Fatim Khaled Al-Othman ist 45 Jahre alt. Sie lebt im südlichen Teil von Aleppo in einem ramponierten, rostigen Lastwagen, den sie und ihre Familie von den Behörden zugewiesen bekamen. Aufgrund des seit neun Jahren in Syrien wütenden Krieges, musste sie ihr Zuhause hinter sich lassen.
Fatim ist allein mit ihren vier Kindern Aisha (12 Jahre), Hussein (10 Jahre), Honest (8 Jahre) und Daham (6 Jahre). Ihr Mann starb vor drei Jahren an einem Herzinfarkt. Nachdem ihr Dorf nach einem Bombenangriff zerstört wurde, entschied die Witwe, mit ihren Kindern zu flüchten. Sie verließen ihr Haus mit nur einer Handvoll Habseligkeiten.
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Fatim und ihre Familie leben seit zwei Monaten in diesem kleinen Flüchtlingslager. Sie wollen und verdienen ein besseres Leben, aber leider ist dieses Camp derzeit ihre einzige Option. Sie können nirgendwo anders hingehen und haben kein Geld, um Miete oder Lebensmittel zu bezahlen. Die Familie ist auf Hilfe angewiesen – aber die ist sehr knapp bemessen.
Das tägliche Leben hier ist sowieso schon eine Zumutung. Doch mit dem Virus im Anmarsch könnte ihre Lebenssituation noch erschwert werden.
„Wir essen, trinken und leben im Lastwagen“, erklärt sie. „Wir warten auf Allahs Vergebung. Wir haben schon viele schwierige Zeiten durchgemacht: Wir wurden aus unserer Heimat vertrieben und haben unser Zuhause zurückgelassen. Unser Leben ist hart. Ich habe nichts – kein Einkommen. Nur diese wenigen Lebensmittel, um die Kinder zu ernähren. Hier gibt es kein fließendes Wasser und kein Strom.“
„Wir bleiben in diesem Wagen. Wir essen, trinken und schlafen hier drin. Toiletten gibt es hier nicht. Wir haben nichts. Und ich habe keine Unterstützung. Meine Kinder können noch nicht arbeiten gehen, weil sie zu jung sind. Was soll ich also machen?“
Fatims Familie teilt dieses kleine Lager mit anderen Familien, die alle mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert sind. Auf dem flachen Land stehen andere ausrangierte Fahrzeugen und provisorische Zelte, die als vorübergehende Unterkünfte für sie dienen sollen. Auf dem staubigen Gras streifen Hühner und Ziegen umher, und abgesehen vom gelegentlichen Krähen eines Hahns ist es relativ ruhig, da die Familien versuchen, unter sich zu bleiben.
Im Lastwagens stapeln sich die wenigen Besitztümer der Familie: ein Gasherd, Decken, Kleidersäcke und Lebensmittelgläser – fast alle leer. Ganz oben liegt ein Hygiene-Kit. In der großen weißen Schachtel sind normalerweise Seife und Waschmittel, mit denen Fatim ihre Familie einen Monat lang sicher und sauber halten kann. Aber im Moment ist sie leer. Und das bleibt sie erst einmal auch, weil die Hilfsorganisationen, auf eine weitere Lieferung von Hilfsgütern warten, um dem COVID-19-Ausbruch im Camp vorzubeugen.
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Die Angst vor dem sich ausbreitenden Coronavirus ist hier spürbar. Jeder hat die Gerüchte über diesen neuen unsichtbaren Feind gehört und weiß, dass er Syrien erreicht hat. Bis zum 30. März hatte die syrische Regierung einen Todesfall und 10 Fälle von COVID-19 gemeldet, obwohl in den meisten Teilen des Landes noch keine umfassenden Tests durchgeführt wurden. Die syrische Regierung hat in ihrem Hoheitsgebiet schon einen Lockdown eingeführt.
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Wir haben zwar etwas Wasser, aber das reicht kaum aus.
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Schon vor COVID-19 wimmelte es in den Lagern nur so von Krankheiten und Seuchen. Deshalb ist es auch nur schwer vorstellbar, dass sich die Familien hier wirklich vor dem Virus schützen können. Man hat ihnen gesagt, sie sollen sich weiterhin die Hände waschen, aber Seife und Wasser sind Mangelware. Niemand scheint über Social Distancing informiert worden zu sein, und selbst wenn man es ihnen gesagt hätte, wäre es schwierig, es unter solchen Bedingungen zu praktizieren.
„Eine andere Sache, die uns Angst macht, ist die Krankheit, die sie Corona nennen“, so Fatim. „Meine Kinder sind nicht sauber. Ich habe kein Waschmittel. Ich habe nicht einmal einen Wassertank. Wir haben zwar etwas Wasser, aber das reicht kaum aus. Wir leben in diesem Laster und haben keinen anderen Platz.“
„Ich habe Angst davor, dass meine Kinder an dem Virus erkranken könnten. Wenn ich sie wasche, sitzen sie auf dem Sandboden und machen sich wieder schmutzig. Außerdem wollen Kinder nun einmal auch raus und spielen. Selbst, wenn ich sie in den Wagen setze, verlassen sie ihn einfach und machen sich wieder dreckig.“
„Ich habe keine Hand- oder Waschseife. Ich habe keine medizinische Ausrüstung. Wenn eines von ihnen krank wird, weiß ich nicht, wohin ich es bringen soll. Ich weiß nicht, wie ich dann damit umgehen soll. Was können wir tun? Oh Allah! Ich weiß nicht, was wir tun können“, sagt Fatim verzweifelt.
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An diesem Punkt bricht sie in Tränen aus.
Viele befürchten, dass sich das Virus in einem bereits vom Krieg verwüsteten Land schnell ausbreiten könnte. Wenn das Virus die Camps erreicht, in denen die Menschen bereits mit unzureichender medizinischer Versorgung, schlechten Hygienebedingungen und Überfüllung zu kämpfen haben, wird es sich mit einer alarmierenden Geschwindigkeit ausbreiten und dort wahrscheinlich viele Menschen töten.
Dr. Hasan Alked arbeitet im Al-Imaan-Krankenhaus der Wohltätigkeitsorganisation Human Appeal in Idlib, Syrien. Er sagt, die Angst der Menschen dort ist berechtigt. „Eine COVID-19-Infektion in unserer Region wäre katastrophal. Das Virus würde sich rasant ausbreiten. Das medizinische Personal ist darauf definitiv nicht vorbereitet und auch nicht dafür ausgerüstet oder ausgebildet. Wir sind sehr besorgt darüber, was das Coronavirus für Familien bedeuten könnte, die bereits geschwächt und in Not sind und sich nicht isolieren können.“
Um die Lage der Geflüchteten in den Lagern zu verbessern, rufen Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder Human Appeal und die UNO Flüchtlingshilfe zu Spenden auf. Damit werden medizinische Güter und lebensnotwendige Dinge, dorthin gebracht, wo die Menschen sie am meisten benötigen.