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Ein Plädoyer für eine Gegenbewegung zum Shaming

Ist denn irgendwann mal gut? Entweder ist man zu dünn, hat ganz schön zugenommen, drängt sich zu weit in den Vordergrund, ist zu langweilig oder zu laut. Frauen sind einander größte Kritiker. All diese Negativität macht mich müde. Das beginnt beim Mama-Shaming wie jüngst bei Khloé Kardashian, geht weiter mit Outfit-Bashing (aktuelles Ziel ist Jennifer Lawrence) und geht über in Körperkritik (Cardi B hat Haare am Bauch, also alle schnell haten, bitte). Shaming ist der neue Freizeitsport für den man nichts tun muss, außer seine negativen Energien in so viele Richtungen zu versprühen wie irgendwie möglich.
Besonders gut kennt sich Lena Meyer-Landrut mit Kritik in der deutschen Medien- und Social-Media-Landschaft aus. Seit ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest im Jahr 2010 wird medial kaum ein gutes Haar an der Sängerin gelassen. Immer wieder erscheinen Artikel, die sie als „nörgelnd und zickig”, „magersüchtig” oder gar „patzig und griesgrämig” bezeichnen – viele davon geschrieben von Frauen. Kaum ein Interview und kaum ein Auftritt von Lena bleibt unkommentiert.
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Lena Meyer-Landrut steht immer wieder in der Kritik aber warum eigentlich?

Erst kürzlich wehrte Lena sich öffentlich gegen einen Artikel von Sabine Oelmann, erschienen auf n-tv.de, in dem ihr jüngster Berlinale-Auftritt als „respektlos” betitelt wird. Es ginge beim Filmfest um die Schauspieler und die Regisseure der gezeigten Filme, nicht um die prominenten Gäste. Lena hätte sich mit ihrem Kleid in den Vordergrund gedrängt, heißt es: „Das mag nun also ein bisschen kleinlich rüberkommen, denn ich mag dich, aber es ist so ignorant, dein Verhalten. Auch ein bisschen respektlos. (…) Wie bei einer Hochzeit, da stiehlt man der Braut auch nicht die Show. Die Kameras klicken aber in Richtung Lena Meyer-Landrut.” Klick, veröffentlicht und jetzt kann auch jede Privatperson weitershamen. Manche stimmen der Autorin zu, andere kritisieren sie für ihren Artikel. Ich bekomme Kopfweh und Lena wehrt sich auf Facebook.

Die Gegenbewegung zum Shaming

Doch es passiert etwas, das spüre ich. Jede Bewegung erzeugt immer eine Gegenbewegung – das ist nicht nur in der Natur so, auch im sozialen Kontext ist dieses Phänomen immer wieder zu beobachten, wie in den letzten Jahren beim immer populärer werdenden Lebensstil der Minimalisten, die sich gegen sinnlosen Massenkonsum wehren. Aktuell sprechen Forscher von einer „Avantgarde von digitalen Aussteigern”, die sich von der Generation Kopf unten abgrenzen, zurück zum Analogen gehen, Platten hören, Spaziergänge im Wald machen, Töpfern und selber kochen statt bei Foodora zu bestellen. Ich gehe davon aus, dass sie auch kein Shaming im Internet betreiben. Es geht also auch ohne Negativität durch das Leben zu gehen, wer hätte das gedacht?
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Ich habe es wirklich satt diese Art von Bashing mit anschauen zu müssen. Ist man denn nie feministisch genug, nie akkurat angezogen, sagt nie genau das Richtige zur richtigen Zeit und setzt man sich nie genug für ein Projekt oder eine Sache ein? Nein, man kann es nie jedem Menschen auf der Welt recht machen. Aber können wir uns bitte mal darauf einigen mal Fünfe gerade lassen zu sein und aufhören in jedem Auftritt, in jedem Satz und an jedem Körper etwas Schlechtes zu finden? Lena Meyer-Landrut hat ein Kleid gewählt, das ihr gefiel. Ihr zu unterstellen, sich damit in den Vodergund drängen zu wollen, finde ich schlicht aus der Luft gegriffen.
Dank Facebook, Instagram und Twitter hat heute jeder eine Stimme, was sich teils sehr positiv äußert, wie beim #MeToo-Movement oder den aktuellen Waffenprotesten in den USA, oder eben manchmal voll in die Hose geht. Denn der Ausschlag in die andere, negative Richtung ist eben genauso stark. Das Gesetz der Resonanz. Ungern spreche ich in Memes wie dem obigen, aber vielleicht hört so endlich mal jemand zu: Man kann im Internet auch etwas sehen oder lesen ohne es negativ zu kommentieren. Das geht. Probiert es doch mal aus.
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