Achtung: Spoiler für Netflix’ The Woman In The Window direkt voraus!
Der auf dem Bestseller-Thriller The Woman In The Window – Was hat sie wirklich gesehen? von A.J. Finn basierende Netflix-Film wirft vor allem eine Frage auf: Kann ein Film zu viele Plottwists haben? Wer allerdings vor dem Schauen schon das Buch gelesen hat, dürfte von all den überraschenden Wendungen nicht allzu überrascht sein – schließlich bleibt das Ende von The Woman In The Window ziemlich nah an der Buchvorlage. Aber sehen wir uns das Ganze doch mal genauer an.
Der Netflix-Thriller fängt erstmal recht geradlinig an: Anna Fox (Amy Adams) leidet unter Agoraphobie, der Angst vor öffentlichen Orten und Menschenmengen. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt sind die nächtlichen Telefonate mit ihrem entfremdeten Ehemann Ed (Anthony Mackie) und ihrer Tochter Olivia (Mariah Bozeman), sowie ihr spärlicher Kontakt zu David (Wyatt Russell), der als Untermieter im Keller lebt. Das alles ändert sich jedoch schlagartig, als die mysteriöse Familie Russell gegenüber einzieht – und Anna mitansieht, wie Jane Russell (Julianne Moore) erstochen wird und kurz darauf offenbar durch eine andere Jane Russell (Jennifer Jason Leigh) ersetzt wird. Annas Welt beginnt einzustürzen: Hat sie sich alles nur eingebildet? Oder haben die Russells ein finsteres Geheimnis?
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Währenddessen entwickelt Anna ein berufliches Interesse am jugendlichen Sohn der Russells, Ethan (Fred Hechinger). Als Kinderpsychologin erkennt sie sein scheues Verhalten als Anzeichen eventuellen Missbrauchs; als sie dann auch noch erlebt, wie sehr er sich vor seinem herrischen Vater Alistair (Gary Oldman) zu fürchten scheint, verfestigt sich ihr Verdacht immer weiter. Schließlich begreift Anna, dass sie tatsächlich Zeugin eines Mordes wurde – allerdings nicht dessen von Jane Russell, sondern von Ethans leiblicher Mutter. Die Einsicht, dass es keine Halluzination war, bringt Anna zu der Überzeugung, dass Alistair die Frau getötet haben muss. Es ist dieser Punkt im Film, an dem Leser:innen der Buchvorlage vielleicht erstmal irritiert die Stirn runzeln.
In Finns Thriller ist es nämlich Ethan, der Anna bestätigt, dass sie den Mord der Frau wirklich gesehen hat – dass das aber nicht Jane Russell war. Noch dazu verspricht er Anna, mit seinen Eltern über den Mord zu sprechen und sie dazu zu überreden, sich der Polizei zu stellen. Im Film ist es aber Annas Untermieter David, der die wahre Identität der Frau enthüllt. Weil er einen One-Night-Stand mit Ethans leiblicher Mutter gehabt habe und sich vor einem Polizeiverhör drücken wolle, habe er Anna absichtlich in dem Glauben gelassen, sie habe sich alles nur eingebildet.
Davids neue, größere Rolle ist aber nicht der Hauptunterschied zwischen Film und Buchvorlage – sondern der unterschiedliche Zerfall der Freundschaft zwischen Ethan und Anna. Als Ethan Anna im Buch von seiner leiblichen Mutter erzählt, hat sie noch die Hoffnung, er könne sich irgendwann von seinen jetzigen Eltern lösen und so einem missbräuchlichen Zuhause entkommen. Erst später begreift Anna, dass mit Ethan etwas nicht stimmt, und er greift sie an. Es stellt sich heraus, dass Ethan selbst seine leibliche Mutter getötet hat und seine Tat von seinen Eltern vertuscht wurde. Im Film hingegen geht alles etwas schneller, und Ethan greift Anna direkt an, nachdem David ihr die Wahrheit über die Identität der ermordeten Frau erzählt.
Daraufhin geht es mit The Woman In The Window ziemlich originalgetreu weiter: Ethan versucht, Anna umzubringen, was sie dazu zwingt, aufs Dach zu flüchten – wo sie ihn allerdings in seinen Tod stößt.
Welche Gefühle soll das düstere Ende dieses Films in uns auslösen? Joe Wright, Regisseur des Netflix-Thrillers, hat dazu eine bestimmte Hoffnung: dass uns der Film dazu ermutigt, uns von Angst zu befreien. „Ich hoffe, das Publikum hatte zwar einerseits die nervenzerreißende Thriller-Aufregung, fühlt sich aber am Ende des Films – nach dem Ende der Angst – erleichtert“, erzählte er vor dem Release gegenüber Entertainment Weekly. Ebenso, wie Anna nach ihren Erlebnissen in The Woman In The Window ihre Agoraphobie überwunden hat – genau wie ihre Angst, von einem jugendlichen Serienkiller ermordet zu werden –, haben auch wir am Ende keine Angst mehr. Zumindest nicht die davor, Amy Adams fiktiv, aber brutal sterben zu sehen.
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