Wie gerne würde ich doch zu diesen Leuten gehören, die so viel meditieren, dass sie sich ständig in einem Zen-Zustand befinden (oder sich zumindest blitzschnell in eine solche Verfassung bringen können). Tja, träumen kann man ja wohl noch. Selbst wenn ich beim Meditieren alles „richtig“ mache – also nicht mittendrin aufgebe oder zwischendurch meinen Instagram-Feed checke –, habe ich nicht immer das Gefühl, dass es mir etwas bringt, in mich zu gehen.
Ist Meditation aber tatsächlich etwas für jede:n von uns?
„Menschen meditieren aus unterschiedlichen Gründen: Vom Wunsch, ihre Konzentrationsfähigkeit zu verbessern, über das Verlangen nach Entspannung bis hin zu der Sehnsucht nach spirituellem Bewusstsein ist alles dabei. Daher ist es schwierig mit Sicherheit zu sagen, dass das Meditieren allen zugutekommt“, sagt Joel Minden, ein lizenzierter klinischer Psychologe. „Ich denke, es ist hilfreich, sich über seine Ziele und Absichten im Klaren zu sein, bevor man überhaupt beginnt, regelmäßig zu meditieren. Dann kann man nämlich einschätzen, ob diese Form, in sich zu gehen, auch tatsächlich für einen von Nutzen ist.“
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Normalerweise rät Dr. Minden Menschen, die mit emotionalem Stress zu kämpfen haben, zu Meditation, da sie ihnen helfen kann, sich ihrer Emotionen bewusst zu werden.
„Wenn man regelmäßig meditiert, schärft man seine Wahrnehmung, was sich auf emotional aufgeladene Situationen im täglichen Leben übertragen lässt“, erklärt der Experte. „Anstatt in alte Verhaltensmuster zu verfallen und sich in bestimmten Momenten von Emotionen überwältigt zu fühlen und steuern zu lassen, ermöglicht Meditation es, das Tempo zu verlangsamen, sich kurz vor Augen zu führen, welche Reaktionsmöglichkeiten einem zur Verfügung stehen und Entscheidungen zu treffen, die stärker im Einklang mit langfristigen Werten sind.“
Außerdem kann man einfach mit dem Meditieren beginnen – unabhängig davon, ob man es am Ende mag oder nicht. In der Theorie sei Meditition Dr. Minden zufolge einfach: Im Prinzip geht es darum, sich auf das, was im Inneren passiert, zu konzentrieren und unsere Aufmerksamkeit wieder auf den inneren Prozess zurückzulenken, sobald unsere Gedanken abzuschweifen beginnen. Theoretisch ist sie auch gut für dich. Studien legen nahe, dass durch das Meditieren jene die Teile des Gehirns sogar gestärkt werden können, die für die Regulierung von Emotionen verantwortlich sind.
Es gibt aber auch Leute – zu denen ich eindeutig gehöre –, die ein Gefühl von Frustration empfinden, wann immer sie ihre Konzentration verlieren und anfangen, an alles Mögliche außer Meditation zu denken. Sie wollen dann das Handtuch werfen, weil sie das Gefühle haben, beim Meditieren zu „versagen“. Ihnen rät Dr. Minden dazu, zu probieren, ihre Herangehensweise zu verändern und diese Praxis aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
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Meditation sollte nicht als eine Fähigkeit betrachtet werden, die es zu meistern gilt. Viel eher sollte man akzeptieren, dass manche Tage herausfordernder sein können als andere.
dR. MINDEN
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„Ich finde es hilfreich, Meditation nicht als eine Fähigkeit zu betrachten, die es zu meistern gilt. Viel eher sollte man akzeptieren, dass manche Tage herausfordernder sein können als andere, und den Prozess an sich zu schätzen“, erklärt er.
In anderen Worten: Wenn es dir schwerfällt, mit dem Meditieren fortzufahren und dich an eine Routine zu halten, solltest du das nicht als Versagen deinerseits ansehen. Es ist völlig normal, beim Meditieren manchmal die ganze Zeit damit zu verbringen, darüber nachzudenken, was man am nächsten Tag erledigen muss. Deshalb bist du noch lange nicht „schlecht“darin.
„Es kann dazu kommen, dass du irgendwann die Motivation verlierst, weil Meditation deine Erwartungen nicht erfüllt. Es gibt nichts daran auszusetzen, wenn du beschließt, mit dem Meditieren aufzuhören, weil es dir nicht zusagt“, sagt der Experte. „Ich denke jedoch, dass es ratsam ist, Mediation über einen längeren Zeitraum hinweg eine Chance zu geben und nicht aufzugeben, nur weil man sich dabei schwertut, schwierige Gedanken und Gefühle zu erdulden, die von Zeit zu Zeit auftauchen können. Diese Erfahrung ist normal.“
Für diejenigen von uns, für die aber das Ziel von größerem Interesse als die Reise an sich ist (und das ist keine Schande), kann es sich frustrierend anfühlen, zu versuchen, den Prozess zu genießen. Anstatt enttäuscht von dir selbst zu sein, weil es dir beim Meditieren nicht gelingt, deinen Gedankenprozess zu verlangsamen, hast du vielleicht mehr von dieser Praxis, wenn du dir selbst die Gelegenheit gibst, all die Gefühle und Gedanken zu verarbeiten, die währenddessen an die Oberfläche kommen.
Wenn du also versuchst, zu meditieren und dich dabei ertappst, wie du dabei an einen Streit mit Freund:innen denkst oder nicht aufhören kannst, an etwas, das an diesem Tag passiert ist, zu denken, kannst du diese ruhige Zeit zum Verarbeiten nutzen. Niemand zwingt dich dazu, zu meditieren, wenn du das Gefühl hast, dass es dir nichts bringt. Du bist aber keineswegs ein hoffnungsloser Fall, nur weil du manchmal die Konzentration verlierst oder hie und da mitten in einer Meditationsrunde aufgibst und dich doch lieber Instagram zuwendest.
„Meditation als einen wertvollen Prozess anzusehen und nicht als etwas, das man liebt oder hasst, kann hilfreich sein“, erklärt Dr. Minden. „Wenn du dich gegen Meditation entscheidest, weil es dir keinen Spaß macht, solltest du dir Gedanken darüber machen, ob du nicht vielleicht deine Einstellung zum Meditieren selbst ändern kannst. Durch eine solche Veränderung in deiner Denkweise allein kann sich die Praxis viel bereichernder anfühlen.“
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