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Aktivisten der Gegenwart sind immer öfter rechts

Es ist Zeit, mit einem Mythos aufzuräumen: Dass alle Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, etwas Gutes tun.
Diese Zeiten sind lange vorbei. Wenn sich heute Bürger und Bürgerinnen zusammenschließen, können auch Rassismus, Nationalismus und Islamfeindlichkeit die Leitideen sein.
“Wir erleben in der Zivilgesellschaft das Entstehen neuer, rechter Bewegungen, die ganz offensichtlich andere Ziele verfolgen als die, die wir in den vergangenen Jahren als zivilgesellschaftlich bezeichnet haben”, sagte der Politikwissenschaftler Edgar Grande vom neu gegründeten Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung kürzlich im Interview mit der “Süddeutschen Zeitung”.
Pegida war eine solche Bürgerbewegung, die laut Grande sehr wohl Teil der “Zivilgesellschaft” war. Auch die rechten Demonstranten in Cottbus zählen vermutlich dazu. Oder die Identitäre Bewegung. All diese Bewegungen zeigen: Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Wir müssen damit umgehen lernen. Auch im Sinne der Demokratie.
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Dafür kämpften Bürgerbewegungen früher

Aber warum ist es eigentlich so gefährlich, dass sich rechte Gruppen nach dem Vorbild anderer Bürgerbewegungen zusammenschließen? Weil wir immer noch ein sehr positives Bild im Kopf haben, wenn wir an die “Zivilgesellschaft” denken. Das hat in Deutschland eine lange Tradition. In den 1970er-Jahren – zu einer Zeit, als nur drei Fraktionen im Bundestag vertreten waren – haben sich Millionen Menschen in Westdeutschland in Bürgerbewegungen organisiert.
► Die bekannteste dürfte die Umwelt-Bewegung mit ihren zahlreichen Bündnissen gewesen sein. Sympathisch wirkende Menschen kämpften gegen Luftverschmutzung, Umweltgifte und den Bau neuer Atomkraftwerke. Ohne sie wäre es wohl kaum zur Gründung der Grünen im Jahr 1980 gekommen.
► Oder die Frauenbewegung, die für Geschlechtergerechtigkeit kämpfte, als Frauen weder Anspruch auf Gleichberechtigung am Arbeitsplatz noch Schutz vor Vergewaltigung in der Ehe hatten.
► Und dann wäre da noch die Friedensbewegung, die gegen den Rüstungswettlauf in guten Zeiten bis zu 1,5 Millionen Menschen auf die Straße brachte.
Was all diesen Gruppen gemeinsam hatten: Sie griffen Themen auf, die von den Bonner Parteien vernachlässigt wurden. Zumindest teilweise übten sie damit auch radikale Kritik am System. Und diese radikale Kritik tat der Bundesrepublik gut.

Heute laufen die Konfliktlinien anders

Ohne die Umweltbewegung könnte man womöglich immer noch Fotofilme im Rhein entwickeln. Ohne die Feministinnen wäre Deutschland in Sachen Gleichberechtigung immer noch ein zutiefst ungerechtes Land. Und die Friedensaktivisten haben es eine Zeit lang geschafft, einen wichtigen Gegenpol zu den Kalten Kriegern zu bilden.
Leider verlaufen heute die politischen Konfliktlinien vollkommen anders. Einst richtete sich radikale Kritik gegen ein scheinbar zementiertes System – bei der Bundestagswahl 1976 kamen Union, SPD und FDP zusammen auf 99,1 Prozent der Stimmen. Niemand dachte daran, dass die liberale Demokratie in Deutschland ernsthaft gefährdet wäre.
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Das hat sich geändert. In aktuellen Umfragen kommt die AfD auf 15 Prozent der Stimmen. Die Alternative für Deutschland und die in Teilen ebenfalls radikale Linke stellen im Bundestag ein Viertel der Abgeordneten. “Lange Zeit haben vor allem soziale und ökonomische Themen die politischen Auseinandersetzungen bestimmt”, sagte Politologe Grande der “Süddeutschen Zeitung”. “Aber seit einigen Jahren sind Konflikte immer wichtiger geworden, die im Zuge der Globalisierung und der Europäischen Integration entstanden.”
Das Problem ist, dass diese Konfliktlinien quer durch die Gesellschaft laufen. Und sogar durch den Bundestag.

Die neuen Bewegungen lernen von den alten

Radikale Gruppierungen in der Zivilgesellschaft kooperieren mit radikalen Kräften im Parlament. Der linke Bundestagsabgeordnete Diether Dehm hat zum Beispiel kein Problem damit, sich für den Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen stark zu machen. Und dass die Identitäre Bewegung einen engen Kontakt zu AfD-Gremien pflegt, ist ein offenes Geheimnis.
Überhaupt haben rechte und staatsfeindliche Bewegungen sehr viel von den “neuen sozialen Bewegungen” der 1970er- und 1980er-Jahre gelernt.
Zum Beispiel, wie man Diskurse verschiebt. Greenpeace kletterte früher auf Schornsteine, um in die “Tagesschau” zu kommen. Die Identitären erklimmen das Brandenburger Tor, um für mit ihren fremdenfeindlichen Parolen Aufmerksamkeit zu bekommen.
Viel wird bei den neuen Rechten auch vom “kritischen Denken” gesprochen. Man solle sich nicht vom “Mainstream verdummen” lassen. Was die Rechten von den Altlinken gelernt haben: Das Hinterfragen von Institutionen wie den Parteien, den Regierenden oder den Medien führt irgendwann zu einem Vertrauensverlust in das Gemeinsame. Genau das wollen die Fremdenfeinde von heute erreichen.

Was wir nun tun sollten

Es spricht vieles dafür, dass ein Teil der Zivilgesellschaft auch in Zukunft rechts bleiben wird. Das spricht nicht gegen zivilgesellschaftliches Engagement an sich. Aber es muss klar werden, wo die Grenze zwischen Radikalen und Demokraten verläuft. Was man tun kann? Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns wieder schützend vor jene Institutionen stellen, die unseren Staat am Laufen halten. Wie wäre es, sich für einen als gemeinnützig anerkannten Verein zu engagieren? Dort, wo sich die Menschen nicht als radikale Avantgarde definieren, und wo es keine Bewegungsromantik gibt. Es muss auch nicht immer Projektarbeit sein: Auch die zweifelsfrei demokratischen Parteien haben mehr Zuspruch verdient, als sie gerade bekommen. Dort kann man sich auch für ein Mandat in einem Parlament bewerben und tatsächlich an den Entscheidungsprozessen mitwirken. Das klingt vielleicht langweilig. Ist es aber nicht. Denn genauso wirkt man am besten der schleichenden Radikalisierung unserer Gesellschaft entgegen.
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