne, brüchige oder trockene Nägel sorgen). Viele tendieren daher inzwischen zu sanfteren Gel-Nagelverlängerungen. Obwohl das zwar die bessere Option für die Nagelgesundheit sein mag, stellt sich dabei die Frage: Was passiert eigentlich mit dem ganzen Gel, wenn es wieder entfernt wird? Schließlich besteht der Gellack laut Streets aus ähnlichen Inhaltsstoffen wie Acryllack – nämlich aus Acryl-Monomeren (aus Acrylsäure gewonnene Moleküle).
„Staub und Nebenabfälle dieser Nagelverstärkungen sowie die Wattepads, die zur Entfernung benutzt werden, können wegen der dabei verwendeten Chemikalien nicht recycelt werden“, erklärt Streets. Selbst „Ohne…“-Gel-Marken, die laut Streets oft als weniger „toxisch“ betrachtet werden, weil sie zum Beispiel kein (krebserregendes) Formaldehyd enthalten, können spätestens bei der Entfernung Müll produzieren. Die aus Acryl- und Gelnägeln entstehenden Umweltprobleme sind sich sehr ähnlich, weil sie beide Materalien und Chemikalien erfordern, die bei falscher Entsorgung der Umwelt schaden können, ergänzt Ghosh.
Das heißt natürlich nicht, dass du deswegen zwangsläufig auf deine monatliche Maniküre verzichten musst – schließlich gibt es auch umweltfreundlichere Optionen. Die Natural Nail Artist Corrinna Bianca zum Beispiel schwört auf „Builder In A Bottle“-Formulierungen (auch „BIAB“ genannt, eine Form von Gel, das den Nägeln Stärke und Struktur verleihen soll), die ihr zufolge besser für die Nagelgesundheit und für die Umwelt seien. Der Hauptgrund dafür ist der, dass BIAB-Nägel einfach aufgefüllt werden können, wenn dein Nagel herauswächst – im Gegensatz zu Gel. Dadurch muss nicht immer alles vom Nagel entfernt werden, weswegen weniger Aceton verwendet und somit auch weniger Müll produziert wird, erklärt Bianca. Noch dazu sind daher nicht so viele Wattepads erforderlich (die zur Entfernung benutzt werden), die Pflanzen und Wasser kosten und bei der Baumwollproduktion den Boden strapazieren.
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Sind Naturnägel umweltfreundlicher als Gel- und Acrylnägel?
Weil wir die Nagelindustrie immer stärker unter dem Mikroskop analysieren, ist es naheliegend, dass immer mehr von uns auf Naturnageltrends setzen. Auf TikTok bringt es der Hashtag #naturalnails auf über 2,7 Milliarden Views. In den Videos schwärmen Maniküre-Fans und Nail Artists von gepflegten, „nackten“ Nägeln. Bianca selbst setzt auf die „Oldschool“-Methode – mit Nagel-Ölen und Glanzfeilen.
Die Entwicklung weg von Gel und Acryl hin zum natürlichen Look ist vielleicht einer der Gründe dafür, warum zum Beispiel die japanische Maniküre (bei der Feilen und Cremes die Schönheit des Naturnagels hervorheben) sowie die „Dry Manicure“ (eine wasserfreie Technik, bei der die Nägel nicht erst in Wasser aufgeweicht werden) in immer mehr Nagelstudios Einzug halten. Wenn du lieber ganz auf den Nagelsalon verzichten möchtest, lohnt sich die Investition in hochwertige DIY-Maniküre-Tools wie eine Glasfeile (die ohnehin viel besser für deine Nägel ist als ein kratziges Stück Schmirgelpapier) und einen Nagelknipser.
Wie finde ich ein umweltfreundliches und ethisches Nagelstudio?
Letztlich liegt die Verantwortung zur Nachhaltigkeit beim Nagelstudio deines Vertrauens. Das heißt aber nicht, dass du dir dieses Nagelstudio genau aussuchen solltest. Dazu solltest du einfach mal nachfragen. Ordentlich ausgebildete, qualifizierte und versicherte Nagelstudio-Mitarbeiter:innen sollten keine Probleme damit haben, über ihren eigenen Beitrag zum Umweltschutz zu sprechen. Liza Smith, Vizevorsitzende der Federation of Nail Professionals, geht in Sachen Nachhaltigkeit mit gutem Beispiel voran. „Mein Salon gehört zum Green Salon Collective und hat somit ein komplettes Recycling-System. Nichts von uns landet einfach auf der Mülldeponie“, erzählt sie. „Wir teilen nach dem Entfernen von Gellack die Watte von der Folie. Die Folie wird im Verpackungsmüll recycelt, und die Watte- und Gelreste wandern in unseren Hausmüll, der von einer speziellen Firma abgeholt wird, die diesen Abfall wiederum in Energie umwandelt. Leere Gel- und Lack-Glasflaschen werden ebenfalls separat recycelt.“ Streets empfiehlt die Verwendung von wiederverwendbaren Bambus-Wattepads sowie Mehrweg-Nagelfeilen, die nach jedem Termin desinfiziert werden können.
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Neue Forschungen vom British Beauty Council ergaben, dass die Zahl der Nagelstudios seit 2017 um 29,4 Prozent gestiegen ist. Damit sind Nägel der dritterfolgreichste Sektor in der Haar- und Beauty-Industrie. Es stimmt, dass Nagelstudios bei Weitem nicht allein für den wachsenden Beauty-Müll verantwortlich sind. Weil die Schönheitsindustrie in den kommenden Jahren aber voraussichtlich noch viel stärker wachsen wird, ist es jetzt wichtiger denn je, über den Zusammenhang von Nagelpflege und Nachhaltigkeit zu reden.
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