Sulfat ist für hippe Friseursalons das Gleiche wie Gluten und Laktose für hippe, junge Restaurants: ein Schimpfwort. „Verwende es auf gar keinen Fall! Niemals!“, warnte mich mal ein bekannter Hairstylist. Ein anderer Friseur reagierte auf meine Aussage, ich würde seit Jahren ein fantastisches (aber sulfathaltiges) Shampoo benutzen mit Kopfschütteln und „Ähm, na ja, also ich meine, es trocknet deine Haare halt einfach voll aus“.
Wie es aussieht, habe ich meine Haare bisher also immer komplett falsch gewaschen. Beide Gespräche führten dazu, meine Haarpflegeroutine noch mal komplett zu überdenken. Bye-bye, Drogerie-Billigshampoos. Und hallo, Salonshampoo – ohne Sulfat, versteht sich. Schließlich raten mittlerweile ja nicht nur Hairstylist*innen, sondern auch Shampoo-Hersteller dringend von den aus Schwefelsäure gewonnenen Salzen (klingt schon mal nicht so prickelnd) ab.
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Seitdem benutze ich sulfatfreies Shampoo, das meine Haare tatsächlich schön soft, glänzend und gesund aussehen lässt. So weit so gut. Bis zu dem Tag, als meine Haarpflege leer war und ich nach Ersatz suchte. Ich wühlte alle Schubladen durch und fand tatsächlich noch eine Flasche. Als mein Blick dann auf die Inhaltsstoffe fiel, lief es mir eiskalt den Rücken herunter: Mein Ersatzshampoo enthielt „Sodium Lauryl Sulfate“.
Doch es war schon zu spät, denn meine Haare waren bereits komplett einshampooniert. Also wusch ich sie ganz normal weiter, föhnte und stylte sie wie sonst auch. Und siehe da: Meine Haare fühlten sich sauber wie noch nie an! Wie ein Model aus einer zweitklassigen Shampoo-Werbung wickelte ich mir den ganzen Tag die Strähnen um den Finger. Das „böse“ Shampoo verwendete ich übrigens bis zum letzten Tropfen. War Sulfat am Ende vielleicht doch nicht so schlimm?
„Sulfate sind Reinigungsmittel, die sehr vorteilhaft in Haarpflegeprodukten sein können“, sagt Wella-Expertin Sophie Ruggiero. „Das sind aktive Inhaltsstoffe, die dafür sorgen, dass das Shampoo schäumt und sowohl die Haaroberfläche als auch die Kopfhaut sehr gründlich reinigt“.
„Wenn sich dein Haar relativ schwer anfühlt, ist es wichtig es richtig sauber zu machen“, so der preisgekrönte Hairstylist Paul Edmonds. „Manchmal fühlen sich die Haare leichter an und lassen sich besser bändigen, wenn man sulfathaltige Produkte verwendet – besonders bei dicken Haaren.“
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Sulfate haben einen schlechten Ruf, weil sie die Haare und Kopfhaut austrocknen können. Aber die Konzentration von Sulfat ist tatsächlich sehr gering in Shampoos.
Sophie Ruggiero, Wella-Expertin
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Warum haben wir dann alle so viel Angst vor ihnen? „Sulfate haben einen schlechten Ruf. Man sagt, dass sie die Haare austrocknen und ihnen die Farbe entziehen. Außerdem können sie bei Menschen mit empfindlicher oder besonders trockener Haut für Irritationen sorgen, wenn das Shampoo nicht richtig ausgespült wird. In dem Fall sollte man vielleicht besser zum sulfatfreien Shampoo greifen. Aber die Konzentration von Sulfat ist tatsächlich sehr gering in Shampoos“, so Ruggiero. „Die meisten Shampoos sind voll mit pflegenden Wirkstoffen, die dafür sorgen, dass die Haare gründlich gereinigt, aber nicht geschädigt werden”. Diese Substanzen bezeichnet Edmonds als „Buffer“.
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So enthalten manche Produkte zum Beispiel Kokosöl oder –milch, um die Haare mit Feuchtigkeit zu versorgen. Wenn du sie also nur ab und zu mal verwendest, ist das kein Problem. Ich benutze sie etwa zwei Mal im Monat, weil ich Haarpflegeprodukte liebe und ziemlich viele Öle, Lotionen und Seren verwende. So kann ich meine Haare besonders gründlich von Rückständen, aber auch toten Haarzellen befreien.
Und wann sollte man auf keinen Fall sulfathaltige Shampoos benutzen?
„Sulfat und Keratin-Behandlungen vertragen sich nicht so gut, da sie dazu beitragen, dass die Inhaltsstoffe zersetzt werden“, so der Promi-Friseur und Electric Hairdressing-Gründer Mark Woolley. „Die positiven Effekte der Behandlung können dadurch rückgängig gemacht werden. Deshalb empfehle ich immer, Behandlung, Shampoo, Conditioner und Co. immer aufeinander abzustimmen. Mit sulfatfreien Shampoos kannst du genauso viel Schmutz und überschüssiges Öl entfernen wie mit sulfathaltigen. Insgesamt würde ich aber sagen, dass man Produkte mit Sulfaten durchaus verwenden kann. Man kann gute Resultate mit ihnen erzielen, aber bei behandelten Haaren mit der Zeit Schäden verursachen.“
Apropos behandelt: „Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Sulfate schlecht für gefärbte Haare sind“, meint Ruggiero. „Damit die Farbe nicht verblasst, solltest du spezielle Produkte verwenden, die die Farbe einschließen, die Haare vor UV-Strahlen schützen und mit Feuchtigkeit und Proteinen versorgen“.
Und? Hast du immer noch Angst vor Sulfaten? Ich nicht.