Zunächst muss ich gestehen, dass ich noch nie in meinem Leben Acrylnägel hatte. Die Masse an Jelly-Nailart-Inspo auf Instagram (wie diesem Kylie-Jenner-Post, der viereinhalb Millionen Likes bekam) fand ich dann aber doch ziemlich überzeugend und ich bat eine Kollegin, mir einen Termin in ihrem Salon zu buchen. Als es dann soweit war, kamen mir ein paar Bedenken, doch nun es gab es kein Zurück mehr. Irgendwie habe ich wohl vorher schon gespürt, dass die kommende Woche extrem herausfordernd werden würde...
Tag 1
16 Uhr: Es ist soweit, ich lasse mir meine Nägel machen. Die gesamte Prozedur dauert zwei Stunden und unterscheidet sich nicht viel von dem normalen Ablauf, wenn man Acrylnägel bekommt. In die Modellageflüssigkeit kommen einige Tropfen Farbe, daraufhin wird sie auf meinen natürlichen Nägeln aufgetragen. Schlussendlich kommt als Finish noch irgendein Gloss auf die Nägel und dann geht es unter eine UV-Lampe. Zum Ende gibt es noch einige Tipps von meiner Nail-Artist Holli: Öffne keine Dosen, sei vorsichtig mit dem Kühlschrank und wenn dir versehentlich Münzen auf den Boden fallen, kannst du es echt vergessen.
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18:10 Uhr: Auf dem Weg vom Salon komme ich an der U-Bahn-Station an und muss feststellen, dass ich mein Ticket nicht mehr aus dem Portemonnaie bekomme. Ich muss tatsächlich einen Mitarbeiter ansprechen, mir die Karte aus dem Fach zu ziehen. Unangenehm.
19 Uhr: Zu Hause wartet mein Freund auf mich. Normalerweise koche ich, aber mit meinen neuen Nägeln dauert alles fünfmal so lange wie sonst – ich kann meine Hände einfach nicht richtig benutzen. Er muss einspringen.
20:25 Uhr: Ich weiß, vielleicht TMI, aber: Es ist Tag zwei meiner Periode und ich habe mir bevor ich die Nägel bekommen habe keine Gedanken darüber gemacht, wie ich den Tampon einführen will. Ich sitze auf dem Klo und denke drüber nach, wie ich das jetzt anstellen soll. Ganz kurz überlege ich, meinen Freund zu rufen und ihn darum zu bitten, mir behilflich zu sein. Aber auch nach acht Jahren zusammen sind wir noch nicht so weit. Und ich hoffe, wir werden auch niemals so weit sein.
23 Uhr: Ich schlafe unruhig, denn irgendwie bin ich mir meiner Gelnägel allzu bewusst. Außerdem ist es eines meiner Schlafrituale, meine Socken festzuhalten (ja ich weiß, müssen wir jetzt nicht drüber sprechen) und meine neuen Nägel hindern mich daran.
Tag 2
8:30 Uhr: Beim Versuch, meine Jeans und Bluse anzuziehen brauche ich 20 Minuten länger als sonst.
9:30 Uhr: Ich komme bei der Arbeit an und bin sehr unsicher, was meinen neuen Look betrifft.
9:35 Uhr: Das Tippen und Bedienen der Maus ist mit meinen neuen Nägeln so gut wie unmöglich.
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10:12 Uhr: Klopause. Meine Schwester ist ein alter Hase im Acryl-Business und hatte mich vorher gewarnt, dass Spülungen, bei denen man einen Knopf betätigen muss, ab jetzt nicht mehr zu bedienen sein werden. Sie hat Recht. Ich benutze jetzt meinen Fingerknöchel, was tierisch wehtut.
11 Uhr: Zeit für einen Snack. Ich muss eine Kollegin bitten, den Sticker von meinem Apfel abzumachen.
12:30 Uhr: Zeit fürs Mittagessen. Eine andere Kollegin muss meine Sushibox öffnen.
12:31 Uhr: Kann Sushi mit meinen Nägeln essen, endlich mal ein praktischer Nebeneffekt!
15:30 Uhr: Meine Kolleginnen sind große Fans von meinen neuen Nägeln.
16 Uhr: Eine Kollegin vergisst im Meeting kurz, dass ich jetzt Jelly Nails habe und guckt schockiert auf meine Hände. Ist der Look so krass?
18 Uhr: After Work Drinks. Zusammen mit einem Glas Wein sehen die Jellys ziemlich cool aus. Ich bleib noch für ein zweites Getränk.
19:30 Uhr: Diesmal kocht mein Freund von sich aus. Ich stehe daneben und biete meine Hilfe an. Aber ich bin auch ein bisschen betrunken und er bittet mich, vorerst einen Bogen um die Messer zu machen.
