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Sexuelle Belästigung ist auch in Corona-Zeiten ein Problem für viele Frauen

Photographed by Eylul Aslan
Wegen der Corona-Krise raten Politiker*innen und Wissenschaftler*innen weltweit, dass wir die Wohnung so selten wie möglich verlassen sollen. Während einige Länder dabei sogar auf komplette Ausgangssperren setzen, erlauben manche Staaten (wie Deutschland oder Großbritannien) ihren Bürger*innen zumindest noch, sich allein, mit Personen des eigenen Hausstands oder mit einer weiteren Person draußen aufzuhalten. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Menschen jetzt gerne kleine Spaziergänge im Park oder einen kleinen Walk um den Block machen, um endlich mal aus dem Haus zu kommen. Und dagegen ist auch nichts einzuwenden, denn selbst Gesundheitsexpert*innen raten uns, für unsere mentale und körperliche Gesundheit öfter mal an die frische Luft zu gehen – dabei sollten aber auf jeden Fall die Hygienemaßnahmen und der Sicherheitsabstand zu anderen eingehalten werden.
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Doch sogar ein Spaziergang kann vor allem Frauen ganz schnell vermiest werden, wenn manche Männer selbst in Corona-Zeiten vor Pfiffen und Anmachen nicht Halt machen. Besonders in Großbritannien war sexuelle Belästigung auf offener Straße schon vor Corona ein Problem, und das scheint es jetzt immer noch zu sein. Eve, 25, aus Edinburgh, sagt zum Beispiel, sie sei auf ihrem täglichen Spaziergang von zwei jungen Männern belästigt worden. „Ich wollte gerade die Straße überqueren, als das Auto langsamer wurde und die Typen darin mich offensichtlich angafften. Sie hupten und einer hing regelrecht aus dem Fenster und rief mir irgendetwas Unverständliches zu“, sagt sie. „Ich hab mich so unwohl gefühlt. Ich hatte schon fast vergessen, wie es ist, auf der Straße belästigt zu werden. Trotz allem, was gerade vor sich geht, gibt es anscheinend noch immer Männer, die Frauen in der Öffentlichkeit erniedrigen.“

Trotz allem, was gerade vor sich geht, gibt es anscheinend noch immer Männer, die Frauen in der Öffentlichkeit erniedrigen.

Eve, 25, edinburgh
„Nachdem ich fast eine Woche lang im Haus verbracht hatte, ging ich nach draußen, um den Kopf freizubekommen. Ich hatte mich sogar richtig darauf gefreut, normale Alltagskleidung zu tragen und etwas Make-up aufzutragen. Aber diese Euphorie hielt nicht sehr lang. Ich ging ja schon extra nicht nachts raus, weil die Straßen so leer sind. Aber anscheinend wird man auch tagsüber belästigt. Ich will gar nicht wissen, was alles hätte passieren können, wenn ich abends rausgegangen wäre.“
Iman, 25, aus London, war auf dem Weg zum Supermarkt, als sie von zwei Männern belästigt würde. „Sie pfiffen mir nach, aber ich versuchte, sie zu ignorieren“, sagt sie. „Dann hörte ich jemanden rufen: ,Möchtest du dich mit mir isolieren, Baby?‘ und ,Das ganze Make-up, nur für mich?‘. Ich schaute hoch und entdeckte diesen Mann, der oben ohne an seinem Fenster stand und mich anschaute.“
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„Ich fühlte mich wirklich unwohl und sogar verlegen, denn ich hatte mich zum ersten Mal seit Wochen wieder geschminkt und fühlte mich richtig gut, und dann macht dieser Mann alles kaputt. Und das ist mir schon dreimal seit dem Lockdown passiert. Ich gehe schon nicht mehr joggen.“

Ich fühlte mich wirklich unwohl und sogar verlegen, denn ich hatte mich zum ersten Mal seit Wochen wieder geschminkt und fühlte mich richtig gut, und dann macht dieser Mann alles kaputt.

Iman, 25, london
Auch Faye, 24, aus Warwickshire in England wurde von zwei Männern belästigt. Sie war gerade mit ihrer vierjährigen Tochter spazieren. „Wir waren die einzigen Menschen auf dem Weg, als zwei junge Männer in einem Auto an uns vorbeifuhren und einfach aus dem Fenster ‘Schlampe‘ in meine Richtung riefen!“
Seitdem hat sie Angst, sie könnte die beiden wiedersehen, wenn sie mit ihrer Tochter unterwegs ist. „Mittlerweile kann man leicht herausfinden, wo du wohnst, wie du dich bewegst, mit wem du zusammenlebst und so weiter. Das ruft bei mir ein großes Gefühl der Verletzlichkeit hervor.“
Sexuelle Belästigung kann in vielen Formen auftreten. Dazu gehören unerwünschte Anmachen, Pfiffe, Verfolgung, sexuelle Annäherungen, Gesten und Berührungen durch Fremde an öffentlichen Orten.
Dass Frauen sich jetzt machtlos fühlen und sich Sorgen um ihre Unversehrtheit machen, ist natürlich verständlich. Auch ich habe mittlerweile Angst, allein draußen zu sein. Ich lebe in Berlin und wohne seit ein paar Monaten allein, was bedeutet: Es wartet niemand zuhause darauf, dass ich ankomme. Dieser Gedanke hat mich vor Corona nicht wirklich beschäftigt. Noch im Februar bin ich sogar spät nachts sorglos mit den Öffentlichen gefahren. Die versuche ich jetzt aber nicht nur wegen der Ansteckungsgefahr zu meiden. Der Gedanke, dass ich in einem Wagon allein mit einem fremden Mann sitzen müsste, ist mir irgendwie unheimlich. Ich weiß, dass niemand da sein wird, um mir zu helfen, falls er mich angreift. Ich wäre ihm also ausgeliefert.
Auch wenn die Polizei in Deutschland noch keinen Anstieg der Fälle erfassen konnte, ist die Dunkelziffer bestimmt eine ganz andere Geschichte. Und sind wir mal ehrlich: Das Sicherheitsgefühl, das wir Frauen durch die Anwesenheit der anderen Menschen um uns herum hatten, ist jetzt nicht mehr vorhanden. Deshalb trauen wir uns sowieso noch weniger, diese Männer zur Rechenschaft zu ziehen oder sie gar anzuzeigen. Und wer kann denn überhaupt sagen, ab wann die nervige Anmache eine fahndungswürdige Belästigung ist?
Corona zeigt noch einmal deutlich, wie verletzlich Frauen in der Gesellschaft sind. Wir kämpfen derzeit sowieso schon mit Ängsten um unsere Gesundheit und finanzielle Sorgen. Da sollte doch wenigstens die Angst um unsere Sicherheit nicht auch noch ein Faktor sein. Aber leider müssen wir auch jetzt mit dieser zusätzlichen Belastung fertig werden. Denn wie es scheint, gibt es Männer, die trotz der Krise noch Zeit finden, uns das Leben schwer zu machen.
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