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Heartstopper: Die lesbische Lovestory, die ich als Teen brauchte

Foto: bereitgestellt von Netflix.
Lesbische Repräsentation im TV bekam ich zum ersten Mal in der britischen Soap Coronation Street zu sehen, als sich die Charaktere Sophie und Sian küssten. Ich war damals erst neun Jahre alt, weiß aber bis heute, dass es dieser Kuss sogar in die Nachrichten schaffte – nicht nur direkt nach der Ausstrahlung, sondern schon Wochen zuvor, als müsse die Gesellschaft vor so etwas „Obszönem“ gewarnt werden. Der lesbische Kuss – der erste der Soap – kassierte daraufhin jede Menge Beschwerden von Zuschauer:innen. Er sei „zu sexuell“.
Es dauerte viele weitere Jahre, bis mir klar wurde, dass lesbische Beziehungen genauso locker, süß und normal sein können wie heterosexuelle. Und ich wünschte, ich hätte irgendwelche Serien oder Filme gehabt, die mir das schon früher vermittelt hätten. Das hätte mir vermutlich eine ganze Menge Trauma erspart.
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Während ich Netflix’ neue Serie Heartstopper anguckte (die laut Review-Portal Rotten Tomatoes beeindruckenden 100 Prozent aller Kritiker:innen gefallen hat), war ich dauernd am Heulen. Ich weinte, weil die LGBTQ+-Storyline in der Serie so liebevoll behandelt wird. Ich weinte, weil das zu meiner eigenen Teenie-Zeit noch so anders war. Ich weinte vor Freude, weil heutigen Teenagern durch solche Serien klargemacht wird, dass es völlig okay ist, zu sich selbst zu stehen.
In der Serie lernen wir Tara (Corinna Brown) und Darcy (Kizzy Edgell) kennen, ein lesbisches Pärchen an einer Mädchenschule, die anfangs ihre Beziehung verheimlichen, weil sie noch nicht dazu bereit sind, anderen von ihrer Sexualität zu erzählen – das gilt insbesondere für Tara. Im Laufe der Episoden schütteln sie die Last der Meinung anderer Leute allerdings ab und nehmen den Mut zusammen, ganz sie selbst zu sein. Sie küssen sich in der Öffentlichkeit, halten Händchen und bezeichnen sich ganz ohne Scham als Lesben. In vielen Serien und Filmen nennen sich lesbische Frauen eher „gay“ oder „queer“; selten wird das Lesbischsein so als selbstständige Sexualität anerkannt. 
Als ich bemerkte, dass Heartstopper Tara und Darcy erlaubte, sich selbst immer als lesbisch zu bezeichnen, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, freute ich mich unfassbar für all die Mädchen, die dieses Wort von jetzt an dank der beiden mit Liebe, Menschlichkeit und Zärtlichkeit in Verbindung bringen.
Es sollte sich für uns Lesben gar nicht so revolutionär anfühlen, unsere Sexualität in einer Serie einfach nur laut ausgesprochen zu hören. Tatsache ist aber, dass wir uns darüber so sehr freuen, weil uns das so lange vorenthalten wurde; wir hatten keine solchen Rollenvorbilder. Dabei ist es doch unfassbar wichtig, fiktive Charaktere zu sehen, die so stolz auf ihre Identität sind.
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Und genauso bedeutsam ist es, dass Tara ganz offen über ihre Erfahrung damit spricht, Jungs geküsst und daraufhin festgestellt zu haben, dass ihr das nicht gefällt – obwohl sie immer das Gefühl hatte, es sollte ihr gefallen. Diese compulsory heterosexuality (also „Zwangsheterosexualität“) kann ein echtes Problem sein: Zu akzeptieren, dass du dich nicht zu Männern hingezogen fühlst – es gar nicht „kannst“ –, ist eine Facette des Lesbischseins, mit der sich viele von uns lange schwertun.
Das kenne ich selbst. Meine Mitschüler:innen mobbten mich, als ich laut überlegte, eventuell lesbisch zu sein. In den Jahren darauf machte ich mich selbst oft dafür fertig und lag teilweise bis 8 Uhr morgens wach, weil ich mich selbst so sehr hasste und vor lauter Angst in mein Kissen schluchzte. Das Wissen, dass ich lesbisch war, mein Umfeld dieses Lesbischsein aber als Sünde abstempelte, gab mir das Gefühl, ich sei irgendwie „kaputt“. Bis heute wird der Lesbianismus enorm fetischisiert (er ist nicht umsonst die Top-Kategorie auf Pornhub), obwohl er natürlich genauso wenig sündhaft ist wie unsere Klamotten oder Haarfarben. Er macht die Identität so vieler Menschen aus – und kann deswegen, trotz aller Stereotypen, niemals etwas Falsches sein. Und nein, das alles heißt natürlich nicht, dass Lesben nicht ganz offen mit ihrer Sexualität umgehen können; es bedeutet einfach, dass sie es freiwillig tun sollten.
