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In den Kleidern meiner Mutter: Ihr früherer Look ist heute meine modische Identität

Meine Großmutter war schon immer eine feine Dame, sie legte großen Wert auf die Kleidung ihrer drei Töchter. Zu meinem Glück. Denn heute bin ich es, die diese Kleider aus den 60ern, 70ern und 80ern ehrt.

Wellenlinie
Der Dachboden meiner Großmutter glich für mich früher der Zauberkugel der Mini Playback Show. Als ich hinaufstieg, wusste ich noch nicht, mit welchem Kleid ich wieder herunterkomme, ich wusste nur, dass ich verwandelt und verkleidet wieder herabsteige und in einer anderen Rolle stecke. In Stoffen früherer Dekaden feierte ich also schon als Kind die modische Vergangenheit der Frauen meiner Familie. Meine Großmutter war schon immer eine feine Dame, sie legte großen Wert auf die Kleidung ihrer drei Töchter. Zu meinem Glück. Denn heute bin ich es, die diese Kleider aus den 60ern, 70ern und 80ern ehrt.
Seit meiner Teenagerzeit weiß ich dieses Gut von gestern besonders zu schätzen. Aus Verkleidung wurde modische Identität. So fand ich meinen eigenen Stil in einer Symbiose aus alt und neu, aus Familie und Stores. Das bedeutet, oft besteht mein Look aus einem klassischen und zeitlosen Lieblingsteil von Mama oder Oma, kombiniert mit einem modernen Detail. So trug ich mit 13 Jahren ihre Cordhosen mit dem extremen Schlag zu den Buffalos, die man eben zu dieser Zeit unbedingt tragen wollte. Mit 14 war es dann die braune Lederjacke mit den spitzen Kragen in Kombi mit der Miss-Sixty-Hose. Die Vita meines Kleidungsstils kann ich nun genau so fortführen – bis heute. Ungelogen besteht mindestens die Hälfte meiner Garderobe aus den Teilen meiner Mutter.
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Foto: Alex Mader
So ist folgende Frage meines Umfelds ein Insider: Ist das neu oder von deiner Mama? Ein bisschen macht mich die Antwort dann schon stolz. Und meine Mutter ebenfalls. „Ich freue mich, die Sachen an dir zu sehen. Manchmal in wilden Mischungen, aber es erinnert mich oft an schöne Zeiten. Mit jedem Teil verbindet man ja eine Zeit oder sogar eine Anekdote“, sagt meine Mutter.

Es heißt, Kleider machen Leute - ich finde, Kleider machen Dialoge. Die neue Inszenierung ihrer Stücke bringt uns von einer Story zur nächsten.

Als ich ihr die Bilder des Refinery29-Shootings zeige, sprudeln die Geschichten aus Mama raus. Das dunkelblaue Kleid mit den filigranen Metallic-Fäden trug sie bei der standesamtlichen Hochzeit. Sie war zu der Zeit mit meiner Schwester schwanger und stand auf indische und marokkanische Maxikleider. 69 Deutsche Mark kostet das Kleid, was damals für so ein „Walla -Walla-Kleid“, wie es meine Mama bezeichnet, viel Geld war.
Der Gedanke, dass ich ein Stück Familiengeschichte trage, ein Eckpfeiler der Liebe meiner Eltern, rührt mich. „Und die weiße Flokatijacke. Oma und meine Schwestern haben die Jacke nicht verstanden, aber die musste ich mir von meinem ersten Lehrlingsgehalt als Fotografin einfach leisten. Auf die war ich so stolz“, erzählt sie. Dazu trug sie eine Jeans von Levi's. „Ich werde nie vergessen, dass meine Mutter ins Bad kam, als ich mit meiner besten Freundin in der Badewanne saß, um die Levi's hauteng zu machen. Wir haben sie vorher mit Sand abgerieben und dann haben wir uns in die Wanne gesetzt. Used Look für eine so teure und vor allem neue Jeans? Das konnte deine Oma natürlich nicht begreifen. Die ist vom Glauben abgefallen“, erinnert sie sich lachend. Dann malt sie ihre lustigen Abende am Lagerfeuer aus, Gitarren-Jams am See und dem regelmäßigen Kleidertausch mit ihrer besten Freundin. Irgendwann stimmt sie sogar „Hey Jude“ von den Beatles an.
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Ich finde auch den Gedanken der Nachhaltigkeit an dieser Geschichte ebenso schön: Wer flickt denn heute noch Löcher, bringt seine Schuhe zum Schuster oder trägt alte Kleider auf?

Foto: Alex Mader
Es heißt, Kleider machen Leute - ich finde, Kleider machen Dialoge. Die neue Inszenierung ihrer Stücke bringt uns von einer Story zur nächsten. Ich bekomme ein Gefühl, wie viel Kleidung damals wert war. Wie die Einstellung dazu war und ich verstehe die Lebenswelt einer jungen Frau, die 1960 geboren wird.
Aber es ist nicht nur der emotionale Wert für mich. Ich finde auch den Gedanken der Nachhaltigkeit an dieser Geschichte ebenso schön: Wer flickt denn heute noch Löcher, bringt seine Schuhe zum Schuster oder trägt alte Kleider auf? In der viel besprochenen Wegwerfgesellschaft kauft man eben Neues. Der Trend an sich ist eine unbeständige Momentaufnahme. Beständig ist aber, dass die Mode im Kreislauf funktioniert. Meist kommt das wieder, was einmal gefragt war. Und Klassiker überdauern eh jede Laune. Ich bin meiner Mama also dankbar dafür, dass ihre Herzensteile aufbewahrt hat und ich sie heute noch wertschätzen kann.
PS: Gleichzeitig habe ich die beste Ausrede für meinen Freund, der vor meinem Schrank steht und mich fragt, ob ich nicht mal ausmisten will: „Wenn ich alles behalte, wird sich unsere Tochter einmal freuen…“
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