20:30 Uhr: Unter der Dusche: Ich gebe mir selbst eine Kopfmassage mit meinen neuen Nägeln. Selten hat sich Haarewaschen so verdammt gut angefühlt.
Tag
9:30 Uhr: Zurück am Schreibtisch. Tippen fühlt sich immer noch komisch an. Ich muss meine Finger komisch und weit auseinander halten. Außerdem muss ich die Fingerspitzen nach oben strecken, was sich ebenfalls wahnsinnig seltsam anfühlt.
18 Uhr: Ich verlasse das Büro und laufe nach Hause. (Habe immer noch Probleme, mein Ticket aus dem Portemonnaie zu fischen und bin superfroh, nicht unbedingt mit der Bahn oder dem Bus nach Hause fahren zu müssen.) Meine Kopfhörer in mein Handy zu stecken ist allerdings ganz schön frustrierend. Nicht nur, dass das Kabel die ganze Zeit verheddert ist, mir fehlt es gerade auch einfach an Feinmotorik.
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Ich finde die Nägel zwar immer noch hübsch, mache aber noch mehr Handbewegungen als sonst. Da ich sowieso mit den Händen rede, wird das jetzt noch mehr verstärkt. Während ich also auf dem Nachhauseweg mit meiner Schwester telefoniere, merke ich, wie Passant*innen fasziniert auf meine Nägel schauen.
20:30 Uhr: Zeit für ein Gesichtspeeling und eine Maske. Überraschenderweise gar kein Problem mit den Jellys.
Tag 4
8:30 Uhr: Normalerweise trage ich sehr viele Ringe. Jetzt, wo meine Jelly Nails aber schon so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, halte ich es lieber simpel. Ich probiere zwar jede Menge Ringe aus, aber irgendwie wirkt alles too much. Ich belasse es bei den vieren, die ich immer trage.
9:30 Uhr: Auf der Arbeit sind meine Nägel schon wieder Thema und es gibt jede Menge Leute, die es lieben, sie anzufassen. Alle wollen wissen, wie es mir so mit ihnen ergeht. Meine Antwort: Ich bin mir mehr denn je bewusst, wie viele ekelige Dinge es in unserem Alltag gibt, weil sie sich alle unter meinen durchsichtigen Fingernägeln sammeln. Trotzdem mag ich sie gerne, weil sie hübsch aussehen.
16 Uhr: Ein weiteres Meeting. Ich versuche, mit Zettel und Stift Notizen zu machen, werde jedoch unsanft daran erinnert, dass das alles andere als easy ist. Genervt gebe ich auf.
18 Uhr: Nach der Arbeit gehe ich in den Supermarkt. Die Kassiererin ist restlos begeistert von meinen Jelly Nails und wir reden bestimmt acht Minuten darüber. Die Farbe hat es ihr total angetan, aber auch der transparente Look fasziniert sie. Sie bedankt sich mehrmals, dass ich diese Nail Art in ihr Leben gebracht habe. Weil sie kein Instagram hat, hatte sie sie vorher noch nie gesehen.
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23 Uhr: Ich komme nicht so richtig damit klar, jeden Dreck sehen zu können, der sich unter meinen Nägeln sammelt. Deswegen verbringe ich geschlagene 20 Minuten damit, sie mit einem Zahnstocher zu reinigen, bevor ich schlafen gehe.
Tag 5
8:30 Uhr: Mir fällt auf, dass ich mich, ohne es zu merken, die ganze Woche lang so angezogen habe, dass es zu meinen Nägeln passt. Heute entscheide ich mich ganz bewusst für Socken, die farblich zu den Jellys passen. Superchic, wenn ihr mich fragt!
11 Uhr: Scheiße, Nagelunfall! Ich habe versucht, eine Glastür mit meinem Zeigefinger aufzuhalten. Das tat so weh, dass ich Angst habe, eventuell meinen natürlichen Nagel zu verlieren.
14 Uhr: Immer noch ein pulsierender Schmerz im Finger.
20:30 Uhr: Eine Barkeeperin ist derart begeistert, dass wir zwanzig Minuten über meine Nägel (und mein Leben) sprechen. Vielleicht hätten wir das ganze Thema kürzer abhandeln können, aber ich bin betrunken.
Tag 6
16:30 Uhr: Heute habe ich mir die Jelly-Nägel entfernen lassen. Dafür bade ich meine Fingerspitzen vierzig Minuten in Aceton und sehe dabei zu, wie sich meine hübschen Nägel vor meinen Augen auflösen. Es folgt eine Prozedur aus Feilen, Polieren und Nagelhautöl bis zum Abfallen.
17:45 Uhr: Ich verlasse das Studio. Auf dem Weg nach Hause fühle ich mich irgendwie traurig. Kann es etwa sein, dass ich meine Jellys vermisse?
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