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Ich traute mich nicht, meinen gewalttätigen Mann zu verlassen, weil er unser Geld kontrollierte

Foto: Eylul Aslan
Wirtschaftlicher bzw. finanzieller Missbrauch ist eine Art der häuslicher Gewalt. Dieser Missbrauch kann viele Formen annehmen. Dazu gehört zum Beispiel die finanzielle Einschränkung einer Person – indem es ihr beispielsweise verboten wird, ein eigenes Bankkonto zu führen oder ihr Einkommen auf andere Art selbst zu managen. Typisch dafür ist auch der Missbrauch geteilter oder persönlicher Ersparnisse – indem zum Beispiel große Käufe getätigt werden, ohne die Erlaubnis dafür einzuholen. Manchen Personen wird von ihren Partner:innen auch das Kaufen von nicht-lebensnotwendigen Gütern verboten; andere verschulden sich unfreiwillig, weil ihre Partner:innen in ihrem Namen Kredite aufnehmen. 
Shelley* hat drei Kinder unter zehn Jahren. Sie war 18, als sie ihren missbräuchlichen Mann heiratete, und verließ ihn 2020 während der Pandemie, weil sein gewalttätiges und kontrollsüchtiges Verhalten für sie unerträglich wurde. Hier erzählt sie, wie sie der Beziehung entkam und jetzt versucht, ihr Leben neu aufzubauen.
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„Ich heiratete meinen Mann, als ich 18 Jahre alt war. Im Laufe der Zeit wurde er immer gewalttätiger. Ich verließ ihn 2020, nachdem er sich körperlich an mir vergriffen hatte. Mein jüngstes Kind musste mitansehen, wie er mich vor dem Haus würgte. Ich musste das einfach der Polizei melden – die Gewalt war immer weiter eskaliert, bis ich irgendwann höllische Angst davor hatte, was noch passieren könnte. Ich sagte ihm, dass ich ihn verlassen wollte, doch weigerte er sich, aus unserem Haus auszuziehen.
„Ehrlich gesagt hatte ich die Beziehung zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren beenden wollen. Mehrmals war ich sogar mit den Kindern gegangen – doch kontrollierte mein Mann unsere Finanzen und manipulierte mich psychologisch. Er drohte damit, mich dem Sozialamt zu melden und zu behaupten, ich sei nicht dazu imstande, mich um unsere Kinder zu kümmern.
„Mein Ex verdient viel Geld – mehr als 115.000 Euro im Jahr. Als unser zweites Kind zur Welt kam, hörte ich auf zu arbeiten, weil sie gesundheitlich viel Aufmerksamkeit brauchte. Ich wurde finanziell von ihm abhängig, und wir hatten nur noch gemeinsame Bankkonten.
„Das war das Ende meiner finanziellen Selbstständigkeit, weil ich selbst nichts verdiente. Leider hat mein Ex-Partner zum Geld auch eine meiner Meinung nach sehr sexistische, altmodische Einstellung: Er sah sein Einkommen als ‚sein Geld‘, nicht als unseres – obwohl ich mich ja um unsere Kinder kümmerte. Er gab mir Taschengeld und ließ es so klingen, als sollte ich mich dafür glücklich schätzen.
„Als ich ihm sagte, dass ich ihn verlassen würde, fing er an, unsere Konten auszuräumen. Ich ging zu unserer Bank und meldete das als wirtschaftlichen Missbrauch – aber obwohl mir die Bank versicherte, sie hätten unsere Konten mit einer ‚roten Flagge‘ versehen, konnte er danach immer noch ohne mein Wissen oder meine Zustimmung über 23.000 Euro abheben.
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„Er zog schließlich aus, hörte aber auf, unsere Rechnungen und Miete zu bezahlen. An Weihnachten schickte er kein Geld für die Kinder. Ich musste ihn per gerichtlicher Verfügung dazu zwingen, dass er wieder etwas bezahlte. Trotzdem war ich auf Essensausgaben bei der Tafel angewiesen, musste meinen Hochzeits- und Verlobungsring verkaufen. Im Interne verkaufte ich unsere Haushaltsgeräte – alles, was mir einfiel, um ein bisschen Geld zu bekommen. Das war erniedrigend, und ich war über 2.000 Euro im Minus.
„Seit Januar bekomme ich Sozialleistungen vom Staat. Schon bevor ich meinen Mann verließ, hatte ich mich darum beworben; weil ich kein eigenes Geld hatte, mit dem ich ihn hätte verlassen können, war das meine einzige Option. Weil er aber so viel verdiente, bekam ich zu hören, ich hätte keinen Anspruch darauf.
„Das alles war ehrlich gesagt schockierend. Ich fühlte mich wie gefangen, als ich begriff, dass ich vor der Trennung keine finanzielle Hilfe bekommen würde. Noch dazu drohte mir mein Mann, dass er mir den Geldhahn komplett zudrehen würde, wenn ich irgendjemandem vom körperlichen Missbrauch erzählte. Dann wären ich und meine Kinder obdachlos gewesen.
„Ich denke, lange Zeit ließ ich mich emotional manipulieren und glaubte, keine Optionen zu haben. Außerdem spielte ich sein Verhalten lange runter und betrachtete es nicht als Missbrauch. Heute tue ich das.
„Ich glaube, dass ein Teil des Problems darin liegt, dass die Leute wirtschaftlichen Missbrauch oft übersehen. Das ist meist nur ein Nebengedanke, wenn wir über häusliche Gewalt sprechen. Dabei übersieht die ganze Gesellschaft – die Polizei, das Sozialsystem, die Gerichte – die simple Tatsache, dass die meisten Opfer ihre missbräuchlichen Partner:innen aus finanziellen Gründen nicht verlassen können, vor allem, wenn Kinder mit im Spiel sind. Das Geld ist deine Fluchtmöglichkeit, dein Ausweg. Ich weiß nicht, wo ich heute ohne die Sozialleistungen wäre. Deswegen will ich die Leute darüber aufklären, wie viele Menschen Ähnliches erleben wie ich. Ich weiß, wie schwer es ist, dir Hilfe zu holen, wenn du von deinem Alltag traumatisiert bist und es ohnehin schon schwer genug ist, jeden Morgen aufzustehen und dich um die Kinder zu kümmern.“
*Name wurde von der Redaktion geändert 

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