La La Land gehört zu den Filmen, die polarisieren. Obwohl der Film am vergangenen Sonntag bei den Golden Globes Rekorde brechen konnte, heißt das nicht, dass der Inhalt unisono angenommen wird.
Der New Yorker veröffentlichte bereits zwei Rezensionen, von denen eine nur haarscharf am Verriss vorbeizog. Andere haben den Film bereits für die fehlende Diversity der Besetzung kritisiert. Für einen Film, der sich hauptsächlich mit Jazzmusik auseinandersetzt, sind erstaunlich viele weiße Schauspieler vertreten. Viele haben Goslings Filmcharakter Sebastian außerdem den Stempel des „Manic Pixie Dream Boy“ aufgedrückt: Eine Rolle, die konventionell durch Frauen besetzt wird und in ihrer Essenz oft die Fantasien der Filmemacher ausdrückt, eine fragile, träumerische, im Kern unerschütterlich idealistische Person darzustellen, ohne dabei allzu viel Tiefgang abzuverlangen. Kurz: ein liebliches, aber nicht wirklich reflektiertes Persönchen.
Die Rezensionen legen allesamt valide Argumente an den Tag. Was mich persönlich jedoch am meisten angreift, ist der Umgang mit dem Begriff „Musical“. Es scheint, als hätten sich die Macher eines ganzen Genres bedient, es mit zwei trällernden Stargaranten besetzt und damit war die Sache auch schon erledigt.
Ryan Gosling und Emma Stone sind populär und sehr charmant. Doch er ist kein Sänger, sie keine Sängerin. Als Stone im Broadway-Stück Cabaret auftrat, wurde nur sehr wenig über ihren Gesang gesagt, und das, was gesagt wurde, war nicht unbedingt lobend. Tatsächlich hat eine Kritik der New York Times bemerkt, dass sogar Michelle Williams, die ebenso wenig Sängerin ist wie Stone, eine bessere Stimme hätte als letztere.
Auch Gosling, der einst Mitglied des famosen Mickey Mouse Club war, teilt keinerlei Gesangstalent mit einigen seiner Mitstreiter aus Disney-Zeiten, etwa Justin Timberlake. In La La Land tun Gosling und Stone bestenfalls ihren Job, aber das sollte 2017 eben kein Maßstab sein. Vor allem nicht in einem Film, der mit etlichen anderen, tatsächlich singenden Schauspielern und Schauspielerinnen hätte besetzt werden können.
La La Land erhebt den Anspruch, der filmmusikalisch reichen Vergangenheit Tribut zu zollen, doch die Leistungen der beiden Protagonisten wird dem in keiner Weise gerecht. Sie haben nicht annähernd etwas mit den Multitalenten vergangener Jahrzehnte zutun. Einem Bericht des Hollywood Reporter zufolge, hat Damien Chazelle sich vom Klassiker Singin' in the Rain inspirieren lassen, allerdings ist Emma Stone bei aller Liebe keine Debbie Reynolds. Um das Ganze noch auf die Spitze zu treiben, sind die beiden nicht einmal Tänzer.
Ryan Gosling kann im Übrigen auch nicht wirklich Klavier spielen. Zwar wird gesagt, er habe all die Stücke im Film selbst eingespielt... Das lasse ich einfach unkommentiert so stehen.
Der Film will ein „modernes Musical“ sein, ein Begriff, den Stone in ihrer Rede „radikal“ nannte. Drehbuchautor und Regisseur Chazelle nannte den Film „schamlos nichtkommerziell“, während der Hollywood Reporter das Genre schlicht als „ausgeloschen“ betitelte. Meine Meinung? Nichts, rein gar nichts an einem Musical ist schamlos oder radikal. Wer schamlos und radikal sehen möchte, der kann sich gerne mit Lin-Manuel Mirandas Musicaltheater Hamilton auseinandersetzen.
Was mich an La La Land schier in Rage bringt, ist die Tatsache, dass sie sich Darsteller suchten, die keinerlei musischen Hintergrund mitbringen, und das Endprodukt dann für revolutionär, heldenhaft und absolut bahnbrechend im Sinne des Filmmusicals halten.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass Stone und Gosling die Hauptrollen bekamen, um Tickets zu verkaufen. Ich hätte es nur wirklich begrüßt, wenn wir Filme, die nichts mit Musicals zutun haben und dem Genre alles andere als Ehre machen, nicht so nennen und erst recht nicht als Pioniere des Genres feiern. Und wenn man doch auf eine solche Fachbezeichnung besteht, warum dann nicht echte Musicaldarsteller engagieren? Es ist ja nicht so, als gäbe es nicht genug oder keine guten.
Im Spätsommer 2016 geriet Kendall Jenner wegen eines Shootings für die spanische Vogue unter Beschuss, für das sie sich als Ballerina verkleidete. Viele ausgebildete Tänzer kritisierten dieses Schauspiel, weil sie ihr Leben lang hart für die Anerkennung ihres Status als Tänzerinnen gekämpft, trainiert und horrende Summen an Geld in ihre Ausbildung gesteckt hatten. Wenn nun jemand wie Jenner leichtfüßig in einen Raum hineinbalanciert, hat das wenig mit der Realität zutun und reduziert das, was eine wahre Tänzerin können muss, auf ein ansehnliches Minimum.
Ungefähr so verhält es sich auch mit wahren Tänzern, Sängern, Musikern und La La Land. Und nur weil Ryan Gosling eine der Hauptrollen spielt, einer, der sonst alles richtig zu tun scheint, kann es nicht sein, dass wir den Film einfach so hinnehmen.
La La Land soll eine Hommage sein an all die großen Musicals, die vorher kamen und verfilmt wurden. Jedoch misslingt es dem Film und den Darstellern und Machern dahinter gänzlich, jeglichem Werk von der Größe einer West Side Story oder Singin' in the Rain gerecht zu werden.
Der Himmel über La La Land mag voller Sterne sein, doch keiner von ihnen kann tanzen.
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