Tagtäglich setzen sich Menschen weltweit mit den gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit auseinander. Rassismus, Sexismus, Homophobie und Klassendenken überschneiden sich an allen Punkten und schaffen ein kompliziertes Netz institutionell erzwungener Unterdrückung. Und darunter leiden meistens die Menschen, die sowieso schon am Rande der Gesellschaft sind. Die Welt, in der wir leben, ist technologisch so fortschrittlich. Wenn es aber um Gleichberechtigung geht, scheinen veraltete Systeme, die viele Menschen noch wie Bürger*innen zweiter Klasse behandeln, immer noch die Vorherrschaft zu haben.
Zum Glück gibt es aber viele Menschenrechtsbewegungen, die dafür kämpfen, soziale und systematische Diskriminierung endlich aus der Gesellschaft zu verbannen – und fast immer stehen Frauen an der Spitze dieser Gruppen. Und obwohl sie so wichtige Arbeit leisten, kriegen wir die Namen dieser Frauen in den Mainstream-Medien nicht zu hören. Deshalb hat es sich Regisseurin Sharmeen Obaid-Chinoy zur Aufgabe gemacht, uns diese Frauen und ihre Arbeit vorzustellen.
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Obaid-Chinoy wurde in Karatschi, Pakistan, geboren und begann ihre filmische Reise bereits mit 14 Jahren. Schon als Kind hat sie mitbekommen, welchen Einfluss die patriarchalische Kultur auf ihr Land hat: Mädchen besuchen andere Schulen als Jungen (falls sie überhaupt in die Schule gehen dürfen), Zwangsehen sind an der Tagesordnung und ein radikales Traditionsbewusstsein bremst die gesellschaftliche Weiterentwicklung...
Frustriert von dem, was sie sah, beschloss Obaid-Chinoy diese Ungerechtigkeiten durch ihre Filme zum Vorschein zu bringen. Vor allem aber konzentriert sich ihre Arbeit auf den Aktivismus, der diese sozialen Probleme aus der Welt schaffen will. Ihr beeindruckender Lebenslauf umfasst über 30 einzigartige Projekte, von denen mehrere mit Oscars, Emmys und dem prestigeträchtigen Crescent of Excellence, einem Award aus ihrem Heimatland Pakistan, ausgezeichnet wurden. Durch ihre Filmografie wurde Obaid-Chinoy bekannt dafür, die unentdeckten Geschichten der mutigen Menschen zu erzählen, die die wichtigsten sozialen Bewegungen der Welt leiten. Sie gibt ihnen eine Plattform, in der sie gehört werden und die sie wirklich verdient haben.
In ihrer neuen Doku-Serie Fundamental auf YouTube stellt uns Obaid-Chinoy fünf Frauen, die dank ihres Aktivismus, ihre Communitys verändern und vor allem verbessern. In Zusammenarbeit mit dem Global Fund For Women nimmt Fundamental uns mit nach Brasilien, Kenia, Georgien, Pakistan und die USA. Wir erfahren mehr über den Aktivismus von Frauen für Frauen und wie der Kampf dieser Aktivist*innen in den jeweiligen Ländern genau aussieht.
Refinery29 hat mit Obad-Chinoy über Fundamental, die Frauen hinter den globalen Bewegungen und ihre Leidenschaft für intersektionalen Aktivismus gesprochen:
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Refinery29: Fundamental zeigt uns die Storys von fünf sehr einzigartigen Graswurzelbewegungen, verstreut auf der ganzen Welt. Aber im Moment gibt es so viele revolutionäre Strömungen – wie hast du entschieden, welche Geschichten du erzählen willst?
Sharmeen Obaid-Chinoy: „Rund um die Uhr hören wir erschütternde Nachrichten aus der ganzen Welt. Manchmal sind es so viele, dass wir nicht einmal alle verstehen oder wirklich wahrnehmen können. Mit dieser Doku-Reihe wollten wir die Arbeit der Menschen zeigen, die an vorderster Front gegen all die sozialen Missstände vorgehen. Dadurch verstehen wir auch erst, was Frauen weltweit durchmachen, und begreifen, was es bedeutet, heute ein*e Feminist*in zu sein. Wir wollten einfach nur eine Momentaufnahme des Aktivismus in der Welt erstellen.“
Wie gehst du ans Erzählen heran? Das Thema ist nicht gerade einfach mit der Welt zu teilen.
„Früher habe ich mir im Fernsehen die Berichte von Journalistinnen der 90er Jahre quasi wie ein Schwamm aufgesaugt – sie waren die Inspiration für viele meine Filme. Jetzt habe ich fast zwei Jahrzehnte lang Filme geschaffen, die der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Ich möchte, dass die Menschen sich zutiefst unwohl fühlen, wenn sie meine Arbeit sehen. Wenn sie sehen, was um sie herum geschieht, sollen sie sich gezwungen fühlen, den Mund aufzumachen. Ihr Schweigen trägt immens dazu bei, dass Regeln, Vorschriften und Gesetze gemacht werden, die bestimmte Gruppen ausgrenzen und diskriminieren.“
„Meine Arbeit hat mich in Länder und zu Menschen gebracht, deren Geschichten es wert ist zu erzählen. Ich will ihnen helfen, Menschen aus allen Ecken der Welt zu erreichen. Glücklicherweise habe ich mir durch meine Auszeichnungen eine Plattform geschaffen, in der meine Stimme gehört wird. Damit will ich auch die Stimmen anderer lauter werden lassen.“
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Alle fünf in Fundamental gezeigten Storys sind beeindruckend. Aber gab es eine bestimmte Bewegung, die dich wirklich berührt hat oder mit der du dich persönlich identifizieren konntest?
„Es gibt in jedem Film Momente, die meiner Meinung klar und deutlich zeigen, was diese Frauen durch ihren Aktivismus erreichen wollen. Trotz aller Widrigkeiten zeigen sie uns diesen Optimismus – ein Optimismus, der ihnen die Hoffnung auf eine Zukunft gibt, in der sie in selbstbestimmter Freiheit leben können.“
Welche Botschaft soll Fundamental den Zuschauer*innen vermitteln?
„In einem der Filme sieht man wie zwei sehr unterschiedliche Gruppen zusammenarbeiten. Weil ihre Probleme aber ähnlich sind, tun sie sich letztendlich zusammen, denn ihre Werte sind gleich – sie kämpfen den gleichen Kampf.“
„Die Menschen sollen verstehen, dass Fundamentalismus und Gewalt nicht nur in Ländern mit Diktaturen und zusammengebrochenen Volkswirtschaften stattfinden. Fundamentalismus ist ein Geisteszustand. Er kann überall stattfinden. Und sie sollen wissen, dass es trotz allem, was in der Welt geschieht, Frauen gibt, die diese Systeme zum Fall bringen wollen und dabei sogar ihr eigenes Leben in Gefahr bringen.“
„Der Gobal Fund For Women hat Lernmaterial für jede einzelne der Folgen erstellt. Wir werden diese Doku-Serie in Schulen, Gemeindezentren und Hochschulen zeigen – und zwar weltweit. Die Idee ist, einen wichtigen Diskurs über den heutigen Aktivismus zu starten, andere zu inspirieren auch aktiv zu werden. Wir zeigen die Gesichter der Aktivist*innen und pflanzen ihre Arbeit in den Köpfen der Menschen ein. Das ist mehr als nur eine Doku-Serie. Wir wollen die nächste Generation erziehen und ihr Mut machen.“
Die Doku-Serie “Fundamental“ kannst du dir jetzt auf YouTube ansehen.