Es fällt mir bis heute schwer, das Wort „lesbisch“ laut auszusprechen. Ich weiß nicht, wieso. Da spielt sicher das jahrelange Trauma eine Rolle, meine Sexualität verbergen zu müssen – aber genauso vermutlich die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Lesben. Und ich liebe es, wie Heartstopper diese Herausforderungen abbildet.
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Foto: bereitgestellt von Netflix.
„Ich gehe nicht laut und selbstbewusst damit um, lesbisch zu sein. Ich konnte das Wort ‚Lesbe‘ anfangs ja kaum aussprechen“, erzählt eine in Tränen aufgelöste Tara, während Darcy sie tröstet.
Es kommt nicht oft vor, dass die Stigmata des Lesbischseins im TV oder Film diskutiert werden. Obwohl wir alle wissen, dass ein Coming-out schwierig sein kann, stehen Lesben auf dem Weg dorthin ganz spezifische Hürden im Weg – in einer Welt, die sie oft als Fetisch für die Befriedigung heterosexueller Männer abstempelt. Darüber müssen wir sprechen, um mit solchen Missverständnisse aufzuräumen. Und das tun Tara und Darcy auf so verletzliche, ehrliche Weise.
Ihre Beziehung ist so authentisch, so liebevoll, und es ist so wichtig, dass junge Menschen – egal, ob sie ihre Sexualität hinterfragen oder nicht – lesbische Teenager zu sehen bekommen, die sich ihrer eigenen Sexualität so sicher sind. Das hilft dabei, gegen die Vorstellung anzukämpfen, Queerness sei „nur eine Phase“ und setzt dabei zwei klare Statements. Erstens: Du bist nie zu jung, um zu sein, wer du bist. Und zweitens: Die wenigsten Leute outen sich, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Ich bin nicht die Einzige, die von Heartstoppers lesbischer Storyline zu Tränen gerührt wurde. Zahllose andere Leute haben online erzählt, wie nah ihnen die Serie ging – und manche von ihnen schöpften daraus sogar den Mut, sich zu outen.
„Die Szene, in der Tara Darcy erzählt, dass sie das Wort ‚lesbisch‘ anfangs kaum aussprechen konnte, berührt mich so, weil ich mich selbst ewig hinter dem Begriff ‚bisexuell‘ versteckt habe, weil ich Angst hatte. Dann habe ich es aber endlich eingesehen“, schreibt jemand auf Twitter
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„Selbst 2022 ist das Wort ‚Lesbe‘ manchmal noch so stigmatisiert und negativ belastet. Heartstopper macht da echt einen großen Schritt nach vorne, indem [die Serie] die beiden ganz stolz aussprechen lässt, dass sie lesbisch sind“, kommentiert jemand anderes.
Keine Frage: Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bis lesbische Repräsentation in den Medien mehr hilft, als dass sie schadet – und ich werde immer die Narben der Storys mit mir herumtragen, mit denen ich in meiner Jugend konfrontiert wurde und die mir einredeten, dass ich als Lesbe wohl zutiefst traumatisiert sein und/oder jung sterben müsse. Und selbst in den letzten Jahren gehen die Geschichten lesbischer Charaktere häufig tragisch aus.
Pretty Little Liars? The 100? American Horror Story? Killing Eve? Alles lesbische Charaktere, die sang- und klanglos sterben müssen. Below Her Mouth? Quasi ein Porno. Carol? Verbotene Liebe. Sogar lesbische Filme mit Tiefgang, wie The Miseducation of Cameron Post, drehen sich um Kummer und befeuern die Vorstellung, Lesbischsein bedeute automatisch, leiden zu müssen.
Heartstopper gibt mir Hoffnung, weil es das Lesbischsein realistisch darstellt, als völlig normal. Gleichzeitig zeigt es, wie sicher sich Menschen fühlen können, wenn sie die Chance bekommen, sich selbst frei auszudrücken. Tara und Darcy sind zwar nicht die Hauptcharaktere der Serie – für mich aber schon irgendwie, weil sie meine Geschichte erzählen: Sie sind ganz normale Leute. Sie gehören dazu. Sie machen Witze, vergießen Tränen, trinken gemeinsam Milchshakes, spielen im Schulorchester, werden nicht ausgegrenzt. Und genau so sollte es sein.
Ich bin so dankbar dafür, dass wir langsam in einer Zeit leben, in der lesbische Darstellungen in den Medien nicht bloß authentisch sind, sondern auch von Lesben selbst konsumiert werden können, ohne dabei irgendwelchen Charakteren hinterhertrauern oder sich getriggert fühlen zu müssen. Danke, Tara und Darcy, dass ihr die lesbischen Ikonen seid, die ich während meiner Jugend gebraucht hätte – und dafür, dass ihr zeigt, dass zärtliche, süße, gesunde Lovestorys auch für Lesben möglich sind. Hoffentlich bekommt eine Geschichte wie eure irgendwann auch mal eine eigene Serie.
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